Mitfühlender George W.

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Mit dem "Office for Faith-based and Community Initiatives" im Weißen Haus versucht der amerikanische Präsident, die strikte Trennung zwischen Politik und Religion aufzuweichen, um sozial-religiöse Basisaktivitäten zu fördern .

Ohne Gott geht in den USA des George W. Bush nichts. Außenpolitisch führt er mit christlichem Sendungsbewusstsein seinen Kampf gegen Terrorismus und Schurkenstaaten. Auch in der Innenpolitik will der Präsident nicht ohne Religion auskommen. Bereits im Wahlkampf hatte Bush angekündigt, das soziale Engagement seiner Regierung durch eine besondere Förderung religiöser Organisationen zu untermauern. Anfang 2001 richtete der sich als "mitfühlender Konservativer" verstehende Bush im Weißen Haus das "Office of Faith-based and Community Initiatives" ein. Das war eine kleine Revolution, verlangt doch die US-Verfassung eine strikte Trennung von Staat und Kirche.

Was George W. Bush will

Bush verfolgt damit drei Ziele:

* Er will Gelder so umschichten, dass durch die religiös motivierte Sozialarbeit mehr Bevölkerungsschichten erreicht werden.

* Er will rechtliche Barrieren für die Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften beseitigen. Denn das US-Recht erlaubt dem Staat nur in einem beschränkten Maß die Förderung religiöser Wohlfahrtsorganisationen. Bisher geht ein Großteil der sozialen Förderungen an nicht-konfessionelle Organisationen. Nur religiöse Mainstream-Organisationen wie die "Catholic Charities" und die "Lutheran Services" erhalten öffentliche Gelder in Milliardenhöhe - unter der Prämisse, religiöse Inhalte und soziale Dienste klar voneinander zu trennen. Diese Linie dürfte auch Bushs Programm verfolgen, nun aber verstärkt Institutionen der christlichen Rechten unterstützen.

* Er will sich verstärkt um notleidende Kinder, alte Menschen und Drogenabhängige kümmern: Bedürftige sollen Sozialgutscheine erhalten und sie bei der Einrichtung ihrer Wahl einlösen. So kämen religiöse Einrichtungen indirekt in den Genuss staatlicher Förderung.

In "God's own country" erhalten 13,6 Millionen Kinder nur unzureichende Ernährung, leben 5 Millionen Senioren an der Armutsgrenze, kämpfen 17 Millionen Menschen mit Drogenproblemen. Schuld daran ist nicht zuletzt das nur rudimentär entwickelte öffentliche Sozialsystem, dessen Reform in den 90-er Jahren am Widerstand der Republikaner scheiterte. Soziale Absicherung erfolgt durch private Versicherungen, durch Stiftungen und religiöse Institutionen - oder gar nicht. Da es in den USA keine Krankenversicherungspflicht gibt und die Polizzen teuer sind, leben 16 Prozent der Amerikaner ohne jeden Versicherungsschutz.

Das freiwillige Engagement der "Armee der Mitfühlenden" will Bush stärken und rennt damit offene Türen bei seinen sozial engagierten, evangelikalen Wählern ein. Für sie haben Themen wie Alphabetisierung, sexuelle Enthaltsamkeit bei Heranwachsenden und der Kampf gegen Drogen Priorität.

Zum Direktor des 15-köpfigen "Faith-based"-Office ernannte Bush den damals 42-jährigen Kriminologen John J. DiIulio von der Universität Pennsylvania. Der konservative Katholik und Demokrat hatte über die sozialen Problemen der US-Gesellschaft geforscht und mit dem Slogan "Überlasst die Innenstädte den Kirchen" für Schlagzeilen gesorgt. Nach seinen, auf intensiver Feldforschung basierenden Thesen seien religiöse Gruppierungen sehr viel erfolgreicher in der Bekämpfung sozialer Probleme als staatliche Stellen. DiIulio führte dies auf die besondere Motivation der Nonnen, Pfarrer, Laien und individuelleres Eingehen auf die Betroffenen zurück.

