Moscheen - wohin das Auge blickt

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Knapp eine Million Schilling überreichte Reinhard Rechberger, Geschäftsführer des bischöflichen Osteuropahilfswerks "Pro Europa" in Sarajevo an Kardinal Vinko Pulji'c. Rechberger leitete eine Journalistengruppe, die sich mehrere Tage ein Bild von der Lage in Bosnien machte (siehe auch Seite 1 dieser furche).

Ein Projekt, für das die Spendengelder bestimmt sind, sind die von der katholischen Kirche Bosniens an fünf Standorten betriebenen "Europa-Schulen". Auch in der 100.000 Einwohner zählenden Stahlstadt Zenica in Zentralbosnien befindet sich solch eine Schule: Über 500 Schüler - ein Großteil davon kroatische Katholiken, aber auch Muslime, die in Zenica die Bevölkerungsmehrheit stellen - werden dort unterrichtet. Von anderen Schulen unterscheiden sich die Europa-Schulen durch ein intensives Sprachangebot (Englisch ab der ersten, Deutsch ab der fünften Grundschulklasse), durch den Informatikunterricht (ab der fünften Klasse), sowie durch Fächer für klassische Bildung (Latein) und für Religionsgeschichte.

Den Hauptteil der Spenden will Kardinal Pulji'c für den Aufbau zerstörter Dörfer und die Rückführung Vertriebener verwenden: "Erst wenn der Pfarrer zurückkommt, kehren auch die Vertriebenen in ihre alten Gebiete zurück", erzählt der Kardinal. Die Journalisten besuchten das (kroatische) Bergdorf Pe'cine, aus dem 450 Familien von muslimischen Soldaten vertrieben worden waren. Etwa 20 Familien sind zurückgekehrt und arbeiten fieberhaft an der Wiederherstellung der zerstörten Häuser, denn der Winter naht. Erst seit wenigen Tagen gibt es wieder eine Schule im abgelegenen Ort: fünf Kinder besuchen sie. Auch der junge Pfarrer muss noch in einem fremden Haus wohnen, vom neuen Pfarrhaus steht erst der Keller. Die Kirche, durch einen Brandanschlag 1996 verwüstet, ist mittlerweile neu gedeckt und so weit wiederhergestellt, dass sie den Winter überstehen kann.

Die Kirche ist die einzige intakte Institution für diese Menschen, so Theologieprofessor Pavo Jurisi'c, der die österreichischen Journalisten begleitete: Die staatliche Ordnung - sei es in Form von Polizei oder von Schulen - etabliert sich erst langsam. Außerdem ist die soziale Lage nach wie vor ernst: Nur etwas über 2.000 Schilling beträgt das Durchschnittseinkommen, die Arbeitslosigkeit ist enorm.

Sorgen bereitet Kardinal Pulji'c die religionspolitische Entwicklung: So habe Saudiarabien mit 1,4 Milliarden Schilling die Baufinanzierung von 156 Moscheen übernommen, davon allein 46 im Kanton Sarajevo. Das verändere die Lage in Bosnien stark: "Keine europäische Regierung hat den Bau nur einer Kirche unterstützt!"

Muslime, auf diese Zahlen angesprochen, erwidern, im Krieg seien 1.400 Moscheen zerstört worden. Aber auch muslimische Bosnier konzedieren im Gespräch, dass es im Land Spannungen zwischen islamistischen und europäisch geprägten Muslimen gibt.

Die Präsenz des Islam in Zentralbosnien ist jedenfalls unübersehbar: Wohin das Auge blickt, sieht man neue Moscheen, bei denen die Kupferdächer der Minarette noch frisch glänzen.

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