Mursi, die Macht und das Militär

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Die Frankfurter Rundschau berichtet über das Ringen des neuen Präsidenten Ägyptens mit dem Verfassungsgericht und den Vertretern des Militärs.

Freunde oder doch Feinde? Als Montagmorgen die Abschlussfeier der Polizeischule im Fernsehen übertragen wurde, schauten viele Zuschauer ganz besonders genau hin: Da standen in der ersten Reihe nebeneinander der neu gewählte Präsident Mohammed Mursi und der Chef des Militärrates, Hussein Tantawi. Die Zuschauer versuchten zu ergründen, wie es zwischen den beiden mächtigsten Männern des Landes steht. Herrscht zwischen ihnen Krieg oder sind sie vielleicht doch Verbündete?

Am Sonntagabend hatte Mursi überraschend das Parlament aufgefordert, wieder zusammenzutreten. Mit seinem Dekret Nummer 11/2012 erklärte er die Entscheidung des Militärrats für ungültig, der vor zwei Wochen die Volkskammer aufgelöst hatte. Der Entscheidung lag ein Urteil des Verfassungsgerichts zugrunde.

Das Gericht bestätigte daraufhin am Montag noch einmal sein Urteil: Die Wahl von einem Drittel der Abgeordneten war unrechtmäßig und das Parlament bleibt aufgelöst. Linke und liberale Abgeordnete beschlossen danach, der Sitzung am Dienstag fernzubleiben. Manche forderten sogar, dass die Armee das Zusammentreten des Parlaments verhindern solle.

Appalus für den neuen Präsidenten

Mursis Entscheidung hatte bei seinen Anhängern und anderen Islamisten zunächst großen Jubel ausgelöst. Schließlich haben die Partei der Muslimbruderschaft und die Salafisten zusammen zwei Drittel der Sitze im Parlament.

Mursi bekam auch Anerkennung, weil er der Militärregierung die Stirn geboten hat. In seiner Antrittsrede, die er erst vor zehn Tagen auf dem Tahrir-Platz hielt, hatte er versprochen, Schritt für Schritt die Befugnisse des Präsidentenamtes wieder zurückzugewinnen, die der Militärrat kurz zuvor mit einem Dekret und der Parlamentsauflösung an sich gerissen hatte. "Dies ist der entscheidende Schritt, die Macht vom Militär auf den Präsidenten zu übertragen“, lobte Mohammed al-Beltagy von der Muslimbruderschaft die Entscheidung. Er sieht das Dekret als Schritt zu mehr Demokratie.

An der Kippe zur Verfassungskrise

Doch es gibt auch Gegenstimmen: "Die Entscheidung, das Urteil des Verfassungsgerichts für ungültig zu erklären, verwandelt den Rechtsstaat in die Regierung eines Mannes“, kritisiert der liberale Politiker Mohammed el-Baradei via Twitter. "Wir stehen auf der Kippe zu einer Verfassungskrise“, sagt auch der bekannte Politologe Abdel Moneim Saed.

Direkt nach Mursis Entscheidung zog sich der Militärrat zu Beratungen zurück. Was dabei herauskam, darüber gehen die Berichte auseinander und die unterschiedlichen Aussagen aus Militärkreisen, die ausführlich in den Zeitungen zitiert wurden, feuern die Spekulationen an. Wussten die Generäle um die Entscheidung? War sie abgesprochen? Oder ist dies der Startschuss zum offenen Kräftemessen zwischen Muslimbrüdern und Militär?

"Es wirkt so, als sei dies Teil einer Übereinkunft zwischen Militär und dem Präsidenten“, meint der Abgeordnete Mustapha Naggar. Möglicherweise haben sich Militärs und Islamisten zusammengetan - im gegenseitigen Interesse: Die Militärs bleiben in ihren Wirtschaftsgeschäften unbehelligt und behalten politisch Mitspracherecht. Dafür überlassen sie den Islamisten das Alltagsgeschäft und freie Hand bei ihrem Projekt, das Land zu islamisieren.

Eine solche Machtteilung nach dem Vorbild Pakistans ist eine Horrorvorstellung für ägyptische Demokraten. Ebenso beunruhigend finden viele jedoch die Vorstellung eines offenen Machtkampfes.

* Aus Frankfurter Rundschau, 10. Juli 2012

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