"Die spirituelle Erfahrung der Begegnung mit Gott ist nicht kontrollierbar. Man spürt, dass Er da ist, man ist sich sicher, aber man kann es nicht kontrollieren.“ Das sagte Papst Franziskus, damals noch Kardinal Bergoglio, in seinem Gespräch mit dem Rabbiner Abraham Skorka. Der stimmt zu: "Religiöse Menschen wie wir sind Gläubige und Gläubige halten Gottes Existenz nicht für selbstverständlich“.
"Der Mensch“, so wieder Bergoglio, "wurde geschaffen, um die Natur zu beherrschen, das ist sein göttlicher Auftrag. Doch mit seinem Schöpfer kann er das nicht machen. Deshalb gibt es in der Gotteserfahrung immer ein Fragezeichen, einen Freiraum, wo man den Glauben wagt.“
Gerade dieser Glaube aber bestimmt dann das Verhältnis des heutigen Papstes zu denen, die nicht glauben. Agnostiker sind ihm zwar sympathischer, denn "Agnostiker zweifeln mehr, Atheisten sind überzeugt“, aber auch einem Atheisten gegenüber habe er "keinerlei Vorbehalte, ich würde nicht zu ihm sagen, dass sein Leben verwerflich ist, denn ich bin überzeugt, dass ich kein Recht habe, ein Urteil über die Aufrichtigkeit eines anderen Menschen zu fällen.“ Denn: "Wir müssen uns an die Botschaft der Bibel halten: Jeder Mensch ist ein Ebenbild Gottes, ob er nun gläubig ist, oder nicht.“
Ein Gedicht Rose Ausländers begleitet mich seit einigen Jahren.
Gäbe es dich / Gott der Liebe / Wir lebten noch heut / Im Garten Eden / Volk an Volk / Du an du.
Gäbe es dich nicht / O Liebesgott / Wir wären nicht / Nichts wäre.
Man kann sich an Gott wenden, selbst wenn man sich nicht sicher ist, ob es ihn gibt. Das ist nicht der geringste Trost: Gott verlässt niemanden, gerade die nicht, die sich von ihm verlassen erfahren und auch die nicht, die sein Fehlen behaupten.
Der Autor ist katholischer Pastoraltheologe an der Universität Graz
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