Moskau: Tiefster Beziehungswinter

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Die Errichtung von katholischen Diözesen in Russland belastet das Verhältnis zwischen Rom und Moskau schwer.

Am 11. Februar 2002 hat Papst Johannes Paul II. offiziell die bisherigen Apostolischen Administraturen in Russland in den Rang von Diözesen erhoben. Zugleich wurde die Kirchenprovinz (Metropolie) Moskau errichtet, der die Diözesen Saratow, Nowosibirsk und Irkutsk als Suffragandiözesen zugeordnet wurden. Außerdem wurden die bisherigen Administratoren (Erzbischof Tadeusz Kondrusiewicz und die Bischöfe Klemens Pickel, Josif Werth und Georgij Mazur) zu Diözesanbischöfen ernannt.

Dieser juristische Akt des Vatikans, der in der Praxis des kirchlichen Lebens der katholischen Kirche in der Russischen Föderation kaum etwas Wesentliches verändern wird, hat in der Russischen Orthodoxen Kirche große Verstimmung und beträchtliche Irritation ausgelöst. In der offiziellen Erklärung des Patriarchen Aleksij II. und des Heiligen Synods wird von einer "Kampfansage an die Orthodoxie" gesprochen und der Vatikan "vor Gott und der Geschichte" für die "drastische Verschlechterung" der Beziehungen zwischen den Kirchen verantwortlich gemacht.

Dabei schien es gerade in jüngster Zeit zu einer gewissen Entspannung zwischen Rom und Moskau kommen. So nahmen Metropolit Pitirim von Wolokolamsk und Jurjew sowie Vikar von Moskau, und der erst jüngst geweihte Bischof Hilarion Alfejew, bisher zuständiger Leiter für die Beziehungen zu den christlichen Kirchen im Außenamt des russischen Patriarchats, als hochrangige Vertreter der russischen Orthodoxie am Friedensgebet in Assisi teil.

Auch der Besuch des Präsidenten der Kommission der Bischofskonferenzen in der Europäischen Union, Bischof Josef Homeyer (Hildesheim) bei Patriarch Aleksij II. am 10. Jänner stand ganz im Zeichen der anzustrebenden Zusammenarbeit und des zu vertiefenden Dialogs mit den westlichen Kirchen, aber auch mit den anderen Religionen auf dem Hintergrund der Vereinigung Europas und der Probleme der Globalisierung. Nach Aussage eines Teilnehmers der Delegation waren "Vorbehalte gegen die katholischen Kirche zu keiner Zeit der Gespräche mit orthodoxen Partnern spürbar".

Was hat denn eigentlich die orthodoxe Seite jetzt so verärgert, dass sogar die lang geplante Moskaureise von Kardinal Walter Kasper, des Präsidenten des Rats zur Förderung der Einheit der Christen, abgesagt wurde?

Schon 1991, als die ersten beiden Apostolischen Administraturen in Moskau (für den europäischen Teil der Russischen Föderation) und in Nowosibirsk (für Sibirien) eingerichtet und die beiden Bischöfe, Kondrusewicz und Werth ernannt wurden, gab es heftige Kritik, weil dies ohne jegliche Absprache oder Information mit dem orthodoxen Patriarchat geschah.

Als im vergangenen Mai die katholische Kirche Russlands im Rahmen eines Symposions in Moskau ihr zehnjähriges Jubiläum feierten, wurden in der Religionsbeilage der Unabhängigen Zeitung vom 30. Mai 2001 folgende beachtliche Zahlen veröffentlicht: 1991 gab es 10 Pfarren, 8 Priester, 4 Kirchen und 2 Kapellen; 2001 sind es 220 Pfarren, 215 Priester und 230 Nonnen (überwiegend Ausländer - aus 19 Ländern der Erde). Für die Russische Orthodoxe Kirche stellt dieser systematische Aufbau der katholischen Kirche, der jetzt noch durch die Errichtung der vier Diözesen unterstützt werden soll, ein gezieltes Eindringen in ihr angestammtes "kanonisches Territorium" im Sinne eines "Proselythismus" (aggressives Abwerben und Missionieren) dar.

Schadensbegrenzung

Sie ist aber nicht bereit anzuerkennen, dass eben viele Katholiken und ihre Nachkommen erst durch die Politik Stalins (Zwangsübersiedlungen) heute über ganz Sibirien verstreut leben und auch ein Recht auf entsprechende Seelsorge haben. Natürlich weisen sowohl der katholische Erzbischof in Moskau als auch Vatikan-Sprecher Joaquín Navarro Valls die Vorwürfe entschieden zurück: Es handle sich hier um einen normalen Verwaltungsakt, durch den die Seelsorgearbeit verbessert werden solle. Außerdem habe ja auch die Russische Orthodoxe Kirche für ihre Gläubigen außerhalb ihres traditionellen Bereichs ebenfalls Diözesen errichtet, wie zum Beispiel in Wien, Berlin oder Brüssel. Und weiter der Vatikan-Sprecher wörtlich: "Die katholische Kirche wünscht sich, auch dank der neuen Reorganisation, den Dialog und die Zusammenarbeit mit der russisch-orthodoxen Kirche verbessern zu können, der gegenüber es nie an Unterstützung gefehlt hat." Ausdrücklich wird auf die finanzielle Hilfe verschiedener katholischer Organisationen, etwa "Kirche in Not" und "Renovabis" hingewiesen, die der russischen Orthodoxie in den vergangenen zehn Jahren mehr als 17 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt habe.

Für Kenner der Situation erhebt sich die ehrliche Frage, ob man im Vatikan ernstlich gemeint habe, dass sich durch diesen Akt "die Zusammenarbeit mit der russisch-orthodoxen Kirche verbessern" würde oder ob das eben nur diplomatische Diktion ist, um jetzt den Schaden zu begrenzen. Jedenfalls scheinen die Verantwortlichen für diese Erhebung schon im Vorfeld geahnt zu haben, dass es zu Schwierigkeiten kommen werde. Um zu vermeiden einen katholischen Metropoliten für Moskau zu ernennen, schob man bei der Bezeichnung der neuen Diözesen den entsprechenden Weihetitel der jeweiligen Kathedralkirche vor den vier Städtenamen ein. So lauten die offiziellen Namen jetzt: Erzdiözese der Gottesmutter in Moskau, Diözese des Heiligen Klemens in Saratow, Diözese der Verklärung in Nowosibirsk und Diözese des Heiligen Josef in Irkutsk.

In einer Kurznotiz in der Frankfurter Allgemeinen vom 13. Februar 2002 heißt es, dass die Russische Orthodoxe Kirche alle Kontakte zum Vatikan abbrechen will, nach Aussage des Metropoliten Kirill, dem Leiter des kirchlichen Außenamtes des russischen Patriarchats, gebe es derzeit "nichts, über das wir sprechen könnten".

Zum Abschluss der schon zitierten Erklärung von Patriarch und Heiliger Synod wird aber versöhnlich festgehalten, dass die Russische Orthodoxe Kirche gute Beziehungen zu Diözesen, Pfarren und Klöstern der katholischen Kirche und Kooperation mit katholischen Hilfsorganisationen unterhalte. Dies seien Hoffnungszeichen für die zukünftige Entwicklung der Beziehung zwischen Orthodoxen und Katholiken, damit sie gemeinsam ein wichtiger Faktor in der Erhaltung der christlichen Werte im Leben Europas und der Welt würden.

Der Autor

lehrt Ostkirchengeschichte und Ökumenische Theologie an der Universität Würzburg.

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