Muslime wollen in Sicht sein

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In ganz Österreich gibt es nur zwei Moscheen mit Minaretten. Weitere Bauten von muslimischen Gebetshäusern im Lande sind längst ein Politikum.

Anno 1979, als Österreichs erste Moschee am Wiener Hubertusdamm eröffnet wurde, gab es einen Staatsakt mit Bundespräsident und Kanzler. Zur Dachgleiche des Minaretts am 11. November 1977 hatte die Austria Presse Agentur gar getextet: "So Allah will, wird in absehbarer Zeit auch in Wien der Muezzin die Gläubigen zum Gebet rufen." Und der Baumeister des Gebetshauses, heute mehr durch seine Opernball-Begleiterinnen als durch seine Bautätigkeit notorisch, warb jahrelang kokett, sein Unternehmen könne "nicht nur Moscheen" bauen.

Die Würde der Religion

20 Jahre später weist allein Wien ein Vielfaches der 17.000 Muslime aus, die damals in der Stadt lebten. Dennoch gibt es österreichweit erst eine zweite Moschee - jene im Tiroler Telfs, um deren 15 Meter hohes Minarett eine heftige Diskussion tobte, und die 2006 eröffnet wurde. Ein drittes Gebetsbauwerk wird im niederösterreichischen Bad Vöslau diskutiert: Für die etwa 400.000 Muslime im Land keine Riesenzahl an klassischen Gebetshäusern. Ob eine Moschee samt Minarett für Muslime zur Ausübung ihres Glaubens unbedingt notwendig ist? Wenn dem so wäre, würde das Gros der heimischen Muslime nicht ihrer Religion gemäß leben. Aber es geht den Muslimen nicht nur ums juristische Minimum für ihre Religion.

Auch bei der Tagung "Islam in Sicht", die Anfang März an der Donau-Universität Krems stattfand, diskutierten Religionsexpert(inn)en über Moscheebau und die daraus resultierenden Probleme. Vertreter der Muslime waren sich einig, dass es auch um die Würde der Religion geht und das Recht, den Glauben sichtbar zu machen. Der Wiener Soziologe und Islamwissenschafter Mouhanad Khorchide identifizierte die Symbolik, die durch sichtbare Moscheen dargestellt werden, als eine von der Mehrheitsbevölkerung definierte "Trennlinie" zur Minderheit, und die Mehrheit schreibe Minaretten und Moscheen dann auch politischen Symbolcharakter zu. Tenor der in Krems anwesenden Muslime war, den Islam gerade aus den Hinterhöfen und Kellerlokalen heraus in die Sichtbarkeit zu holen, denn in den Hinterhöfen sei die Gefahr von Einkapselung und Radikalisierung weitaus größer als in einer offen gezeigten Religiosität.

Solchem Ansinnen steht aber die (politische) Realität in Europa entgegen, wie auch der italienische Soziologe Stefano Allievi konstatierte: Moscheen seien kräftige Zeichen der Präsenz des Islam, es sei kein Wunder, dass sich um sie herum so viel Interesse und Kontroverse ranken (vgl. Interview Seite 3).

"Vorreiter" Vorarlberg

Auch in Österreich hat das Thema Moscheen die Symbolebene der Politik längst erreicht: Mitte Februar löste ein Gesetzesentwurf in Kärnten Kontroversen aus, der Moscheen unter dem Titel Ortsbildschutz verhindern soll. Wenig später legte auch die Vorarlberger Landesregierung einen ähnlichen Entwurf vor. In beiden Bundesländern soll das Land einen Amtssachverständigen einsetzen können. Kritiker bemängeln, dass sich damit jeweils das Land ein Zugriffsrecht auf die Gemeinden sichern will, wie auch bei der Tagung in Krems die Vorarlberger Integrationsexpertin Eva Grabherr meinte, die erfolgreich den Prozess zur Errichtung eines islamischen Friedhofs in Vorarlberg begleitet hat (vgl. Interview auf Seite 3).

Von Seiten der Muslime herrscht Unverständnis über die neuen Hürden in Vorarlberg: "Ich war sehr unangenehm überrascht, wie die Landesregierung hier in dieser Frage eingegriffen und die Gemeinde Bludenz praktisch umgangen hat", meint Anas Schakfeh, der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft, zur Furche. Er bezieht sich darauf, dass es in Bludenz Gespräche über eine Moschee gegeben hat. "Man hat immer versprochen, die Meinung der Bürger in den Gemeinden zu berücksichtigen - und hier war eine Gemeinde einig! Doch plötzlich hat die Landesregierung diese Gesetzesänderung vorgeschlagen. Das ist für mich nicht nachvollziehbar", erläutert Schakfeh: "Das Zusammenleben in Bludenz und in Vorarlberg war reibungslos."

Die Politik in Vorarlberg, wo mit neun Prozent der Muslimenanteil österreichweit am größten ist, hat da weniger Vertrauen in ihre Bevölkerung. Landeshauptmann Herbert Sausgruber erklärte in einem Radiointerview, es gelte klarzumachen, "dass die Spielregeln über solche Vorgänge vom einheimischen Gesetzgeber vorgegegeben und nicht gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung solche Projekte umgesetzt" würden. Nicht nur die Politik macht es der Minderheit schwer, ihr Recht auf Religionsausübung ohne Wenn und Aber zu erkämpfen: In einem Positionspapier über das "Zusammenleben von Christen und Muslimen in Vorarlberg" erklärte auch der Bischof von Feldkirch Elmar Fischer zu den Bedingungen für einen Moscheebau zähle, "dass die Haltung der Gesamtgesellschaft zu berücksichtigen" sei.

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