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Misdieheredit, nur eine „Härte“?

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Das kommende Konzil hat sich schon in seinem Vorbereitungsstadium als ein weltumspannendes Ereignis angekündigt. Das vom Heiligen Vater angekündigte Anliegen, die Wegbereitung zur Wiederherstellung der Einheit, hat auch in den Herzen nichtkatholischer Christen eine aufrichtige Hoffnung geweckt. Dieses Interesse bekundet sich nicht nur in einer abwartenden Haltung den Ereignissen gegenüber, sondern hat wiederholte Stellungnahmen, ja sogar Konzils Vorschläge konkreter Natur hervorgerufen. ln einer geteilten Welt wird man die religiöse Spannung nicht nur als bloße Differenz der Religionsgemeinschaften empfinden, sondern darüber hinaus Gewissenskonflikte erleben, wenn im engsten Zusammenwirken der Menschen das Auseinanderbrechen der religiösen Einheit zur Entscheidung drängt.

Wir werden daher durchaus Ver-

ständnis aufbringen, wenn die Mischehe als ein Gewissenskonflikt, der ein ganzes Menschenleben umdüstern kann, in dieser Sicht der erstrebten Einheit als Stachel empfunden wird. So ist denn auch in jüngster Zeit der Wunsch ausgesprochen worden, daß die katholische Kirche zur Vermeidung einer persönlichen Belastung ihre bisherige Gesetzgebung ändern möge, zumal es sich um eine Bestimmung aus neuerer Zeit, nämlich aus dem Jahre 1918, handle. Es sei nicht angängig, die Eheschließung vor dem nichtkatholischen Religionsdiener als Konkubinat zu betrachten. Es sei ferner Gewissenszwang, wenn bei Eingehung einer Mischehe die Zusicherung der katholischen Taufe und Erziehung sowie die Forderung nach dem Eheabschluß vor dem katholischen Religionsdiener gefordert werde.

Mischehe oder Konkubinat

Die einfache Feststellung, daß die katholische Kirche die vor dem nichtkatholischen Religionsdiener geschlossene Ehe als ein Konkubinat betrachte, vermengt zwei Dinge, die auf verschiedenen Ebenen liegen. Zunächst einmal geht es der Kirche bei Festlegung der Gültigkeitsvoraussetzungen nicht nur um die Aufstellung von Hindernissen, sondern auch umdieRechtsverbind- lichkeit einer Formvorschrift, die den gegebenen Verhältnissen Rechnung tragen soll. Um nicht noch weiter in die Vergangenheit zurückgreifen zu müssen, möge es hier genügen, das tridentinische Prinzip zu erwähnen: Die Ehe wird gültig vor dem Pfarrer und zwei Zeugen geschlossen. In der Folgezeit erfährt der Rechtssatz über die Ehen von nichtkatholischen Christen eine genauere Umschreibung, der das Konzil von Trient zunächst noch ausgewichen war. Demnach unterliegen nichtkatholische Christen nicht der tridentinischen Formvorschrift und können daher die Ehe auch außerhalb der katholischen Kirche gültig schließen. Positiv ausgedrückt besagt dieser Satz: Die Ehen von Nichtkatholiken sind gültig, wenn kein Hindernis oder ein Willensmangel vorliegt. Tritt ein Protestant der katholischen Kirche bei, so wird seine vor dem protestantischen Religionsdiener geschlossene Ehe (sofern der Partner auch Nichtkathoiik war) anerkannt, so, als hätte er diese Ehe in der katholischen Kirche geschlossen.

Der Katholik hingegen ist an die Formvorschrift gebunden, ohne daß man diese Maßnahme primär als Mittel gegen die Eingehung einer Mischehe geplant hätte. Das tridentinische Prinzip richtete sich vielmehr gegen die sogenannte klandestine Ehe, das heißt, eine Eheschließung ohne Zuziehung des trauungsberechtigten Priesters. Zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten wurde diese Möglichkeit, die bis zum Tridentinum nur Mißbilligung erfahren hatte, durch Hinzufügung der Ungültigkeitsklausel praktisch ausgeschieden. Schließt ein Katholik seine Ehe vor dem Standesamt oder vor dem nichtkatholischen Religionsdiener, so ist sie ungültig, weil die F o r m v o r s c h r i f t übersehen wurde. Darin liegt, soweit wir nur die Formvorschrift betrachten, nicht eine Stellungnahme zur Mischehe, sondern die rechtliche Konsequenz des tridentinischen Prinzips.

