Ökologische Sätze der Tora

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Eveline Goodman-Thau ist Rabbinerin und Gastprofessorin für Jüdische Kulturphiliosophie in Wien.

Die Furche: Ist Nachhaltigkeit ein religiöser Begriff?

Eveline Goodman-Thau: Der Mensch ist einerseits ein Teil der Natur, spürt aber, dass er mit seinem Willen eine besondere Position in der Natur einnimmt. Der monotheistische Gott steht nicht mehr im Kulturkampf, also in Konkurrenz zur Natur, sondern schafft souverän allein die Welt durch Anrede. Der Durchbruch des Monotheismus war von Anfang an der Versuch, Religion und Ethik zusammenzubringen. Die Aufklärung hat die Religion zur Privatsache gemacht. Es geht weniger darum, ob wir Juden, Christen oder Muslime sind, sondern vielmehr um den kulturellen Kontext.

Die Furche: Wie nachhaltig ist der Satz "Macht euch die Erde untertan"?

Goodman-Thau: Der erste ökologische Satz ist "Hier gebe ich dir". Gott gibt nicht erst die Tora. Die Welt wird als Gabe Gottes gesehen. Der Mensch hat die Sorge für diese Welt. Die ganze hierarchische Struktur der abrahamitischen Religionen hat unmittelbar mit der Frage zu tun: Steht der Mensch autonom Gott gegenüber oder übernimmt das alles eine Institution?

Die Furche: Wie deuten Sie das jüdische Verbot des Zinsennehmens?

Goodman-Thau: Das ist das Bewusstsein, dass jeder Mensch frei ist. Nach sieben Mal sieben Jahren muss das Land zurückgegeben werden. Das ist die Idee, die bereits im Schabbat eingeführt ist. Im Mittelalter durften die Juden kein Land besitzen und kein Handwerk ausüben. Sie waren Geld- und Viehhändler.

Mein in der Schoa umgekommener Onkel war Bankier in Galizien. Er hatte eine spezielle Erlaubnis, Zinsen von denen zu nehmen, die es sich leisten können. Bei Armen darf man das nicht anwenden. In Israel gibt es immer noch bei den Orthodoxen den Brauch, jedes siebte Jahr die Erde ruhen zu lassen. In vielen landwirtschaftlichen Betrieben praktiziert man deshalb eine Rotation des Brachlandes, damit die Erde sich erholen kann.

Die Furche: Braucht Religion nachhaltige Institutionen?

Goodman-Thau: Der Übergang vom Prophetentum zum Humanismus ist im Judentum ganz natürlich. Der Durchbruch des Monotheismus bedeutet, dass Gott auf alles verzichtet: auf Institutionen, Macht, alle Ehren, wenn eine gerechte Welt entsteht. Gott ist eigentlich nur ad hoc da. Das hat mit der Erlösungsidee im Judentum zu tun: Die Erlösung ist noch nicht gekommen, weil es keine Gerechtigkeit in der Welt gibt. Gott kann in dieser Welt noch überhaupt keine Einwohnung haben. Es ist für ihn kein Platz, weil jeder Einzelne nur sich profiliert. Mit dem Messias kommt die Erlösung für alle. Gerechtigkeit kann nur da sein, wenn der Mensch auf seine eigenen Interessen zu Gunsten des anderen verzichtet, ohne seine eigenen Interessen ganz aufzugeben. Jeder Mensch ist die Perle in einer Kette und hält diese Kette zusammen. Es ist der Einzelne, der das zusammenhält. Der wirkliche Tempel ist der Mensch selber, wie Jesus, der Jude, das richtig gesagt hat. Etwas, was auch nach dem Zusammenbruch hält, was uns zusammenhält, was nachspürbar ist, was uns heim-sucht, das ist für mich die Definition von Nachhaltigkeit in jüdischer Tradition.

Das Gespräch führte Gunnar Bach.

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