Miteinander Grundlinien weiterschreiben

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Am kommenden Sonntag wird Egon Kapellari in sein Amt als neuer Grazer Bischof eingeführt. Der steirische KA-Präsident erwartet für die Diözese Graz-Seckau, dass das "Miteinander" die Grundmelodie bleibt. Für die Kirche Österreichshofft der führende Laie, dass durch Kapellari, der jetzt auch stellvertretender Vorsitzender der Bischofskonferenz ist, dasBischofsgremium wieder "einigermaßen arbeitsfähig" wird.

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Am kommenden Sonntag wird Egon Kapellari in sein Amt als neuer Grazer Bischof eingeführt. Der steirische KA-Präsident erwartet für die Diözese Graz-Seckau, dass das "Miteinander" die Grundmelodie bleibt. Für die Kirche Österreichshofft der führende Laie, dass durch Kapellari, der jetzt auch stellvertretender Vorsitzender der Bischofskonferenz ist, dasBischofsgremium wieder "einigermaßen arbeitsfähig" wird.

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Wir leben in einer Gesellschaft, die auf Personen und Institutionen gerne das als Wünsche projiziert, was diese nicht können oder noch nie getan haben. Wünsche und Erwartungen an einen Bischof sind generell implizit auch an diejenigen gerichtet, die mit ihm an der Umsetzung arbeiten sollen und wollen. Ein Bischof ist kein "Superman", und die Kirche definiert sich in erster Linie als Gemeinschaft aller Getauften.

Die allgemeine gesellschaftliche und kirchliche Situation in der Steiermark unterscheidet sich kaum von der anderer österreichischer und deutschsprachiger Diözesen. Der Verlust traditioneller Bindungen, die "Generation Ich" und der allgemeine Wertewandel mit dem Schwinden volkskirchlicher, katholischer Sozialisation sind eine Faktum. Mangelnder Nachwuchs an geistlichen Berufen und Abnützungserscheinungen des Klerus, auch wegen des fortgeschrittenen Durchschnittsalters, sind ebenso Realität, wie die Präsenz der Fragen nach der Rolle der Frauen in der Kirche und nach dem katholischen Amtsverständnis. Gleichzeitig gibt es eine Vielfalt christlicher und sich am Rande des Christlichen angesiedelter Spiritualitäten, die kaum oder überhaupt nicht kirchlich gebunden werden wollen.

Vor diesem Hintergrund wurde in den vergangenen Jahren im "Prozess 2010" pastoralstrategische Überlegungen für die Zukunft angestellt und "Leitlinien der Diözese" von den relevanten Gremien mit großer Mehrheit beschlossen. Die Begriffe "katholisch, steirisch, zeitgemäß, missionarisch, dialogisch, berufen, gemeinsam und geistlich" bilden den Mainstream einer vertrauenden Kirche der Zukunft. Die moderate Umsetzung dieser Leitlinien ist gleichermaßen geboten, wie das ständige Bemühen, die Zahl der Apostel - in weiblicher und männlicher Form - zu vermehren. Dazu braucht es - ich verwende ein bei Bischof Kapellari beliebtes Bild - das einander ergänzende Miteinander von Christen, die nicht vornehmlich bergende Zisternen, sondern vor allem sprudelnde Quellen sind.

Altbischof Johann Weber betonte anlässlich des Bischofswechsels in der Steiermark, dass die Diözese Graz-Seckau "kein wohl bestelltes, wohl aber ein überaus lebendiges Haus sei". Zu allererst gilt es für den neuen steirischen Bischof, mit eigener Handschrift jene Grundlinien weiter zu schreiben, die in den vergangenen Jahren sorgsam und mit viel Übersicht gelegt wurden. Das zu tun, hat Bischof Kapellari von allem Anfang an bekundet, denn er "komme nicht als Besserwisser".

Die Steiermark ist ein Land mit Traditionen, dessen Bevölkerung ihren Eigensinn sorgsam pflegt, vor allem wenn es den Blick nordwärts über den Semmering betrifft. Auch die hiesigen Katholiken bleiben von diesem Eigensinn nicht immer verschont. Steirer waren jedoch in den vergangenen Jahren immer wieder tragfähige und tragende Anwälte gesamtösterreichischer Anliegen der Kirche und für die Kirche. Ich denke an den mutigen, nunmehr aber fast gänzlich versiegten "Dialog für Österreich". Ich denke an den Vorsitz der Bischofskonferenz in turbulenter Zeit durch Bischof Johann Weber ebenso wie an den Vorsitz der Konferenz der Bischöflichen Schulämter und an die Geistlichen Assistenten der Katholischen Aktion Österreichs. Österreich darf für die katholische Kirche in Zukunft nicht bloß ein bürokratischer Begriff in Form eines "Sekretariates der Bischofskonferenz" sein. Die Wiederherstellung einer einigermaßen arbeitsfähigen Bischofskonferenz kann für unser Heimatland nur von Vorteil sein: Als geistiges Kraftzentrum, das verschiedenartige Einzelinteressen in übergreifender Weise zusammenfügt, und als Fundament, das den vielfältigen sozialen und kulturellen Werten eine Mitte bietet. In diesem Zusammenhang sei mit Bedauern vermerkt, dass sich die Bischöfe nicht zu einem von der Katholischen Aktion initiierten und von anderen Laienorganisationen mitgetragenen gesamtösterreichischen Ereignis für ein größeres Europa im Jahre 2003 bekannt haben.

