Neue Heimat - Neuer Glaube

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sie sind aus streng muslimischen ländern geflohen und bereiten sich hier auf ihre christliche taufe vor: Die anzahl dieser konvertiten steigt.

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sie sind aus streng muslimischen ländern geflohen und bereiten sich hier auf ihre christliche taufe vor: Die anzahl dieser konvertiten steigt.

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Die Abendsonne strahlt durch das Fenster im Pfarrsaal von Jennersdorf im Burgenland. Fünf Männer sitzen im Kreis. Sie besuchen die Taufvorbereitung, denn sie möchten Christen werden. Baszir L. (Name der Red. bekannt) ist einer von ihnen: groß gewachsen, 27 Jahre alt. Seit dem vergangenen Frühjahr lebt er in einem nahen Flüchtlingsheim. Er kommt aus dem Iran und arbeitete dort bis zu seiner Flucht als Verkäufer für Elektrogeräte. Spricht er von der alten Heimat, bekommt man den Eindruck, dass sein Leben im Iran nicht Monate, sondern viele Jahre zurückliegt. Nun möchte er in Österreich eine Existenz aufbauen und eine Familie gründen.

Baszir, der schon bald Jonas heißen wird, wurde Anfang Oktober in einer Sonntagsmesse der Pfarrgemeinde als Taufwerber vorgestellt. Zu Ostern wird er in diesem Kreis getauft werden. Sein Asylverfahren läuft noch. "Ich konvertiere nicht, um Asyl zu bekommen", ist ihm wichtig, zu betonen. Pastoralassistent Willi Brunner ist sein Taufund Firmpate in der Pfarre Jennersdorf. Nicht nur Baszir, auch zwei weitere Taufbewerber begleitet er zur katholischen Taufe. Sie alle kommen aus dem Iran, sind Muslime. "Baszir war auf einmal in der Sonntagsmesse", erinnert sich Brunner. Heute feiert der junge Mann nicht nur die Eucharistie mit, er bereitet das Pfarrkaffee vor, hilft bei Pfarrfesten mit, spielt mit den Kindern Fußball. Peter, ein Iraner, ist bei den Taufgesprächen als Dolmetscher dabei. Im September 2015 wurde auch er ins Katechumenat aufgenommen und 2016 getauft. Brunner denkt gerne an die Feier zurück: "Ich war sehr bewegt, den Tränen nahe."

Anstieg von Erwachsenentaufen

Im Frühjahr 2017 ist es soweit: 200 Personen werden in Wien katholisch getauft, darunter 150 mit muslimischen Hintergrund, überwiegend aus dem Iran und aus Afghanistan. Österreichweit befinden sich gegenwärtig insgesamt 400 bis 500 Personen in einem Katechumenat, schätzt Walter Krieger, Generalsekretär des Österreichischen Pastoralinstituts. Die Zahl jener Menschen, die mit dem Gedanken spielen, zu konvertieren, schätzt Friederike Dostal, Leiterin des Referates Erwachsenenkatchechumenat und Verkündigung der Erzdiözese Wien, auf rund 300 Personen. Deren Beweggründe seien vielfältig: "Die einen etwa haben in ihrer Heimat schon vom Christentum gehört, die anderen wollen mehr darüber erfahren", erklärt Dostal. Sie führt den Anstieg der Konvertiten und Interessenten auf die Flüchtlingsbewegung und auf das kirchliche Engagement in der Flüchtlingsbetreuung zurück. "Ich merke aber sofort, ob jemand aus innerer Überzeugung übertreten möchte und er tatsächlich Gott sucht."

Am Vormittag noch Muslim, am Nachmittag schon Christ?"Nein, so einfach geht das nicht", sagt Dostal. Taufen im Schnellverfahren erteilt sie eine Absage. Das sei nicht möglich. Bereits im Frühjahr 2015 verschärfte etwa die katholische Kirche in Österreich den Zugang zur Erwachsenentaufe von Menschen mit muslimischem Hintergrund. Um Scheintaufen zu verhindern, wurden "Richtlinien zum Katechumenat von Asylwerbern" ausgearbeitet.

Strengere Richtlinien für Konvertiten

Auch der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) einigte sich im vergangenen Frühjahr auf Richtlinien zur Taufvorbereitung. Die Kirchen reagieren damit auf die steigende Zahl von Personen, die sich mit einem Übertritt zum Christentum bessere Chancen auf Asyl erhoffen. Daher dauert die Vorbereitungszeit inzwischen mindestens ein Jahr. In der katholischen Kirche begleiten Pfarrer, Diakone oder Pastoralassistenten die Konvertiten bis zur Taufe bzw. bereiten sie darauf vor. Sie hinterfragen bei den Taufwerbern auch Motive und Gründe für den Glaubenswechsel. Außerdem sollen die werdenden Christen die Pfarrgemeinde, in der sie den Taufunterricht besuchen, kennenlernen und mitleben. (Ablauf siehe Kasten).

