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Heinz Gstrein über den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I., den der Papst dieser Tage besucht.

Seit November 1991 bestimmt im Phanar von Istanbul Bartholomaios I. die Geschicke des Patriarchats von Konstantinopel und koordiniert die 15 unabhängigen orthodoxen Ostkirchen mit insgesamt rund einer Viertelmilliarde Gläubigen. Der einst nach dem Christenpogrom von 1955 vor den Verfolgungen auf der türkischen Insel Imbros geflohene Gymnasiast ist vier Jahrzehnte später an die erste Stelle der Weltorthodoxie aufgerückt. Seitdem verteidigt er mit zäher Beharrlichkeit am Bosporus das Überleben seiner bedrängten Kirche, die in den letzten 100 Jahren von Millionen Gläubigen auf unter 5000 reduziert wurde, hält die von Spaltungen bedrohte Einheit der Orthodoxen zusammen und - in einer Zeit ökumenischer Ermüdung - am Ideal der christlichen Einheit fest. Als "grüner" Patriarch setzt er die tief ökologische Grundhaltung der Orthodoxie in die Tat um.

Als der künftige Patriarch am 1940 auf der Insel Imbros vor den Dardanellen geboren wurde, war diese fast nur von orthodoxen Christen bewohnt. Insgesamt zählte das Patriarchat Konstantinopel in der Türkei noch an die 160.000 Gläubige, in Istanbul wirkte der spätere Papst Johannes XXIII. als Apostolischer Delegat. Dem jungen Dimitris Archontonis war es als Kind eines Wirts nicht in die Wiege gelegt, zum Steuermann der Orthodoxie bestimmt zu sein.

Das eingestreute Gotteswort

Seine Formung zu dem, was er heute ist, verdankte der mit 21 Jahren unter dem Ordensnamen "Bartholomaios" zum Mönchsdiakon Geweihte nicht nur ausgedehnten Studien in Rom, München und Genf. Es war vor allem sein Lehrmeister, Metropolit Chrysostomos Konstantinidis, der ihn in eine neue Sicht organischer Verbundenheit von Kirchen und Religionen dank des in alle gestreuten Gottesworts (Logos Spermatikos) einführte und bis zuletzt Weggefährte von Bartholomaios geblieben ist. Erst im Oktober verstarb Metropolit Chrysostomos hochbetagt auf Kreta.

1992, kurz nach seinem Amtsantritt als Ökumenischer Patriarch, versammelte Bartholomaios I. die Oberhirten aller orthodoxen Ostkirchen zu einer "Synaxis". Er wollte der Gefahr zuvorkommen, dass die vom Kommunismus befreiten Orthodoxen Ost-und Südosteuropas die neue Freiheit gegen Schwesterkirchen und andere Christen missbrauchen. Der Patriarch konnte solche Fehlentwicklung nicht ganz verhindern, doch blieb die Einheit der östlichen Kirchenfamilie trotz aller Spannungen aufrecht und die meisten Orthodoxen der ökumenischen Bewegung treu. Auch der unterbrochene Dialog Rom-Orthodoxie wurde diesen Herbst in Belgrad wieder aufgenommen. Gerade dort wurde jedoch diese neu bewährte Führungsrolle des Ökumenischen Patriarchats in Frage gestellt.

So sah sich Bartholomaios I. veranlasst, unmittelbar vor dem Besuch von Benedikt XVI. das Selbstverständnis seines eigenen Amtes herauszustellen. Er tat das im Dokument Die Sendung des Ökumenischen Patriarchats im 21. Jahrhundert. Darin tritt er den neuen Versuchen zu einer Abwertung dieser Institution durch die russische, zum Teil aber jetzt auch durch die katholische Ekklesiologie und Kirchenpolitik entgegen und bestreitet, dass es sich bei der Sonderstellung seines Patriarchenstuhles nur um jenen Ehrenprimat handle, der Konstantinopel vom II. Allgemeinen Konzil 381 gleich hinter Rom und vom IV. 451 "gleichrangig" mit dem Alten als Neuem Rom verliehen wurde. Ein Primat, der nach russisch-orthodoxer Auffassung nach der Einnahme Konstantinopels durch die Türken 1453 auf Moskau als "Drittem Rom" übergegangen ist.

Bartholomaios führt die besonderen Aufgaben des seit dem 6. Jahrhundert als "ökumenisch" bezeichneten Patriarchats auf dessen frühe Funktion als ostkirchliche Höchstinstanz in allen Streitfällen und als Jurisdiktionsträger für die orthodoxe Diaspora zurück. Daraus hat sich im Lauf der Kirchengeschichte eine Koordination der gesamten Orthodoxie durch Konstantinopel entwickelt.

Repräsentieren & Schlichten

So ist das Ökumenische Patriarchat Beistand all jener Kirchen, die nach Verfolgungen, Spaltungen und inneren Kämpfen ihre Probleme allein nicht mehr lösen können. Bartholomaios selbst hat diese Aufgabe bei Wiedererrichtung der orthodoxen Kirche Albaniens, seiner Intervention im jüngsten bulgarischen Kirchenstreit sowie bei Absetzung des Patriarchen Irenaios von Jerusalem und des Erzbischofs Chrysostomos II. von Zypern ausgeübt. Eine Klärung der wirren Verhältnisse in der Ukraine ist so ebenfalls Verantwortlichkeit des Ökumenischen Patriarchen und nicht feindseliges Eingreifen in eine angeblich alleinige Zuständigkeit des Moskauer Amtskollegen.

Auch ist es Konstantinopel, das die gesamte Orthodoxie in gemeinsamen Anliegen koordiniert und repräsentiert; etwa im Dialog mit der römisch-katholischen Kirche. Bei dessen Wiedereröffnung im September 2006 in Belgrad hatte der russische Bischof von Wien, Ilarion Alfejew, gegen diese Rolle im Namen von "untereinander völlig gleichgestellten" orthodoxen Ostkirchen protestiert. Schließlich nimmt Bartholomaios für sich zwar keine Unfehlbarkeit, wohl aber die Sendung eines gesamtorthodoxen "Verkünders der Wahrheit" in Anspruch.

So präsentiert sich der Ökumenische Patriarch dem päpstlichen Besucher nicht nur als Oberhirte einer der orthodoxen Schwesterkirchen, sondern als Koordinator und Sprecher der gesamten Orthodoxie. Das war schon das Fundament erster Annäherung zwischen Johannes XXIII. und Patriarch Athenagoras, blieb die Grundlage aller weiteren Begegnungen zwischen römischen Päpsten und Ökumenischen Patriarchen.

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