Graz wird im Jahr 2003 Kulturhauptstadt Europas sein, und in den nächstfolgenden Jahren steht die Erweiterung der Europäischen Union durch unsere östlichen Nachbarländer an. Bischof Kapellari ist in der Bischofskonferenz zuständig für Fragen von Liturgie und Kultur und er ist Vertreter in der Kommission der Bischofskonferenzen des EU-Raumes (ComECE). Ein Mann seines Profils und seiner anerkannten Kompetenz kann in diesem Zusammenhang eine unüberhörbare Stimme sein und soll speziell in der eigenen Diözese neue Kräfte wecken. Die Steiermark mit vier Universitäten, etlichen Fachhochschulen, Forschungszentren und als expandierender moderner Wirtschaftsstandort bietet eine hervorragende Infrastruktur und entsprechende geistige und auch humanitäre Ressourcen.

Bekannte Charismen Ich vertraue darauf, das Bischof Kapellari die unverwechselbaren aus der Zeit als langjähriger Grazer Hochschulseelsorger bekannten Charismen wirksam werden lassen kann. Zu nennen ist die Fähigkeit, in Predigt, gesprochenem und schriftlich verfasstem Wort die spirituelle Tiefe künstlerischer Ausdrucksformen in Literatur und bildender Kunst zu heben und dem fragenden Hörer und Leser zugänglich zu machen. Zu nennen ist die offene Einstellung Andersdenkenden und auch Gegnern der Kirche gegenüber, für deren Argumente er stets Respekt hatte, sofern sie durch eigene Denkanstrengung gedeckt waren. Nicht wenigen wurde dadurch ein neuer Zugang zur Kirche eröffnet oder zumindest Respekt vor kirchlichen Positionen abverlangt. Zu nennen ist auch - gerade weil es verwundern mag - die Sensibilität für Menschen mit sozialen Problemen und das diskrete Zugehen auf "einfache Menschen", wie ich es mehrfach erleben konnte.

Es gibt eine Autorität des Amtes, die vom Geist der Freiheit geprägt ist. Diese Freiheit möchten wir uns in unserer Diözese erhalten. Sie ermöglicht die Vielfalt kirchlichen Lebens und ist damit ein Zeichen der Glaubwürdigkeit. Es wäre ein Irrtum zu meinen, dass der allseits ersehnte Frieden unverzüglich ausbreche, wenn die Unruhigen aus der Kirche auswandern. In Kenntnis der Person bin ich sicher, dass diese spannende Freiheit unserem neuen Bischof ein Anliegen sein wird. Die Forderung des Apostel Paulus "Löscht den Geist nicht aus" und die diesbezüglichen Ausführungen Karl Rahners am Vorabend des Zweiten Vatikanischen Konzils beim Österreichischen Katholikentag 1962 in Salzburg waren Teil jener "theologischen Grundration", die wir vom Hochschulseelsorger "ins Gepäck empfohlen" bekamen.

Vertrauende Kirche Dankbar schauen die steirischen Katholiken trotz mancher Krisen auf die vergangenen Jahrzehnte "in einem überaus lebendigem Haus" zurück. "Miteinander" war die Grundmelodie der ersten programmatischen Worte von Bischof Kapellari zu den steirischen Katholiken, zu den Dechanten, zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Religionsunterricht und in der Verwaltung. In einem Brief an alle Katecheten schreibt der Bischof: "Ich habe auch Fehler gemacht und versucht daraus zu lernen. Zum Neubeginn in der Steiermark sage ich ein uneingeschränktes Ja. Es ist ein Ja zum Dienst an Gott und an den Menschen. Ich komme ja in meine Heimat zurück."

"Wir fragen und möchten gemeinsam Antworten suchen: voll Vertrauen auf den schöpferischen erneuernden Geist, voll Bereitschaft zu Experimenten und voll Offenheit - auch gegenüber der Wahrheit beim Anderen. Wie kann unsere Kirche Verzweifelten Hoffnung geben und Resignierenden Mut? Wie kann sie in einer Zeit verunsichernder tiefgreifender Umbrüche die Einsicht vermitteln, dass es eine letzte Geborgenheit gibt. Für uns Christen ist das Leben nicht nur vom Kreuz, sondern auch von der Auferstehung geprägt", so die Erwartungen des Präsidiums der Katholischen Aktion in einem Offenen Brief an Bischof Egon Kapellari. Als vertrauende Kirche haben wir allen Grund mit Freude und Zuversicht und mit der Bereitschaft zum bedingungslosen Miteinander und zur tatkräftigen Mitarbeit in die Zukunft zu blicken.

Der Autor, Direktor des Akademischen Gymnasiums in Graz, ist Präsident der Katholischen Aktion in der Steiermark.

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