Rechtlich denkbar und als historische Ausnahmeerscheinung nachweisbar ist die Möglichkeit, daß die Kirche eine Mischehe, die unter Vernachlässigung der Formvorschriften geschlossen wurde, als gültig anerkennt, sie aber als unerlaubt betrachtet, wenn die sonstigen Voraussetzungen zum Abschluß einer Mischehe nicht gegeben waren. Wir erwähnen diese Möglichkeit allerdings nur, um die gesonderte Betrachtungsweise, die die Problematik der Mischehe und die der Formvorschrift bedingt, bis zur letzten Konsequenz aufzuzeigen. Darin einen neuen Weg für die Zukunft erblicken zu wollen, wäre müßig, da nicht nur die geschichtliche Erfahrung dagegen spricht, sondern die innere Schwierigkeit der Mischehe ungelöst bleibt.

Die innere Schwierigkeit der Mischehe

Für den gläubigen Katholiken ist seine Religion weder Ansichtssache noch rituelle Angelegenheit, sondern die Überzeugung, eine absolute und unteilbare Wahrheit zu besitzen. Diese Festigkeit ist darin begründet, daß es sich in Dingen des Glaubens nicht um Forschungsergebnisse oder .Meinungen handelt, die man aus gebotener menschlicher Bescheidenheit mit einschränkenden Klauseln versieht. Der Glaube gründet sich auf das Wort eines anderen, auf die Offenbarung Gottes, die wir nicht befugt sind, mit Einschränkungen zu versehen, ln einer gespaltenen Welt, die jeder metaphysischen Erkenntnis ohnedies nur einen relativen Wert zubilligt, führt dieser absolute Wahrheitsanspruch notwendigerweise zu Konflikten, die weit über den Rahmen der Mischehenfrage hinausgreifen.

Bei aller Hochschätzung vor der ehrlichen Überzeugung des Mitmenschen kann sich eine enge Bindung an ihn als eine Belastung heraussteilen, die mit dem Prinzip ,.Wahrheit in Liebe“ nicht mehr überdeckt werden kann. Der gläubige Katholik wird niemals eine Lebensform anstreben, die er als dauernde Gefährdung seiner Überzeugung betrachten muß. Die Voraussicht, daß eine Mischehe nicht nur das Fehlen der religiösen Einheit, sondern überdies eine wirkliche Gefährdung des eigenen Glaubens mit sich bringt, greift über den Rahmen des kirchlichen Gesetzes in das Gebiet der moralischen Verpflichtung über. Ebenso ist es mit dem zweiten Fragenkreis, der die Eingehung einer Mischehe zu begleiten pflegt: die Erziehung der Nažhkoifnnehšbhaft. Die Eltöriw pflicht erschöpft sich nicht in der biologischen Funktion, das Leben weiterzugeben. Mit der Fortpflanzung des natürlichen Lebens geht Weckung des übernatürlichen Lebens Hand in Hand. Ein Verzicht auf dieses Elternrecht oder eine Teilung desselben ist innerlich unzulässig.

Wollte man daher unter Verzicht auf jedes kirchliche Recht die Mischehenfrage zur Gewissensangelegenheit deklarieren und sie der Entscheidung des einzelnen anheimstellen, so könnte die Entscheidung nicht anders erfolgen als unter den Voraussetzungen, die die Kirche durch ihr Gesetz verlangt, wenn sie um Dispens vom Hindernis angegangen wird.

Was nun, wenn der nichtkatholische Christ seine Überzeugung genau so ehrlich im Sinne eines Ganzheitsanspruches vertritt? Wir wollen der Fragestellung nicht dadurch aus- weichen, daß wir auf den Mangel eines absoluten Wahrheitsanspruches beim Nichtkatholiken hinweisen. Es mag dies zutreffen, allein die Lösung liegt nicht darin. Im Gegenteil, wenn wir für beide Teile die Forderung nach Konsequenz aufstellen, ist es nicht mehr zu leugnen, daß eine unlösbare Schwierigkeit entstanden ist, die nicht an bürokratische Schwierigkeiten gebunden ist, sondern eine unüberwindliche innere Schranke aufrichtet. „Gerade weil es hier nicht um einen Machtkampf geht, den man schließlich mit einem solchen Kompromiß beilegen könnte, sondern zuerst und wesentlich um eine Frage des Glaubens und Gewissens, gibt es keine Lösung“ (Hartmann, Toleranz und christlicher Glaube, S. 159).

