"Moses", der sich "ausgerechnet mit den Juden" befasst

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Im Dritten Reich Judaist geworden? Unmöglich. Oder doch nicht, wenn man Kurt Schubert heißt. Anfang der 40er Jahre beginnt er, sich "aus austrokatholischer Opposition an allem das Judentum Betreffende" zu interessieren, wie er 2003 im Furche-Interview zu seinem 80er erzählt. Im Kreis um die Studentenseelsorger Karl Strobl und Otto Mauer, einer der intellektuellen Widerstandsgruppen, bekommt er den Spitznamen "Moses", auch wenn seine Freunde und Mentoren nicht verstehen wollen, dass er "sich ausgerechnet mit den Juden" beschäftigt. Innerhalb der Kirche ist in jenen Tagen ein "ethischer Antisemitismus" längst noch en vogue.

Der junge Starrkopf lässt sich aber nicht beirren, studiert im Rahmen eines Orientalistik-Studiums Hebräisch, muss wegen seines Asthmas nicht einrücken und promoviert am 27. März 1945: "Die Russen waren da schon in Wiener Neustadt." Zwei Wochen später sind die Russen dann auch in Wien, Kurt Schubert geht zu ihnen und erklärt, er wolle die Universität wiedereröffnen. Mit einem behelfsmäßigen Stempel unterfertigt er Anschläge, auf denen er ankündigt, dass am 2. Mai 1945 das Sommersemester beginnt - es geschieht so, er hält dann auch seine erste Vorlesung: "Hebräisch für Anfänger".

Noch ist das, was Schubert lehrt und forscht, ein Teil der "Orientalistik". In den kommenden Jahren gelingt es ihm, die Judaistik als eigenständiges akademisches Fach zu etablieren, seine besten Schüler unterrichten es mittlerweile rund um den Globus. Auch nach seiner Emeritierung 1993 bleibt der Doyen der Judaistik wissenschaftlich aktiv - zuletzt 2005 als Mitgründer des Judaistik-Institutes an der Universität Olmütz.

Schubert begeistert sich für die "neue" Heimat der Juden, den Staat Israel. Nach dessen Gründung fährt er mit einem Einwandererschiff nach Haifa. In Tel Aviv hält er eine Vorlesung über Hammurabi, zu der Hunderte kommen - nicht, weil sie etwas über den babylonischen Herrscher erfahren wollen, sondern "weil ein katholischer Professor der Universität Wien in hebräischer Sprache vorträgt".

Kurt Schubert ist einer der ersten Qumran-Forscher in Österreich, auch in der Furche publiziert er darüber; seit den späten 40er-Jahren zählt ihn diese Zeitung zu den schreibenden "Freunden". Er gehört zu den Gründern der Katholischen Hochschulgemeinde Wien rund um Karl Strobl. In seinem kleinen Zimmer an der Universität werden die ersten Schritte des christlich-jüdischen Dialogs in Österreich getan, 1962 entsteht daraus der "Koordinierungsausschuss für christliche-jüdische Zusammenarbeit". Schubert zählt auch zu den Pionieren der Auseinandersetzung mit der Bibel und steht bis zuletzt dem Katholischen Bibelwerk als Präsident vor. Zu seinen Gründungen gehört auch das Jüdische Museum in Eisenstadt, bei der Wiener Diözesansynode 1971 formuliert er - gemeinsam mit Otto Mauer und Erika Weinzierl - eine heute noch wegweisende Absage an christlichen Antijudaismus.

Dennoch bleibt für Schubert klar: Das christlich-jüdische Gespräch ist ein Dialog zweier ungleicher Partner. "Die Christen sehen von einer theologischen Basis aus ein heilsgeschichtliches Verhältnis zu Israel." Das christlich-jüdische Gespräch werde von jüdischer Seite dagegen deswegen geschätzt, "weil es eine wirksame Waffe gegen den Antisemitismus ist", so Schubert 2003 in der Furche. Am vergangenen Sonntag ist dieser Pionier in Wien verstorben.ofri

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