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Neues Priesterbild

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Der Patmos-Verlag in Düsseldorf bringt in einer Reihe von Paperbooks theologische Fragen heraus, die im Vordergrund der Diskussion stehen. Unter ihnen ist das Buch „Das Amt in der Kirche — Krise und Erneuerung in theologischer Sicht“ von Ruud J. Bunnik eines der wichtigsten. Zunächst fällt auf, daß das Werk kein Imprimatur besitzt. Unseres Wissens nach besteht die Vorschrift der kirchlichen Druckerlaubnis auch heute noch für theologische Werke.

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Der Patmos-Verlag in Düsseldorf bringt in einer Reihe von Paperbooks theologische Fragen heraus, die im Vordergrund der Diskussion stehen. Unter ihnen ist das Buch „Das Amt in der Kirche — Krise und Erneuerung in theologischer Sicht“ von Ruud J. Bunnik eines der wichtigsten. Zunächst fällt auf, daß das Werk kein Imprimatur besitzt. Unseres Wissens nach besteht die Vorschrift der kirchlichen Druckerlaubnis auch heute noch für theologische Werke.

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Der Autor hat das Problem der modernen Priesterfrage umfassend behandelt und in einer verständlichen Sprache dargestellt. Im ersten Kapitel gibt er eine Bestandsaufnahme der „Krise“, toi zweiten Kapitel den Aufriß einer Theologie des Amtes und im dritten Kapitel „Das Amt von morgen“ zieht er aus diesen theologischen Überlegungen Folgerungen. Er gesteht selbst, daß seine Darlegungen nur einen Versuch bedeuten, das Wesen des Priester-tums umfassend darzustellen. Diese Bescheidenheit wirkt auf den Leser sympathisch, muß aber auch bei der Beurteilung berücksichtigt werden. Die Überlegungen sind auch nüchtern und sachlich, so daß man ihnen gerne folgt.

Trotzdem hält-man bei der Lektüre der verschiedenen Kapitel oft plötzlich tone und stellt sich die Frage, ob diese oder jene These des Autors auch genügend begründet ist Der Rezensent konnte sich bei der an sich angenehmen und sehr anregenden Lektüre dieses Werkes nicht ganz des Eindrucks erwehren, daß der Autor sehr fasziniert - ist von “der“ Theorie der EntsdkräHsierung und EnklerikUisi'erun der Kirche und daß manche seiner Behauptungen mehr auf dieser These beruhen als auf einer theologisch ausgewogenen These über das Priestertum. In der Definition des priesterlichen Amtes scheint uns der Autor etwas einseitig den Funktionscharakter des Amtes im Gegensatz zum personalen Charakter desselben zu betonen. So, wenn es auf Seite 127 heißt: „Der Amtsträger wird (in der Endzeit) in seiner spezifischen Funktion nicht mehr notwendig sein; er wird wieder zum Laien, zum Glied des heiligen Volkes.“ Oder auf Seite 128: „Die Ausübung des kirchlichen Amtes ist aber an viele Grenzen gebunden. Diese Grenzen sind die physischen und moralischen Möglichkeiten des einzelnen Amtsträgers und die Bedürfnisse der Gemeinschaft. Die Gemeinde ruft ihn, wenn sie ihn braucht... dieselbe Gemeinschaft entblößt ihn auch (Krankheit, Pensionierung usw.). ... Hier geht es uns nun darum, festzustellen, daß das Amtsträger-Sein, wie die Fakten beweisen, auch innerhalb der Grenzen der irdischen Kirche nicht notwendig permanent zu sein braucht. Verwechselt hier nicht der Autor das priesterliche Amt mit der Amtsausübung? Diese beiden sind doch nicht einfach identisch! Aus der Tatsache, daß ein Priester sein Amt nicht ausübt, folgt doch nicht, daß er aufhört, Amtsträger zu sein.

