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Zu zehn Tagen Beratungen und Begegnungen kamen zur Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) 3500 Delegierte und Gäste aus 345 Kirchen in die südkoreanische Metropole Busan. Die aktuellen Herausforderungen der Menschheit und die großen Fragen der Christenheit standen auf der Agenda. Unter dem Leitwort "Gott des Lebens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden“ bildeten insbesondere die Themenblöcke Asien, Mission, Einheit, Gerechtigkeit und Frieden das spirituelle und thematische Rückgrat der einzelnen Tage.

Diese 10. Vollversammlung des ÖRK war bunt und vielsprachig, die Fülle der bearbeiteten Themen groß. Noch bis zum Schluss debattierten die Delegierten über zwölf öffentliche Erklärungen zu Themen von der Politisierung von Religionen bis hin zu Wegen zu einer atomwaffen- und atomenergiefreien Welt. Dabei wird es sich noch erweisen müssen, womit nun dieses ökumenische Welttreffen der Christenheit in die Geschichte eingehen wird. Zunächst einmal lässt sich feststellen, wie sehr der Kontext selbst Beachtung fand. Diese Konferenz war auf das Engste mit dem Kontinent Asien und mit den Gastgebern der koreanischen Halbinsel verbunden. Breiten Raum nahmen während der Versammlung und auch in den Gebeten die Solidarität mit den koreanischen Gastkirchen und ihre Sehnsucht nach Wiedervereinigung ihres geteilten Landes ein. Diese Sehnsucht schien für den Außenstehenden fast schon überspiritualisiert; Teilung erscheint in Südkorea nicht allein als politische Frage, sondern vielmehr als eine Frage der Identität.

Lebenswelten in Vielfalt

Im Themenblock Mission wurde deutlich, wie sehr es nicht nur die eine kulturelle und geistliche Identität gibt, sondern wie Lebenswelten in Vielfalt wahrzunehmen sind, was in Busan mit Händen zu greifen war. Das neue Missionsverständnis des Weltkirchenrates lässt sich so beschreiben: Mission versteht sich als Bejahung des Lebens; jede Lebensfeindlichkeit lehnt den Gott des Lebens selbst ab. Mission umfasst dabei die gesamte Schöpfung. Der neu ins Zentrum gerückte Begriff der "Klimagerechtigkeit“ bekommt auch hier neue Bedeutung. Und schließlich: Mission ist eine Bewegung von der Mitte hin zu den Rändern der Gesellschaft wie des Erdkreises. Dies meint auch eine Abkehr von einer Bewegung, die die Unterscheidung von Subjekten und Objekten der Mission nahelegt. In der nun verabschiedeten Missionserklärung "Gemeinsam für das Leben“ wird die aktive Rolle der so genannten "Marginalisierten” neu wahrgenommen, die zu aktiven Trägern der Mission werden. Und schließlich: Mission lässt sich von der Spiritualität nicht trennen. Der ehemalige anglikanische Erzbischof von Canterbury wird dabei mit der Überzeugung zitiert: "Mission ist die Suche danach, wo der Heilige Geist wirkt und das Bemühen, dort mitzumachen.“

Dazu kommt das in Busan verabschiedete Einheitsdokument "Gottes Gabe und Ruf zur Einheit“. Dieses ist deswegen so bedeutsam, weil es die Grundlage benennt, auf der Christen zusammenarbeiten. Der Ausschussvorsitzende und bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sieht im Dokument den Ausdruck des Geistes, der gerade auch auf der Versammlung zu erleben war: "Bei allen Differenzen lassen wir uns immer wieder durch die Erfahrung der Gemeinschaft um Christus herum zusammenführen und spüren: wir sind als Kirche eins.“

Die römisch-katholische Kirche, die offiziell nicht Mitglied des ÖRK ist, entsendet in den Weltkirchenrat Beobachter und arbeitet insbesondere in der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung mit, die in Busan die viel beachtete Konvergenzerklärung "Die Kirche: Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Vision“ einbrachte. Damit steht nun auch eine ökumenische Ekklesiologie bereit.

Kritiker der ökumenischen Bewegung fehlten in Busan nicht. Sie waren von innen und von außen vertreten, und es gelang ihnen zwischenzeitlich doch, die heitere und arbeitssame Stimmung zu trüben: Der russisch-orthodoxe Metropolit Hilarion unterstellte der westlichen Welt eine Verwässerung der Glaubensinhalte, was aufgrund des gewählten Zeitpunkts des Redebeitrages öffentlich beinahe unwidersprochen blieb. Zugleich scheuten sich koreanische Ultrakonservative nicht, durchgehend Protestgruppen zum Veranstaltungsgelände zu bringen, um den ÖRK lautstark mit dem Antichristen in Verbindung zu bringen. Beide Kritiker stoßen sich daran, dass sich der ÖRK offen zeigt für das Gespräch mit anderen Weltanschauungen und dass sozialethische Themen, insbesondere der Umgang mit Homosexualität, nicht von Fragen des Glaubens getrennt werden können.

Kein Bruch wegen neuen Konsensverfahrens

Zum Bruch kam es nicht und musste es auch nicht kommen, da seit der letzten Vollversammlung in Porto Alegre 2006 Beschlüsse allein im Konsens zu treffen sind. Dieses Konsensverfahren versteht sich als geistiger Prozess der Unterscheidung und der Entscheidung. Es verzichtet bewusst auf Mehrheitsentscheidungen, um "Unterlegene“ und "Sieger“ zu vermeiden. Der ÖRK wäre sonst wohl auch auseinandergebrochen. Mit der neuen Methode steht jedem offen, seine abweichende Auffassung dokumentieren zu lassen, wenn er bereit ist, eine andere Entscheidung stehen zu lassen, auch wenn er diese nicht mittragen konnte. Im Zweifelsfall kommt es zu keiner Entscheidung und zu keiner Verlautbarung. Das Konsensverfahren sieht ferner auch nicht vor, durch Klatschen Zustimmung zu geben, ja Stimmung zu machen. Jedem Delegierten stehen zur Bekundung allein die rote Zustimmungskarte und die blaue Ablehnungskarte zur Verfügung, der er heben kann. Die Befürchtung, dass durch dieses Verfahren Aussagen mit Format und Anspruch zugunsten der Einheit abgeschliffen werden, ist nicht eingetreten. Im Gegenteil scheint es, dass es mit dem Konsensverfahren auch auf der Ebene des Verfahrens um dasselbe Anliegen, nämlich die gelebte Einheit, geht.

Diesmal hat der Weltkirchenrat auch keine neue Aktion ins Leben gerufen, sondern vielmehr eine neue Form des Unterwegssein skizziert: Eine "Pilgerschaft für Gerechtigkeit und Frieden“ wurde für die kommenden Jahre bis zur nächsten Vollversammlung ausgerufen. Für die Annahme, dass von Busan aus ein kräftiger und belebender Wind weht, spricht vieles.

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