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Nach Mariazell: Bewegt sich die Kirche?

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Die „Seckauer Gespräche '96" der Pater-Laurentius-Hora-Stiftung am vergangenen Wochenende haben die eingangs gestellte Frage durch Beteiligung bejaht. „Aufbruch - wohin?".- da konnten vorerst nur Bestandteile einer noch ausstehenden Antwort zusammengetragen werden. In der Bewegtheit der Begegnung war zu spüren, daß die vorgegebene Fragerichtung nach dem Wirken des Heiligen Geistes aufgenommen war.

Für den positiven Verlauf der Veranstaltung kann man drei Gründe angeben, die gleichzeitig Hinweise für das Gelingen des weiteren inner-kirchlichen Diskussions- und Erneuerungsprozesses geben:

■ Man kann und muß sich dem Ak-tualitäts- und Verkürzungsdruck der Massenmedien entziehen. Dann kommen unzählige Leiden an der Kirche in den Blick, die nicht den notwendigen Kreuzweg vor der Auferstehung bilden, sondern Folge von formalistischem, verständnislosem Verhalten sind.

■ Das Klima der „Seckauer Gespräche" erlaubt es, auch unvereinbare Widersprüche ohne Kränkung und Polemik auszusprechen und zu ertragen. Die Geduld, auf eilige Lösungen zu verzichten, auch wenn man konkrete Ergebnisse für dringlich hält, fördert Besinnungsprozesse.

■ Referenten mit verschiedenen Zugängen und Schwerpunkten ermöglichen eine fundierende und plastische Betrachtung.

Fery Berger, der engagierte Sprecher der Weizer Pfingstvision, verknüpfte seine persönlichen Erfahrungen (besonders aus der Jugendarbeit) mit den Merkmalen der geschichts-mächtigen Bewegungen um die Heiligen Franziskus und Ignatius (langes Suchen nach Berufung, persönliche Entscheidung, beispielhaftes Leben) und mit neutestamentlichen Bildern von Aufbruch.

Thomas Plankensteiner, Mitinitiator des Kirchenvolks-Begehrens, lernte man als von der Sache eingenommenen, geduldig argumentierenden Interpreten der im Konsens formulierten Wünsche kennen, der nicht eine rasche Änderung an gerade diesen Punkten erwartet, sondern die politisch-soziale Dimension j des Glaubens (jüdisches Erbe) in der Kirche selbst (bis in die sakramentalen Dimensionen hinein) als Voraussetzung für Glaubhaftigkeit in der Welt stärken will.

Helmut Burkart, Leiter des Pastoralamtes der Diözese Graz-Seckau, bot einen meditativen Bahmen: Bewegung von Gott her, zu den Menschen hin, nimmt die Bewegung der Liebe auf, in der der Vater mit dem Sohn verbunden, der Mensch in die Sohnschaft einbezogen ist, in der niemand um sich selbst kreist.

Lassen sich einige Grundzüge der Referate und Einzelerfahrungen von Teilnehmern gleich transparenten Darstellungen übereinander legen?

Die in unterschiedlicher Bewertung als winterlich oder vorfrühlings-haft bezeichnete Befindlichkeit der katholischen Kirche (vielleicht auszuweiten: der christlichen Kirchen) ist nicht beziehungsweise nicht nur durch sie selbst bewirkt, sondern durch einen epochalen gesellschaftlichen Umwandlungsprozeß, wie es solche schon oft in der Geschichte gegeben hat. Immer muß dann die Kirche ihren Ort und ihre Gestalt neu finden: dort sein, wohin die Sehnsucht die Menschen treibt.

Anziehende Kirche gibt es, wo starke, charismatische, dienstbereite Persönlichkeiten nach dem Willen Gottes fragen, Visionen vor Augen geduldige Schritte setzen, andere Men-sehen um sich scharen, in lebendiger Beziehung zu Christus und untereinander der Welt eine solidarische Gemeinschaft zeigen und anbieten.

Den Boden dafür bereiten wir alle. Der Anruf, die Sammlung, der Erfolg sind aber nicht machbar. Es gab und gibt sehr viele Gruppen und Bewegungen, die vordergründig manchmal bestimmten kirchenpolitischen Strömungen zugeordnet werden, apostolisch approbiert sind oder nicht, international verbreitet oder bloß lokal tätig, vorübergehend Anstoß - in gutem und schlechtem Sinn - erregen oder eine dauerhafte Tätigkeit entfalten. Genannt wurden unter anderen Focolare, Cursillo, Opus Dei, Taize, die Integrierte Gemeinde, aber auch Basisgemeinden, lebendige Pfarren, Bibelrunden. Im Mitleben kann der einzelne gute von schlechten Früchten unterscheiden.

Auffallend war der Reichtum an Bildern und Vergleichen in diesen Tagen, zum Beispiel:

■ Weinstock und Reben (Voraussetzung des Wachstums), Gärung und Läuterung (ein länger dauernder Prozeß der Umwandlung), Vorsorge für eine genügende Zahl haltbarer Schläuche (Priesterdienst);

■ das Leiden des Leibes Kirche an der Krankheit einzelner Glieder, falsche Symptomkuren, Medikamente mit unerwünschten Nebenwirkungen;

■ die Kirche, kein stolzer Dampfer mehr, ein Schiff, auf dessen ausgeglichene Beladung es ankommt, in dem nicht nur der Steuermann wichtig ist, oder viele Schiffe verschiedener Größe, Bauart, Geschwindigkeit, sozusagen ein Flottenverband, dessen Funktionsfähigkeit keines technischen Überwachungsvereins bedarf, sondern einer einsatzbereiten Crew.

Ein Bild auch, daß die gemeinsame Eucharistie in den apokalyptischen Aufbrüchen der Boeckl-Kapelle gefeiert wurde?

Der Autor ist freier Publizist in Wien.

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