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Nicht Reich Gottes, sondern Volk Gottes

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Im Dekret über die Priesteraus Bildung steht folgender Satz: „Di< dogmatische Theologie soll so ange ordnet werden, daß zuerst die bibli sehen Themen selbst vorgelegt werden; dann erschließe man den Alumnen, was die Väter der östlichen un< westlichen Kirche zur treuen Überlieferung und zur Entfaltung de: 'einzelnen Offenbarungswahrheitel beigetragen haben, ebenso die weitere Dogmengeschichte, unter Berücksichtigung ihrer Beziehungen zu: allgemeinen Kirchengeschichte“ (Dekret über die Ausbildung der Priester, 16). Diesen Wunsch des Konzil; erfüllt in hervorragender Weise, zumindest was die erste Stufe dei Entfaltung der dogmatischen Theologie anbelangt (Vorlage der biblischer Themen), der bekannte Tübinger Professor und Konzilstheologe Hans Küng mit seinem Buch. Die „Seele' seiner Ekklesiologie ist tatsächlich die Heilige Schrift. Hier wird nichl mehr nach Vorlage der lehramtlicher Definition ein punktueller Schriftbeweis geführt, sondern in bibeltheologischer Arbeitsweise heraus fortschreitend auf das gegenwärtige dogmatische Selbstverständnis der Kirche hingeführt. Auf diese Weise wird nicht von vornherein der theologische Blick fixiert und einseitige Akzentsetzungen und Aspekte vermieden. Dogmatische Definitionen waren ja meist punktuell gegen eine Häresie gerichtet und hatten auch in der Formulierung diese Häresie im Auge. Notgedrungen konnte nicht immer die Fülle der theologischen Aspekte und Aussagen in diesen gezielten Formeln ausgesagt werden. Eine dogmatische Theologie, die methodisch von einem definierten Lehrsatz ausgeht und erst rückwärtsschreitend zur Quelle kommt, läuft leicht Gefahr, eine einseitige „Denzinger- und Enzyklikentheologie“ zu werden. Da Küng den umgekehrten Weg geht, ist seine Arbeit zugleich auch ökumenisch, da er auf dem Grund, den alle nichtkatholischen Christen anerkennen, der Heiligen Schrift, seine Theologie der Kirche aufruhen läßt.

Die Ekklesiologie Küngs ist in fünf große Abschnitte eingeteilt: A: Die wirkliche Kirche. — B: Unter der kommenden Gottesherrschaft. — C: Die Grundstruktur der Kirche. — D: Die Dimensionen der Kirche. — E: Die Dienste in der Kirche.

Es ist unmöglich, in einer kurzen Besprechung auf jede Einzelheit einzugehen. Dies wäre Gegenstand eines ausführlichen Referates. Gerade jetzt, da fast überall Diözesansyno-den vorbereitet werden, die doch wesentlich nur um das eine Thema, „Was ist Kirche“, kreisen werden, muß das Buch von Küng als P/Zichtlektüre angesehen werden. Alle geplanten Reformen der Theologie, der Ausbildung der Priester, der Verkündigung und der Seelsorge, sind ohne ein genuines und offenbarungsgemäßes Kirchenbild fruchtlos. Imperative ohne fundierte theologische Indikative sind in Gefahr zu ideologischen Rezepten zu werden, die letztlich eine Erneuerung der Kirche in Frage stellen. Wie viele theologisch nicht haltbare Mißverständnisse des Kirchenbegriffes sind noch im Umlauf. Noch immer wird die Geschichtlichkeit der Kirche nicht ernst genommen. Aus Angst vor einer Relativierung der Offenbarung wird die Kirche als statische Größe gesehen, während doch' der Beeriff der Kirche wesentlich mitbe-

stimmt wird von der „jeweiligen Gestalt der Kirche“. Aus dieser falschen statischen Sicht wird jede zeitgemäße Reform der Liturgie abgelehnt. Man will nicht einsehen, daß auch dogmatische Formulierungen bei Wahrung ihres Inhaltes einer zeitgemäßen Neuinterpretation bedürfen, daß sich im Laufe der Kirchengeschichte auch Strukturen und Systeme herausgebildet haben könnten, die nicht in jeder Hinsicht vor dem Gericht der Heiligen Schrift bestehen können, es sei denn, man identifiziert Kirche und Heiligen Geist. Es wird die Bezeichnung der Kirche als „Volk Gottes“ für ein von modernen Theologen erfundenes Modewort gehalten, während doch gerade dies „der älteste und grundlegende Begriff zur Umschreibung des Selbstverständnisses der Ekkle-sia“ ist. Die Identifikation von Kirche und Reich Gottes impliziert ein triumphalistiisches Mißverständnis der Kirche, das nur eine Idealkirche, die keine Mängel und Fehler hat, kennt (vgl. der große Widerstand mancher Kreise gegen ein Schuldbekenntnis der Kirche während des Konzils).

Die zweite Stufe der vom Konzil geforderten Methode der dogmatischen Theologie (Vätertheologie und Dogmengeschichte) ist leider zu kurz gekommen Eine geschlossene Darstellung der Ekklesiologie der Kirchenväter und die spätere dogmengeschichtliche Entwicklung kann gerechterweise auch nicht gefordert werden, da diesbezüglich noch lange nicht alles erarbeitet ist. Die bishei von der dogmatischen Theologie gehandhabte Methode, aus dem Zusammenhang herausgerissene und mi1 apologetischer Tendenz angeführte Väterzitate, hat auch nicht die patristische Ekklesiologie vermittele können. Dieses Ziel läßt sich nur im Rahmen eines Teamworks erreichen, Ein Gemeinschaftswerk von Dogmabikern, Exegeten, Patristikern und Dogmengeschichtlern wird wohl nui die vom Konzil geforderte Ideal-dogmatik schreiben können. Einer verheißungsvollen Anfang hat Küng mit seiner Theologie der Kirche gemacht. Es kann zum Schluß nur wiederholt werden, Küngs Buch ist Pflichtlektüre für alle, die im Dienst der Verkündigung stehen, und überhaupt für jeden, der an einer modernen Ekklesiologie interessiert ist.

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