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Nach dem Konzil

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DER WEG ZUR EINHEIT NACH DEM KONZIL. Von Augustin Kardinal Bea. Verlag Herder, 40 Seiten, DM 25.—.

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DER WEG ZUR EINHEIT NACH DEM KONZIL. Von Augustin Kardinal Bea. Verlag Herder, 40 Seiten, DM 25.—.

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Auch dieses Buch bestätigt den dynamischen Stü, der die Lebensarbeit und das Denken des Kurienkardinals kennzeichnet. Es ist für ihn so charakteristisch: bei allem gerne, oft und ohne falsche Scham ausgesprochenen Dank für das von dem Konzil Erreichte, bei aller zufriedenen Genugtuung hinsichtlich des unbestrittenen Erfolges wird die „Situation“ (7 ft.) nicht zum Anlaß für eine selbstzufriedene Beweihräucherung der christlichen Leistungen genommen, sondern dazu benützt, den „Ausgangspunkt“ zu bestimmen; denn der hochbetagte alte Herr nimmt Jüngere und Jüngste sofort in Beschlag, mit ihm weiterzueilen. Die charakteristischen Begriffe sind schon im Titel da: „Weg“ — „nach“ und das in der Zukunft liegende nachkonziliäre Ziel wird mit dem lapidaren Wort „Einheit“ angegeben; nach Beendigung der Lektüre des Buches glaubt man diese Kürze zu verstehen: es geht sowohl um die Einheit der Christen als auch überhaupt um die des Menschen geschlechtes. Das Buch ermahnt, tröstet, ermuntert, warnt — und läßt dem Leser nirgends Zeit, sich gemütlich, oder auch traurig hinzu setzen und sich mit seinen Tränen oder mit seinen eigenen Erfolgschancen zu beschäftigen. Dieser Kardinal ist neben allem anderen eben ein großer Seelsorger und seine pastorale Funktion erfüllt er ohne Schwierigkeiten über das Ganze seiner Kirche hinaus an denen, die ihm überhaupt zuzuhören bereit sind.

In dieser dynamischen Zielstrebigkeit auf die Einheit der Kirchen, Christen und Menschen zu erweist sich der Verfasser wiederum als der große und bedeutende Anwalt des Ökumenismus und seiner Durchsetzung sowohl in seiner eigenen römisch-katholischen

Kirche, aber eben auch vor dem Forum der Weltöffentlichkeit und angesichts des Zögerns und der kritischen Rückfragen von seiten der nichtrömischen Kirchen. Wie ein rechter Anwalt nimmt er jede Chance wahr, seinem Mandanten, der Idee des ökumenismus, zum Sieg zu verhelfen. Er sieht es, in dieser Eigenschaft durchaus berechtigt, nicht als seine Aufgabe an, die Schwierigkeiten und Hindernisse, die sich der christlichen Einheit entgegenstellen, zu vergrößern; er bagatellisiert sie auch nicht, aber er will sie in ihrer Überwindbarkeit aufzeigen und verweist auf Wege, wie sie umgangen werden könnten, wenn sie schon nicht zu übersehen und zu übergehen sind. Auf welch originelle Weise er dies tun kann, zeigt unter anderem die Weise, wie er die uns Protestanten so ominöse Lehre von der operativen Wirksamkeit der Sakramente, also ihrer automatischen Selbstwiirksamkeit (des „ex-opere-operatum“), schmackhaft zu machen unternimmt. Er versucht ihre theologische Wahrheit durch den Hinweis auf die religiöse Vertiefung und Verlebendigung zu belegen, die die Intensivierung der Eucharistiefeier im Katholizismus mit sich gebracht habe. Damit will er zugleich aus dem heiligen Abendmahl, das bisher eher ein Element der Trennung gewesen war, ein solches der verstärkten Einheit machen (197 fl.).

In diesem liebevollen Eifer scheut er nicht davor zurück, beachtliche antiökumenische Barrieren der Vergangenheit in positive Zeugnisse für die neueren Erkenntnisse umzuinterpretieren, so wenn er zum Beispiel die These Pius’ IX., die „Gewissensfreiheit“ sei ein „Wahnsinn“, plausibel zu machen versucht (262 ff.); hier gerät er beinahe in eine Verschleierungstaktik, wie er gelegentlich auch nicht vor ausgesprochener Wortklauberei zurückschreckt (zum Beispiel anläßlich der Besprechung einer Toleranzrede des Papstes Pius XII., 267). Merkwürdig ist: man nimmt ihm das gar nicht übel, wie man es wohl jemand anderem übelnähme, weil dies eben so seiner Anwaltsfunktion angepaßt bleibt! Dennoch werden nicht nur protestantische, sondern auch katholische Forscher zweifellos gut daran tun, sich nicht ausschließlich bei diesem liebevollen Advokaten des ökumenismus zu informieren, wenn sie der realen theologischen, kirchenrecht-

liehen und kirchenpolitischen Aspekte des Problems der Einheit ansichtig werden wollen

Diese nötige und eigentliche selbstverständliche Warnung beeinträchtigt aber in keiner Weise den Dank und die Freude über dieses Buch. Auch wer manches anders und kritischer sehen muß und die in dieser Arbeit besprochenen Konzilstexte, vor allem „de ecclesia“, der nur in Auszügen mitgeteilt wird, sorgfältiger zu studieren sich verpflichtet fühlt, wird sich von dem großen Kardinal gerne in das große Vorwärtsstreben mitnehmen lassen. Es wäre ein Unrecht, wollte •man übersehen, daß sich in diesem Mann und seinen Gedanken in der Tat eine Wende anbahnt, die einen echten Ausweg aus dem Getto der bisherigen rechthaberischen Vergötzung der eigenen Kirche zeigt. Das gilt nicht nur für die innerchristliche Problematik, sondern für das Verständnis des Verhältnisses von Kirche und Menschen überhaupt, Wenn Bea etwa schreiben kann: „Die Söhne der Kirche werden also vor allem dazu verpflichtet, die geistigen und moralischen Werte, ja auch die sozialen und kulturellen, die sich bei den Anhängern der anderen Religionen finden, anzuerkennen, zu , schützen und zu fördern.,(300), dann verbindet sich das bei ihm mit einem neuen Aspekt vom Wesen der „Mission“, !der das Ttfeherigb christliche und zwar sowohl das katholische wie auch das protestantische Missionsdenken auf den Kopf stellt (306 bis 307). Gewiß werden sich gerade an diesen Gedanken in allen theologischen und konfessionellen Lagern in Erinnerung an bestimmte Traditionen seines Ordens sehr ernste theologische Überlegungen und Bedenken einstellen, und es ist vorauszusehen, daß sich hier noch schwerwiegende Kontroversen anknüpfen werden. Aber immerhin: hier ist ein unerhörter Mut am Werk, aus der Tiefe christlicher Glaubensgewißheit kühne und unkonventionelle Wege zu eröffnen. Für diesen Mut, der keinem taktischen Denken, sondern der Kraft der Liebe entspricht, ist dem Kardinal zu danken, und darum werden diesem Buch viele denkbereite, wache und wachsame Leser gewünscht.

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