Auch die Asylbehörden überprüfen Taufwillige mittlerweile strenger: Sie verlangen Nachweise und Bestätigungen. Sie stellen dem Taufwerber oft Fragen, die laut Dostal nicht einmal 80 Prozent der Katholiken in Österreich richtig beantworten können.

Das Bundesamt für Aysl und Fremdenwesen (BFA) verfügt aber über keine Zahlen zur sogenannte "Konversion als Nachfluchtgrund". Auch die Fluchtgründe werden laut Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums, nicht dokumentiert.

Kein Tauf-Boom bei Asylwerbern

Brigitte S. (Name der Red. bekannt) betreut als Ehrenamtliche Asylwerber. Christliche Freikirchen, so erzählt sie, nehmen muslimische Asylwerber schnell in ihre Reihen auf und betreuen sie. "Auch bei uns muss sich ein Taufbewerber bis zu einem Jahr, oft auch länger auf seine Taufe vorbereiten", sagt Edwin Jung, Vorsitzender der Freikirchen in Österreich. Er kann die Aussagen von Brigitte S. nicht nachvollziehen.

Auch die Freikirchen wollen die Taufwilligen erst einmal kennenlernen, bevor sie diese Personen in ihre Gemeinschaft aufnehmen, betont Jung. "Uns geht es nicht darum, Mitglieder zu werben. Es ist uns wichtig, dass Menschen eine persönliche Beziehung mit Jesus Christus und eine echte Umkehr erleben." In den Jahren 2015 und 2016 ließen sich in den Freikirchen über 250 Asylwerber -mit und ohne Bleiberecht und überwiegend mit muslimischem Hintergrund - taufen bzw. wurden deren Mitglieder.

Ein neuer Tauf-Boom unter muslimischen Asylwerbern also? "Nein, sowas gibt es bestimmt nicht", ist Rainald Tippow, Leiter der Flüchtlingshilfe der Caritas der Erzdiözese Wien, überzeugt. Durch den Austausch mit den Pfarrangehörigen komme es aber zu einer interreligiösen Begegnung, die den kulturellen Austausch und die Akzeptanz untereinander fördert, so Tippow. "Junge Afghanen stellen Weihnachtskrippen auf, Frauen mit Kopftüchern singen in Kirchenchören, Muslime und Katholiken feiern gemeinsam das muslimische Fastenbrechen."

Todesstrafe für Konvertiten im Iran

Tippow erzählt von der letzten Weihnachtsfeier im Familien- und Freundeskreis. Mehrere Muslime feierten begeistert mit. "Das war auch dieses Weihnachten wieder so", erzählt er erfreut. Religion sei daher Teil der Lösung, nicht jedoch das Problem. Durch die Unterbringung in den Pfarrhöfen und die Betreuung durch Pfarrangehörige werden Asylwerber in der Gesellschaft integriert, so Tippow gegenüber der FURCHE. Die Konversion zum Christentum trete dabei in den Hintergrund. Nur ein Bruchteil von ihnen, wollen auch konvertieren", sagt er.

"Personen, die zum Christentum konvertieren wollen, besprechen das nicht mit uns", winkt Carla Amina Baghajati, Frauensprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGÖ), ab. Ein Religionswechsel beeinflusse aber das Asylverfahren keineswegs positiv. Die IGGÖ folge dem Prinzip der Religionsfreiheit, denn hier gehe es um ein zentrales, auch im Islam entscheidendes Menschenrecht. Ein Glaubensabfall, die Apostasie, werde laut Koran nicht im Diesseits, sondern im Jenseits geahndet. Den Glauben einer Person zu beurteilen, sei demnach einzig Sache Gottes, so Baghajati. "Für die IGGÖ gelten die gleichen Bestimmungen zum Religionsaustritt wie bei den anderen gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften", betont sie. Im Iran dagegen müssen Personen, die konvertiert sind, mit der härtesten Strafe rechnen: Todesstrafe oder lebenslange Haft.

Konvertit Baszir von der Pfarre Jennersdorf ist froh, dass er nun von dort tausende Kilometer weg ist. Er empfand den Zwangs-Islamismus in seiner früheren Heimat als Umklammerung, aus der er sich mit seiner Flucht nach Europa endlich befreien wollte. "Gott hat mir nach Europa geholfen", ist er überzeugt. "Er lässt mich auch hier nicht allein." Seine Familie lebt nach wie vor im Iran -von seiner bevorstehenden Taufe hat Baszir seinen Verwandten lieber nichts erzählt. "Ich habe Angst vor möglichen Konsequenzen", erklärt er. Von seinem neuen Weg lässt er sich aber nicht mehr abbringen. Baszir strahlt: "Ich zähle schon die Wochen bis Ostern."

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