Mit Ressentiments ins Umfragehoch

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In Polen feiert die regierende PiS-Partei von Jarosław Kaczynski mit Ressentiments gegen Flüchtlinge große Umfrageerfolge. Die von der Regierung kontrollierten staatlichen Medien wettern gegen muslimische Einwanderer und Flüchtlinge.

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In Polen feiert die regierende PiS-Partei von Jarosław Kaczynski mit Ressentiments gegen Flüchtlinge große Umfrageerfolge. Die von der Regierung kontrollierten staatlichen Medien wettern gegen muslimische Einwanderer und Flüchtlinge.

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"Lasst euch nicht einreden, dass eine Abneigung gegen Flüchtlinge etwas Schlechtes ist", konnte man letzte Woche auf dem Twitter-Account der polnischen Regierungspartei PiS lesen. "Die Polen sind keine Ausnahme in Europa". Kurz darauf wurde der Tweet gelöscht. Aber da war die Botschaft schon in der Welt. Einige Tage zuvor hatte Jarosław Kaczynskis Partei schon einmal gegen Flüchtlinge getwittert. Der Veranstalter des "Woodstock-Festivals" nahe der deutsch-polnischen Grenze hatte geschrieben, er sei "offen" dafür, dass Asylsuchende aus Frankfurt /Oder mitfeiern. Daraufhin fragte die Social-Media-Abteilung der Partei: "Wollt ihr wirklich, dass in Polen eine Veranstaltung unter Teilnahme muslimischer Immigranten stattfindet? Teilt diesen Tweet, wenn ihr nicht zustimmt."

Es ließen sich zahlreiche weitere Beispiele finden, wie die PiS und die regierungsnahen Medien Stimmung gegen Flüchtlinge machen. Das Thema dominiert seit einigen Tagen wieder die öffentliche Debatte. Der Grund: Die EU-Kommission hat letzte Woche ein Vertragsverfahren gegen Polen, Ungarn und Tschechien eingeleitet, weil die drei Staaten sich weigern, ihren Anteil an der Quotenregelung zu leisten.

Konflikt als Geschenk

Für Jarosław Kaczynski ist diese Entscheidung der EU-Kommission ein Geschenk. Denn seine Partei weiß den Konflikt mit Brüssel geschickt für sich zu nutzen: Sie schürt gezielt Angst vor Asylsuchenden aus dem Nahen Osten und geriert sich dann als einzige Beschützerin vor den muslimischen "Invasoren". Während die Vorgängerregierung zugestimmt hat, rund 7000 Flüchtlinge aus anderen EU-Staaten aufzunehmen, bleibt die jetzige Regierung demonstrativ hart und lässt sich weder von Brüssel noch von Berlin etwas sagen. Ein Kompromiss ist deshalb nicht zu erwarten.

Der Konflikt mit der EU ermöglicht es Kaczynski und seinem Umfeld, die Opposition als Verräter darzustellen, die die Sicherheit ihrer Landsleute für Privilegien und Posten in Europa verkaufen. Wenn der Konflikt zwischen Warschau und Brüssel bis zu den Parlamentswahlen 2019 andauert, dürfte er der Partei den Wahlsieg sichern. Der regierungsfreundliche Präsident Andrzej Duda hat bereits angekündigt, dass er am Wahltag ein Referendum über die Aufnahme von Flüchtlingen abhalten wird -aus wahltaktischer Sicht ein genialer Schachzug.

Denn damit dürfte die liberale Opposition beinahe chancenlos sein. Schon jetzt gehen alle anderen Themen in der öffentlichen Debatte unter. Der Gedankengang: Dass die Regierung die Unabhängigkeit der Gerichte weiter einschränkt, interessiert den Durchschnittsbürger nur wenig, solange sie ihm nur die Terroristen vom Leibe hält, die in Westeuropa bereits ihr Unwesen treiben.