Wollte man hier von Gewissenszwang reden, so wäre es verfehlt, von einem äußeren Zwang, sei es auch nur die Sanktion eines kirchlichen Gesetzes, zu sprechen. Der Zwang ergibt sich von innen, so wie jede sittliche Verpflichtung zwingend ist. Der Zwang wäre nur dann unerträglich, wenn mit ihm Hand in Hand die Nötigung zur Eingehung einer Mischehe ginge, und gerade die Nötigung will die Kirche einschränken, wenn sie generell vor Eingehung der Mischehe warnt. Das Eingehen auf dieses Bestreben soll es verhindern, daß der einzelne zu Entscheidungen getrieben wird, die er dann mitleidheischend als „Zwangslage“ bezeichnet.

Neues oder altes Gesetz?

Die grundsätzliche Betrachtungsweise müßte es als unwahrscheinlich hinstellen, wenn man die Gesetzgebung der Kirche über die Mischehe als eine erstmalig im Codex des Jahres 1918 aufscheinende Rechtsverbindlichkeit hinstellen wollte.

Vergeblich suchen wir allerdings im apostolischen Zeitalter nach näheren Bestimmungen. Genügte doch die allgemeine Mahnung des Apostels Johannes: „Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre nicht mitbringt, so nehmet ihn nicht ins Haus auf, und grüßet ihn auch nicht“ (2 Joh. 10).

Zirka 306 vqrordnete die Synode von Elvira, daß die Ehe eines katholischen Mädchens mit einem Häretiker oder Juden verboten sei (can. 16). Die Synode von Laodizea (zwischen 343 und 381) wendet sich an die Eltern: Gläubige Eltern sollen ihre Söhne und Töchter nur dann an Häretiker verheiraten, wenn letztere versprechen, katholisch zu werden (can. 10 und 31). Ähnlich lauteten die Bestimmungen der Synode von Hippo (393) und des Konzils von Chalcedon (451), das den Lektoren und Kantoren verbietet, andersgläubige Gemahlinnen zu nehmen (can. 14).

Auf diese Praxis griff die nach- tridentinische Kirche zurück, zumal ihr durch die Formvorschriften des Tridentinums die Überwachungsmöglichkeit über die Eheschließung (Abschaffung der klandestinen Ehe) gegeben worden war. Es soll freilich nicht verschwiegen werden, daß diese Grundsätze in konfessionell gemischten Ländern nicht so genau gehandhabt wurden, weil staatskirchliche Fesseln zur Duldung einer den katholischen Prinzipien widersprechenden Gepflogenheit genötigt hatte. Erst das erwachende Bewußtsein der Kirche in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts befreite die Kirche von diesen Fesseln und verhalf der allgemeinen Disziplin zum Durchbruch. So dürfen wir denn in den heutigen Bestimmungen die Wiedergabe von Prinzipien erblicken, die mehr als eineinhalb Jahrtausende im Rechtsbewußtsein der Kirche verankert sind.

Man mag das Bestehen des rechtlichen Hindernisses der Bekenntnisverschiedenheit ebenso wie die Abver- langung von schriftlichen Kautelen als einen Markstein in der kirchlichen Rechtsgeschichte vermerken. Die G e- w i s s e n s p f 1 i c h t, die die Kirche weder anders formulieren noch mit einer Nachsicht versehen kann, ist zeitlos. Bringt die Mischehe eine Gefährdung des Glaubens mit sich oder stellt sie die katholische Erziehung der Nachkommenschaft in Frage, so kann der Katholik, auch wenn die Kirche nie etwas verfügt hätte, nur nach dem Urteil seines Gewissens handeln, und dieses Urteil ist nicht nur eindeutig, sondern es entzieht sich dem Zugriff konzili- arer Entscheidungen, weil es die Stimme des höheren Gesetzgebers ist.

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