Molotowcocktails am Heiligen Berg Athos

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In der Mönchsrepublik auf der griechischen Halbinsel Chalkidiki schwelt seit fast 50 Jahren ein Glaubenskonflikt, der jetzt zu eskalieren droht.

Auf Molotowcocktails musste man in Griechenland bisher eigentlich nur am Athener Syntagmaplatz gefasst sein, bei Protesten linker Chaoten gegen das Sparprogramm. Aber jetzt fliegen die Brandflaschen auch dort, wo man es am wenigsten erwartet hätte: Auf dem Heiligen Berg Athos auf der nordgriechischen Halbinsel Chalkidiki. Dort dauert schon seit fast einem halben Jahrhundert ein religiöser Streit an.

Einen solchen Empfang hatte der Gerichtsdiener wohl nicht erwartet, als er am vergangenen Montagmorgen an die Pforte des Klosters Esfigmenou auf dem Heiligen Berg klopfte. Der Beamte sollte den Mönchen einen Räumungsbeschluss des Landgerichts Chalkidiki übergeben. Das Kloster muss dringend renoviert werden. Doch statt der Tür öffneten sich die Fensterläden in den oberen Stockwerken des Klosters. Von dort prasselten allerlei Wurfgeschosse auf den Gerichtsdiener herab, darunter mindestens drei Molotowcocktails, wie Polizeibeamte vor Ort berichteten. Zum Glück verfehlten die gefährlichen Geschosse ihr Ziel. Der Gerichtsdiener blieb unversehrt, musste aber unverrichteter Dinge den Heimweg antreten. Ob und wie der Räumungsbeschluss vollstreckt werden kann, ist offen.

Treffen mit Papst Paul VI. als Auslöser

Die Vorgeschichte beginnt bereits im Jahr 1964. Damals brachen die Mönche von Esfigmenou mit der orthodoxen Kirchenleitung und den anderen 19 Athos-Klöstern. Der Grund: Ein Treffen des damaligen orthodoxen Patriarchen Athinagoras mit Papst Paul VI., das erste Treffen eines orthodoxen Oberhirten mit einem Pontifex seit der Kirchenspaltung von 1054. Die strenggläubigen Mönche von Esfigmenou sahen darin Verrat an den Glaubensgrundsätzen der Orthodoxie. Für sie ist der Papst der Antichrist, jeder Kontakt mit anderen Kirchen ist in ihren Augen Ketzerei.

Solche Kontakte pflegt auch Bartholomäus I., der seit 1991 als griechisch-orthodoxer Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel amtiert, so der offizielle Titel. Bartholomäus ist ein aufgeklärter, weltoffener Mann. Er engagiert sich für ökologische Themen, manche sprechen von ihm als dem "grünen Patriarchen“. Seine Wahl zum Oberhirten der 150 Millionen orthodoxen Christen der Ostkirche war für die Erneuerer in der Orthodoxie ermutigend. Bartholomäus hat sich als geschickter Diplomat erwiesen, der ohne Berührungsängste am Dialog mit anderen christlichen Glaubensgemeinschaften arbeitet. Doch er zieht sich den Hass der etwa 100 Mönche des Klosters Esfigmenou zu. Schon lange schließen sie den Patriarchen nicht mehr in ihre Fürbitte ein, wie es in den anderen Athos-Klöstern üblich ist. "Manche stoßen sogar in ihren Gebeten Verwünschungen gegen Bartholomäus aus“, berichtet ein Insider. "Sie sind unbelehrbare, verbohrte Fanatiker, eine Art Taliban“, sagt Bruder Theofilos, der in einem benachbarten Athos-Kloster lebt.

Auf dem Athos gehen die Uhren anders. Der Tag endet nicht um Mitternacht, er beginnt bei Sonnenuntergang. Dann ist es auf dem Athos null Uhr. Die Mönche leben nach dem julianischen Kalender, für sie ist jetzt erst Mitte Juli. Im 9. Jahrhundert ließen sich die ersten Einsiedler in den schroffen Bergen des Athos nieder. Zwar hat in vielen Klöstern inzwischen das Internet Einzug gehalten. Aber noch immer ist der Heilige Berg ein Museum des Glaubens. Frauen haben keinen Zutritt zum Reich der Mönche. Nicht einmal weibliche Haustiere werden hier geduldet - ausgenommen Katzen, weil sie Mäuse und Ratten in Schach halten, und Hennen, wegen der Eier.

Der Kaiser von Byzanz schrieb im Jahr 1060 das so genannte "Avaton“, das Zutrittsverbot für Frauen, in einer Goldenen Bulle fest. Sogar die türkischen Besatzer, die im 15. Jahrhundert Griechenland eroberten und das Land vier Jahrhunderte lang beherrschten, respektierten die Autonomie des Athos und ließen die Klöster unangetastet. Auch die EU erkennt den Sonderstatus der Mönchsrepublik an. Die etwa 2200 Mönche in den 20 Klöstern, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören, führen ein weltabgewandtes, ganz der Religion gewidmetes Leben. Aber niemand in der Mönchsrepublik legt den orthodoxen Glauben so streng aus wie die Fundamentalisten im Kloster Esfigmenou. Manche von ihnen leben seit über 70 Jahren in dem Kloster, einige sind bereits an die 100 Jahre alt. Die Taliban vom Athos leben wie im Mittelalter. Auf elektrischen Strom und warmes Wasser verzichten sie, auch Spiegel sind verpönt. Sie gelten als Instrumente der Eitelkeit.

Nichts kann die Mönche verdrängen

2002 erklärte das orthodoxe Patriarchat die Esfigmenou-Mönche zu Schismatikern, Kirchenspaltern. Bartholomäus forderte die Rebellen auf, das Kloster zu verlassen. Aber die dachten nicht daran. Die Athos-Verwaltung rief die Polizei zur Hilfe. Wochenlang belagerte sie damals das Kloster, versuchte, die Mönche auszuhungern - vergeblich. "Wir werden kämpfen bis zum Tod“, sagte damals Pater Methodios, der Abt von Esfigmenou. 2006 entschied das oberste griechische Verwaltungsgericht, dass die Räumungsverfügung des Patriarchats rechtmäßig sei. Doch die Mönche ignorierten dieses Urteil ebenso wie jetzt den Räumungsbescheid des Landgerichts. Das Gericht begründete die Räumung damit, das Kloster sei einsturzgefährdet. Tatsächlich macht das Gebäude einen vernachlässigten, baufälligen Eindruck. Es soll renoviert werden. An den Kosten will sich die EU mit Mitteln aus der Regionalförderung beteiligen. Aber so lange die Mönche im Kloster ausharren, können die Bauarbeiten nicht beginnen.

Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen der Molotowcocktails. Nach den Zwischenfällen herrscht gespannte Ruhe. Die Polizei habe ihre Präsenz verstärkt, berichteten Auenzeugen. Die Mönche wollen nicht aufgeben, auch wenn die Polizei versuchen sollte, das Kloster zu räumen. Dann könne es "zu Ereignissen kommen, die das Bild Griechenlands im Ausland verdunkeln werden“, warnt Herakles Moraitis, Pressesprecher des Klosters Esfigmenou. Die Mönche, so sagt er, seien "auf alles vorbereitet“. Das scheint tatsächlich so. "Orthodoxie oder Tod“ steht an der Klostermauer.

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