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Neue Forschungen über die Turiner Sindone

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In der „Aula der 100 Tage“ des Papstes der Cancelleria Apostolica in Rom und anschließend im Palazzo Chiablese in Turin sind anfangs die „Cultores Sanctae Sindonis“ zu einem internationalen Kongreß zusammengetreten. Es handelte sich darum, der Frage nach der Echtheit der heiligen Sindone, des Leichentuches, in das der Körper Christi eingehüllt wurde und welches seit Jahrhunderten in Turin als kostbare Reliquie verehrt wird, näherzurücken. Die „Cultores“ sind eine Brüderschaft von Laien und Priestern, die heute über die ganze Welt, auch in Afrika und Ozeanien, Verzweigungen besitzt und durch das gemeinsame Interesse an den wissenschaftlichen Studien um die Reliquie verbunden ist.

Der Kongreß hat auch diesmal nicht zu einer unanfechtbaren Beweisführung gelangen können, aber er ist der These von der Echtheit um einen beträchtlichen Schritt nähergekommen. Neue gewichtige Argumente wissenschaftlicher und exegetischer Natur sind zusammengetragen worden, und wenn auch gewisse historische Unsicherheiten weiterbestehen, wenn man nach wie vor nicht behaupten kann, daß die Turiner Reliquie das Leichentuch Christi „ist“, so sind doch Fortschritte im Sinne einer positiven Beantwortung der Frage erzielt worden.

Folgen wir einen Augenblick den Darlegungen des Professors der Universität Genua, des Salesianers Dr. Pietro S c o 11 i, der in seinem einleitenden Vortrag die Fortschritte der Sindonologie seit 18S8 skizzierte: das Leinenstück im

Ausmaß von 4,36 zu 1,10 Meter, zeigt eine überaus feine Webart, wie sie in antiker Zeit in Damaskus üblich war. Es zeigt den Abdruck eines menschlichen Körpers, welcher der Länge nach in das Tuch gehüllt worden war. Dieser Körper hatte eine bemerkenswerte Größe, nämlich 1,81 Meter. Der Gesichtsabdruck zeigt jene Züge, welche die traditionelle Darstellung dem Antlitz Christi zu geben pflegt. Als die Sindone im Jahre 1898 vom Comm. Pia erstmalig photographiert wurde, erschien auf der Platte nicht das erwartete Negativ, sondern ein Positiv von Lichtern und Schatten. Dies bedeutet, daß der Abdruck selbst ein Negativ ist, und die Annahme, es könne sich um das Werk eines Malers des hohen Mittelalters handeln (die Reliquie ist seit dem 13. Jahrhundert bekannt), war damit widerlegt. Weder hätte ein Maler jener Zeit im Negativ zu malen verstanden noch ein Antlitz in solcher Naturtreue darzustellen vermocht. Es blieb also die Frage nach der Herkunft der Abdrücke.

Die These des V i g n o n, es könne sich um die chemische Einwirkung von gasförmigen Ausströmungen der Leiche auf das Gewebe handeln, ist auf dem Kongreß durch Professor Giovanni J u-dica Cordiglia neuerlich widerlegt worden. Cordiglia berichtete von seinen eigenen Experimenten an Leichen: er rieb sie mit einer Mischung von Aloe und Myrrhe ein und hüllte sie darauf in ein mit Terpentinlösung und Olivenöl getränktes Tuch. Es ergab sich ein vollkommener Negativabdruck, auch wenn die Flecken, wie er zugab, nicht die gleiche Farbe wie auf der Sindone hatten. Abel weder yrar ihm die genaue Zusammensetzung der Spezereien bekannt, mit denen der Leichnam Christi eingerieben worden war, noch hatte er die zeitliche Einwirkung von zwei Jahrtausenden in seine Forschungen einbeziehen können. Das gleiche Problem behandelte Dr. E s k e n a z i (Istambul) und Dr. Hermann M o e d d e r (Köln) vom biochemischen Standpunkt aus.

Der Pariser Chirurg Professor B a r b e t konnte überzeugend nachweisen, daß die Turiner Sindone die traditionelle Darstellung des Gekreuzigten mit den Nägeln durch die Handflächen im physiologischen Sinne richtigstellt. Der Mensch, der in die Turiner Sindone eingehüllt worden war, trägt nämlich die Nagelwunden nicht an den Handflächen, sondern über der Handwurzel zwischen Speiche und Elle. Ein erfahrener Henker mußte wissen, sagte der Chirurg, daß die Handflächen das Gewicht eines“ so großen Körpers nicht zu tragen vermögen. Weitere Blutspuren fand Dr. Barbet auf dem Kopf und auf dem Nacken; sie mögen von der Dornenkrone herrühren, mit der der Verurteilte aufs Kreuz gehoben wurde und von der Blutstropfen auf den Nacken fielen, eine Einzelheit, die in den Evangelien nicht klar zum Ausdruck kommt. Dieser furchtbare klinische Bericht wurde, von dem spanischen Universitätsprofessor Dr. Lopez G o m e z (Valencia) mit einer Abhandlung über die Wunde an der Brustseite — auch von ihr findet sich auf dem Leichentuch die Spur — und von einer schriftlichen Arbeit des tschechischen Gelehrten Professor Rudolf W. Hynek (Prag) ergänzt, die verlesen werden mußte. Hynek spricht sich in seiner Untersuchung über die wahre Todesursache der Gekreuzigten und ihre Leichenstarre im Sinne der sindonistischen These aus.