Letztlich wurzeln diese Ansichten des Autors doch in einer mehr oder weniger zu weitgehenden Verwischung des Unterschiedes zwischen dem allgemeinen Priestertum der Gläubigen in dem Amtspriestertum. So schreibt er auf Seite 168: „Das Neue Testament stellt nirgends einen ausdrücklichen Zusammenhang zwischen kirchlichem Amt und eucharistischer Feier her, und es be-steht'kein Grund anzunehmen, die Eucharistie könne nur in Gegenwart oder unter dem Vorsitz von Epi-skopen oder Presbytern gefeiert werden. In Wirklichkeit wurde, die Eucharistie bisweilen von Diakonen gefeiert; das im Jahre 340 abgehaltene Konzil von Arles mißbilligt diese Praxis zwar, aber es besteht kein Grund zur Annahme, damit habe man auch die Gültigkeit des Sakramentes geleugnet.“ Dies scheint uns mehr eine Mutmaßung des Autors als ein eigentlich theologisches Argument zu sein. Auf Seite 88 ff. vertritt der Autor die Ansicht, daß der Priester bei der Feier einer Privatmesse, bei der keine Gläubigen anwesend sind, nicht Amtsträger, sondern Laie sei. Und umgekehrt: bei der Konzelebration vertritt er die Ansicht, daß nur der Hauptzelebrant als Priester handle, die Konzelebranten aber als Laien. Dieser These liegt doch die strikte Ansicht zugrunde, daß der Priester immer nur als Vorsteher der Gemeinde Amtsträger sei, also nur dann, wenn er eine Funktion für die Gemeinde ausübe. Uber diese These verbreitet sich der Autor sehr weit im Kapitel „Funktion und Lebensstand, Klerus und Volk“. Zwar gibt er zu (Seite.95), daß die Funktion des Priesters eng mit der Autorität des Herrn in der Kirche verknüpft sei, da der Priester ja den Herrn repräsentiere, daß der Amtsträger wohl mehr als nur ein Funktionär sei, aber diesen Gedanken verfolgt er nicht weiter, während _ er den andern Gedanken' ohne “ Zweifel überbetont.“--—- ,. ?

Letztlich geht es dem Autor darum, neue Möglichkeiten des priesterlichen Lebensstiles auch theologisch zu untermauern. Wenn es auch wahr ist, daß heute viele Priester Arbeiten verrichten, die Laien ebenso gut verrichten können, ja, daß jeder Priester bisweilen solche Tätigkeiten ausübt, scheint es uns doch zu weit zu gehen, das priesterliche Amt einfach auf die priesterliche Funktion im strengen Sinn des Wortes, das heißt priesterlicher Dienst an der Gemeinde In irgend einem Sinn, zu begrenzen. Gerade bezüglich der Verkündigung gibt es doch sehr fließende Grenzen von der amtlichen Verkündigung bis zur indirekten Verkündigung und dem persönlichen Gespräch. Der Autor versucht, aus seinem Verständnis vor allem die Möglichkeit des Part-time-Priesters im Gegensatz zum Full-time-Priester abzuleiten. Es sollte also auch Priester geben, die irgendeinen Beruf ausüben, also auf einem Gebiet Faohexperten sind und nebenher priesterliche Funktionen verrichten. Das geschah auch bisher, ohne daß dadurch der Priester entklerikalisäert werden mußte. Ebenso leitet der Autor aus seinen Darstellungen ab, daß der Zölibat nur fakultativ sein möge und daß auch Frauen zum Priesteramt zugelassen werden mögen, sowie leitet er eine Theologie der Amtsniederlegung ab (Seite 179 ff.).

Uber die verschiedenen Formen der priesterlichen Amtsausübung kann man auch sprechen, ohne daß man den sakramentalen Charakter des Priestertums so einseitig auf die Funktion einengt. Die zu scharfe soziologische Trennung zwischen Priester und Laien kann auch auf andere Weise vermieden werden als dadurch, daß der Priester völlig ent-klerikalisiert und entsakralisiert wird. Die Anpassung an die jeweiligen Zeitverhältnisse vollzieht sich immer mehr oder weniger von selbst. Heute wird gerade in der Literatur über das Priestertum und über die kirchlichen Strukturen allzu sehr der Eindruck erweckt, als ob die Kirche in exorbitanter Weise rückständig sei, Es darf ruhig zugegeben werden, daß Anpassungen auch zu langsam vor sich gehen, aber falsch ist es, zu glauben, daß durch ein zu ungestümes Drängen, das selbst an den Fundamenten rüttelt, der Prozeß schneller und besser voranginge. Er wird vielmehr gefährdet.

So anregend dieses Buch auch ist, so scheint der Versuch einer theologischen Deutung des sich wandelnden Priesterbildes doch nicht genug ausgeglichen. Ja es scheint uns, daß es nicht notwendig ist, am Wesen des katholischen Priesterbildes zu rütteln, um die sich wandelnde Lebensform des Priesters zu erklären. Der Laie und Journalist Josef O. Zöller hat dieselben Probleme in seinem Buch „Abschied von Hochwürden“ (Knecht-Verlag 1969) ohne einen so starken theologischen Hintergrund. Die zwei Fbenen des äußeren Wandels priesterlicher Lebensform und der Frage nach dem Wesen des Amtspriestertums scheinen uns bei Bunnik nicht immer genügend auseinandergehalten zu werden. Was der Autor im letzten Kapitel „Das Amt von morgen“ (191 bis 212) sagt, hängt nicht mit dem Wesen des priesterlichen Amtes zusammen und kann ohne Umdeutung desselben verstanden werden.

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