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... oder besser so?

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Ist diese Frage überhaupt berechtigt? Wir wissen doch, daß dieses Konzil nicht etwa eine Zusammenkunft von Katholiken und Protestanten war, auf der beide miteinander über ihre Wiedervereinigung zu diskutieren hatten. Vielmehr war es ein rein innerkatholisches Konzil. Der Katholizismus wollte sich hier selbst erneuern und hat sich zu diesem Zweck mit allen Problemen rom rein katholischen Standpunkt aus befaßt. Sollen wir daraus schließen, das Konzil gehe uns nichts an? Das wäre schon deshalb falsch, weil lohannes XXIII. bei seiner Einberufung von vornherein ein Fernziel, Jas uns besonders interessieren muß, für die Zeit nach dem Konzil angegeben hatte: durch diese Erneuerung sollte das Gesicht der katholischen Kirche so verändert werden, daß der Dialog mit den Nicht-Katholiken, vor allem mit den nicht-katholischen Christen, erleichtert würde. Dieses Fernziel ist denn auch auf dem ganzen Konzil im Blickfeld geblieben.

Aber auch abgesehen davon muß es uns in höchstem Maße interessieren, wenn eine christliche Kirche, neben der wir Tag für Tag sozusagen leben, eine solche Selbsterneuerung großen Stiles unternimmt. Wir sind hier im Westen mit der römisch- katholischen Kirche durch die ganze Geschichte und Art des Denkens in besonders enger Lebens- und Arbeitsgemeinschaft auf dem gleichen Raume verbunden. Was bei den einen geschieht, geht auch die andern an. Darum hat die katholische Kirche auch protestantische Beobachter aufs Konzil eingeladen.

Die gestellte Frage nimmt folgende präzise Form an: Stehen wir Protestanten nach diesem Konzil einem veränderten Katholizismus gegenüber? Wenn ja, inwiefern wird unser Verhältnis zu ihm durch diese Veränderung berührt?

Veränderter Katholizismus?

Auf die Frage: stehen wir nach diesem Konzil einem veränderten Katholizismus gegenüber? können wir bei uns zwei diametral entgegengesetzte Antworten hören. Die einen sagen mit einem leisen Unterton selbstzufriedener Überlegenheit: „Der Katholizismus hat sich nicht im geringsten geändert; alles ist beim alten geblieben.“ Die andern sagen voll Enthusiasmus und mit dem Unterton einer illusorischen Erwartung einer baldigen restlosen Wiedervereinigung: „Der Katholizismus hat sich radikal, von Grund auf verändert; nur noch sekundäre Belange, nichts Grundlegendes trennt uns mehr.“

Beide Urteile sind falsch. Historisch gesehen, müssen wir im Gegenteil gerade sagen: das Bedeutsame an diesem Konzil ist dies, daß es ihm gelungen ist, den Katholizismus zu erneuern, wie es in seiner langen Geschichte noch kaum je der Fall gewesen ist, aber gerade ohne daß die (von uns zum Teil abgelehnten) Grundlagen der katholischen Kirche verändert worden wären. Das, was uns während des Konzils als Schwäche erschien, daß nämlich ständig zwei entgegengesetzte Tendenzen, eine fortschrittliche und eine konservative, sich zu neutralisieren suchten, wird vielleicht einmal von künftigen Historikern gerade als seine Bedeutsamkeit angesehen werden.

Als Protestanten sind wir naturgemäß geneigt, es zu beklagen, daß neben der uns sympathischen und uns effektiv nahekommenden fortschrittlichen Tendenz auch jene andere, konservative, sich ausgewirkt hat. Aber wir müssen uns doch Rechenschaft darüber ablegen, daß wir von einer bewußt katholischen Erneuerung, die auf katholischem Boden bleiben muß und will, nicht das gleiche erwarten dürfen wie von der protestantischen Reformation.

Für uns Protestanten ist nur die Bibel Norm unserer Erneuerung, für den Katholizismus sind es auch die Dogmen der Kirche, auch ihre lebendige Tradition, in denen er eine Entfaltung der Bibel sieht. Ein Dogma kann in der katholischen Kirche nicht rückgängig gemacht werden. Wir können dies als Protestanten bedauern. Wir mögen darüber mit den katholischen Theologen diskutieren. Aber zunächst einmal müssen wir es als Tatsache hinnehmen, daß jede katholische Erneuerung die Dogmen respektieren muß. Auf dem Boden des ökumenismus kön nen wir vom Katholizismus nicht : verlangen, daß er protestantisch ' werde. Genau wie wir nicht wollen, : daß man von uns verlange, daß wir ; katholisch werden. Denn das wäre nicht mehr Ökumene, das wären . Bekehrungsbestrebungen, die oft : gerade aus einem nichtökumenischen ] Geist fließen. Wohl dürfen und sol- len wir uns gegenseitig sagen, i warum wir grundsätzliche Einstei- i luneen der anderen Kirche aus Glau bensgründen für falsch halten. Aber wir sollen versuchen, eine Erneuerungsbewegung der andern auch dann ernst zu nehmen, wenn sie sie im Rahmen und in den Grenzen jener grundsätzlichen, von uns zum Teil abgelehnten Einstellung vornehmen.

Die beiden falschen Urteile: „nichts geändert“, „alles verändert“, von denen ich gesprochen habe, kommen daher, daß diese Grenzen nicht gesehen werden. Daher die Illusionen, die falschen Erwartungen, die man am Anfang an dieses Konzil geknüpft hatte und die dann, als sie sich nicht erfüllten, in Enttäuschung über den Katholizismus, der sich ja doch nie ändere, um- schlugen. Daher das falsche Ausspielen der beiden Päpste Johannes XXIII. und Paul VI. gegeneinander. Wohl sind die beiden Päpste völlig verschieden voneinander. Aber es ist verkehrt, zu meinen, der sympathische Papst Johannes XXIII. hätte etwa die Grundlagen des Katholizismus verändern können oder wollen. Vielmehr wollte auch er eine katholische Erneuerung im katholischen Rahmen.

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