Ein Bericht von exegetischer Bedeutung war der des amerikanischen Redemptoristen P. Edward A. W u e n-schell, der die Zweifel des deutschen Theologen P. B r a u n an der Echtheit der Sindone widerlegte. P. Braun stützte sich auf das Evangelium des Johannes, demzufolge der Leichnam des Erlösers gewaschen, einbalsamiert und mit Streifen umwickelt worden sei. Aber Wuenschell zeigte, daß das Wort „ligaverunt die Bedeutung von „insolverunt haben muß, wie auch die ältesten Texte des Johannes-Evangeliums in aramäischer, armenischer und griechischer Sprache einen diesem gleichbedeutenden Ausdruck verwenden. Die Zeit zwischen der Todesstunde und der Grablegung sei außerordentlich kurz bemessen gewesen, die Verrichtung mußte wegen des bevorstehenden Osterfestes, das jede Tätigkeit verbot, vor Sonnenuntergang zu Ende gebracht werden und die Grableger konnten sich nicht in die langwierige Prozedur der Waschung und der Einbalsamierung einlassen. Sie begnügten sich daher, den Körper mit Spezereien zu bestreuen und in das Tuch einzuschlagen. P. Wuenschell berichtete auch über die Fortschritte der sindonologischen Studien in den Vereinigten Staaten, wo die Wissenschaft erst seit 1935 Eingang gefunden hat. In Techny, Illinois, hat P. Peter Weyland eine Vorrichtung konstruiert, die es ihm gestattet, stundenlang am Kreuz zu verweilen und die Reaktionen der Kreuzigung am eigenen Körper zu studieren. Durch die Arbeiten P. Weylands hat die Sindonologie in Amerika zahlreiche Anhänger gefunden, über die Grablegung in archäologischer Sicht referierte der Kanadier P. M a 1 ö, der Gründer der Universität Montreal.

Damit war das weite Feld der historischen Untersuchungen eröffnet, zu denen der gelehrte Generalvikar von Troyes, Monsignore Roserot de M e 1 i n, der Radiologe Professor Lerga L u n a (Saragossa) und der vatikanische Archivar Monsignore Pietro S a v i o das Wort ergriffen. Rekapitulieren wir nur kurz, was an der Geschichte der Reliquie historisch greifbar ist:

Sichere Nachricht gibt es erst seit dem 13. Jahrhundert, als der französische Kreuzritter namens Otto de la Roche anläßlich der Eroberung Konstantinopels in den Besitz der Sindone kam und sie nach Besancon brachte, wo sie bis 1350 in der Kathedrale verehrt wurde. Seit 1452 ist sie Privatbesitz des Hauses Savoyen. Man bewahrte sie in einer eigens dafür erbauten Kapelle des Domes von Turin koordinieren, wenn man eine soziale Kraft werden wollte, fähig, die bestehenden Einrichtungen umzuformen. Es bedurfte also einer wirklichen Arbeiterorganisation, in der sich die Arbeiter wirklich unter sich fühlten.“

Nach jenem Bergsturz des Jahres 1920, gewahr der Fehler, die in dem Bemühen um eine christliche Arbeiterorganisation geschehen und wie sehr die sozialistische Arbeiterorganisation durch ihre ins praktische Leben der Arbeiterfamilie eingreifenden Konsumgenossenschaften und ähnliche sichtbare Leistungen vorwärts gekommen waren, ging man 1921 mutig, noch bedroht von dem Staub des zusammengebrochenen alten Gebäudes, an den Aufbau des neuen. Damals schlug die Geburtsstunde des Mouvement Ouvrier Chretien (MOC), das programatisch und praktisch nachholte, was gefehlt hatte. Die parallellaufende

Zusammenfassung der flämischen christlichen Arbeiterschaft ist der „Algemeen Christlijk Werkersverband (ACW).

Der Erfolg war sehr ermutigend. Die Baisse des Jahres 1920 wurde schon 1921 überwunden, man hatte den Stand der Organisation wieder auf 162.036, gegen das Vorjahr also um mehr als das Doppelte, erhöht. Und nun ging es rasch wieder aufwärts, hatte man doch schon wieder einen Stand von 300.713 erreicht, wurde freilich noch von den 629.532 sozialistischen Gewerkschaftern weit überflügelt, aber schon 1947, da man im Zeichen der MOC und ACW 420.022 Arbeiter gesammelt hatte, war man den sozialistisch Organisierten auf einen Abstand von nur mehr 80.0000 nahegekommen. Nun, in das Jahr 1950 traten MOC und ACW bereits al pari mit den sozialistischen Gewerkschaften an. Ein vielsagendes Beispiel.

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