Viele Polen fürchten, dass mit den Flüchtlingen der Terror auch Polen erreicht. Die Erfahrung des Westens mit muslimischen Immigranten sehen viele als Warnung an: London, Paris und Berlin hatten bereits islamistisch motivierte Anschläge. Prag, Bratislava und Warschau nicht. Länder mit einem geringen muslimischen Bevölkerungsanteil blieben bisher verschont.

Flüchtlinge als Islamisten

Doch aus einer vorsichtigen Haltung ist inzwischen eine - wie liberale Medien es ausdrücken - "Flüchtlings-Hysterie" geworden. Viele Polen setzen heute Flüchtlinge mit Islamisten gleich. Das hat auch damit zu tun, dass die Regierung bewusst Ängste schürt. Ihr wirkungsvollstes Instrument dabei: Der öffentlich-rechtliche Sender TVP, den die Regierung unter ihre Kontrolle gebracht hat. Dort kann der Zuschauer regelmäßig Bilder von mordenden und plündernden Immigranten sehen, die pauschal als Invasoren dargestellt werden.

So verkündete die Sprecherin der Abendnachrichten am 5. Juni: "Die Assimilation muslimischer Immigranten an die lokalen Bevölkerungen, von der westliche Politiker so gerne sprechen, ist eine Fiktion. Denn die Fakten sehen so aus, dass die muslimischen Immigranten eine kulturelle Invasion auf unseren Kontinent durchführen." In dem darauf folgenden Beitrag konnte man einen Zusammenschnitt von Straftaten und Terrorakten sehen, die Einwanderer und Flüchtlinge in Europa begangen haben.

Um die These von den aggressiven Einwanderern zu belegen, schreckten die Macher des Beitrags auch nicht davor zurück, einen fragwürdigen Sketch des französischen YouTube-Komikers Yacine Hasnaoui zu verwenden, ohne zu erwähnen dass es sich dabei um einen solchen handelt. In dem Video brüllt Hasnaoui in einem Supermarkt: "Kein Alkohol während des Ramadan!" und zerschmettert einige Weinflaschen.

Marcelina Zawisza, Politikerin der linken Partei "Razem", reichte eine Beschwerde beim polnischen Rundfunkrat. Zawisza hatte zuvor schon eine Beschwerde beim Rundfunkrat eingereicht: Am 31. Januar hatten die Abendnachrichten einen Beitrag über die Attentate auf eine Moschee im kanadischen Quebec gesendet. Der Titel: "Muslime schießen auf Muslime." Dabei war zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt, dass der Attentäter Alexandre Bissonnette aus rechtsradikalen Motiven gehandelt hatte. Wie zielführend Zawiszas Beschwerden beim Rundfunkrat sind, ist allerdings fraglich, denn die fünf Mitglieder des Gremiums stehen allesamt der PiS nahe.

Äußerst wirkungsvoll scheint dagegen die Berichterstattung der PiS-nahen Medien zu sein: Waren im September 2015 48 Prozent der Polen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus Afrika und Nahost, so waren es im April 2017 schon 74 Prozent. Seit das Thema wieder aufgekommen ist, erzielt die PiS in Umfragen extrem gute Ergebnisse: Bis zu 42 Prozent.

Rassistische Straftaten

Die liberale "Newsweek Polska" verglich die Sprache und den Ton der TVP-Nachrichten mit der Propaganda der Nazis gegen Juden und warnte vor den Folgen: "Die Sprache, derer sich (die Journalisten der Abendnachrichten) bedienen, hat in der Vergangenheit zu Völkermorden geführt."

Und tatsächlich zeigen Statistiken, dass die Zahl der rassistisch motivierten Straftaten in Polen in den letzten Monaten deutlich gestiegen ist. Konrad Dulkowski, Vorstandsmitglied des "Zentrums für die Überwachung rassistischer und xenophober Verhaltensweisen", sagt gegenüber dem Nachrichtenmagazin Polityka: "Die ausländerfeindliche Hetzjagd, durch die die PiS an die Macht gekommen ist, ist außer Kontrolle geraten". Polens Innenminister Mariusz Błaszczak spricht dagegen von einem "Randphänomen" und sieht keinen Handlungsbedarf.

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