Umstrittenes Projekt

Das "Faith-based"-Projekt ist aber keineswegs unumstritten. Kritiker sind eine bunte Koalition aus "American Atheists", den "Americans United for Separation of Church State", der jüdischen "Anti-Defamation League" (ADL), der christlichen Rechten und der großen protestantischen Kirchen des Landes - inklusive Bushs eigener United Methodist Church. Sie befürchten die Aushöhlung der Trennung von Staat und Kirche, die Diskriminierung von Nichtreligiösen und die Abhängigkeit der Religionsgemeinschaften vom Staat.

Die starke Kritik am "Faithbased"-Projekt und eine zunehmende Frustration über das machtsüchtige, dafür aber strategiearme Agieren der rechtsgerichteten Präsidentenberater veranlasste DiIulio schon im August 2001 zum Rücktritt. Sein Nachfolger wurde der 46-jährige Jim Towey, ebenfalls katholischer Demokrat, der 1985 als Freiwilliger für Mutter Teresa in Kalkutta und seit 1990 in führenden Positionen der Sozialverwaltung Floridas gearbeitet hatte.

Die öffentliche Auseinandersetzung ging aber weiter. Die ADL befürchtete, dass Gelder für Missionierung missbraucht würden. Doch religiöse Indoktrination lehnte auch Jim Towney entschieden ab. Konkret dürfte das bedeuten: Bibelstunden werden nicht finanziert, doch bei einer Andacht in einer Suppenküche drückt Vater Staat nun beide Augen zu.

Die ADL warnte zudem, dass öffentliche Gelder radikalen Vereinigungen wie der "Nation of Islam" zufließen und indirekt Antisemitismus, Rassenhass und Terrorismus fördern könnten. Auch der Kopf der rechten "Christian Coalition", Pat Robertson, plädierte entschieden dafür, islamistische und rassistische Organisationen, Sekten wie Scientology oder die Zeugen Jehovas von Bundeszuschüssen auszuschließen.

Geld auch für Scientology?

Hier offenbart sich eine entschiedene Schwäche des Bush-Programms, meint Erich Geldbach, Professor für Konfessionskunde an der Universität Bochum und Kenner der amerikanischen Kirchenszene. Welche religiösen Organisationen vom Staat gefördert werden sollen und welche nicht, ist für ihn ein "nicht lösbares Problem". Würde die US-Regierung etwa die Scientology-Kirche von Zuschüssen ausschließen, müsse sie zwangsläufig mit Klagen rechnen. Gerade Scientology, so Geldbach, biete nicht erfolglos das Anti-Drogen-Programm "Narconon" an, das von den Gesundheitsbehörden des Bundesstaates Oklahoma anerkannt und teilfinanziert werde.

Dass seine Ideen auch politisch nicht konsensfähig sind, musste Bush im Kongress erleben: Die Gesetzes-Initative passierte zwar das Repräsentantenhaus, scheiterte aber am Widerstand des Senats. Der Präsident setzte deshalb im Dezember 2001 seine Pläne mit Hilfe einer "Executive Order" durch. Gesetzlich verankert sind sie damit nicht. Trotzdem können die Religionsgemeinschaften nun aus über 100 Einzelprogrammen bis zu 65 Milliarden US-Dollar an Unterstützungszahlungen beantragen. Bush hat den Senat am 9. April 2003 nochmals aufgefordert, endlich seinen Gesetzesvorschlag anzunehmen.

Geldbach gibt Bushs "Faith-based"-Initiative letztlich keine große Zukunft. Der baptistische Theologe meint, dass die Demokraten nach einem Regierungswechsel das Programm zurücknehmen werden. Die gegenwärtige Kritik beweise, wie stark die Trennung von Religion und Staat in der amerikanischen Gesellschaft verankert sei.

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