Ökumene - nicht nur bei Schönwetter

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Die Aussagen zunehmender Verständigung zwischen den Kirchen kranken daran, dass das Ziel der Ökumene nicht klar ist.

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Die Aussagen zunehmender Verständigung zwischen den Kirchen kranken daran, dass das Ziel der Ökumene nicht klar ist.

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Offensichtlich hat die neueste Erklärung aus Rom bezüglich der Einzigkeit Jesu Christi und der Einzigkeit der römisch-katholischen Kirche einen Ton angeschlagen, der geeignet ist, Aufregung und auch Enttäuschung hervorzurufen. Das Dokument der Glaubenskongregation redet bestimmt und unverblümt. Es verzichtet auf pastorale Hilfestellungen ebenso wie auf argumentative Zwischentöne, wie sie seit dem II. Vatikanum im Dialog der Religionen und der christlichen Konfessionen zu hören sind. Aber es ist nicht so, dass die Erklärung den Gedankenkreis des Konzils verlassen hätte oder wie ein reißender Wolf in den bislang friedlichen Garten interreligiöser wie ökumenischer Verständigung eingefallen wäre. Das neue Dokument will weder das Gespräch unter den Religionen noch die Aussöhnung der Konfessionen behindern.

Ihm liegt allerdings daran, dass in beiden Fällen mit offenen Karten gespielt wird. Nimmt man die Erklärung ernst und hält man zugleich das inzwischen Erreichte fest, um es im Respekt vor Andersdenkenden weiterzuentwickeln, kann die große Aufgabe der Annäherung unter den Menschen guten Willens an Tiefgang gewinnen.

Doch es gilt genau zu unterscheiden: Der erste Teil der Erklärung wendet sich gegen die Versuchung, zu Gunsten des interreligiösen Dialogs an der Gestalt Jesu Christi Abstriche zu machen. Von Anfang an war das Christentum davon erfüllt, dass Gott in seinem Sohn und im Heiligen Geist alles gegeben hat, was er geben konnte, nämlich sich selbst. Das Bekenntnis zu Jesus, wie es von der Schrift und der konfessionell ungebrochenen Überlieferung der Getauften vorgetragen wird, sperrt sich entschieden gegen die Auffassung, das befreiende, heilschenkende Wirken des Gekreuzigten und Erhöhten sei grundsätzlich ergänzungsbedürftig.

Dessen Einzigkeit und Universalität wurde vom II. Vatikanum bestätigt, ohne dass man es versäumt hätte, die nichtchristlichen Religionen mit ihm in Verbindung zu bringen. Genau hier setzt das römische Dokument an: Es erinnert mit dem Konzil an die christologische Vorgabe des kirchlichen Auftrags, ermutigt aber die Verantwortlichen in der Theologie mehrfach, andere Religionen in den Blick zu nehmen und die Frage zu beleuchten, wie auch ihnen eine tragende Funktion im Umgang Gottes mit den Menschen zugesprochen werden kann. Gewiss bekennt sich in abstrichloser Weise nur das Christentum zu seinem Gründer.

Doch eine Regel des interreligiösen Dialogs ruft die Parteien dazu auf, ihr Selbstverständnis mit Hilfe der eigenen Voraussetzungen zu profilieren, um das gemeinsame Gespräch belangvoll zu machen. Wer bei aller gebotenen Sympathie für die religiösen Werte der Menschheit dem biblischen Erbe verpflichtet bleiben will, wird die Rahmenbedingungen, an die das Schreiben mit gutem Grund erinnert, nicht außer Acht lassen. Dafür muss die Forschung erwarten können, dass ihren Entwürfen Zeit und Gelegenheit bleibt, sie frei und gründlich zu diskutieren.

Um das Abstecken von Rahmenbedingungen geht es auch im zweiten Teil des Dokuments, im hochsensiblen Bereich der innerchristlichen Ökumene. Hier mag es schmerzen, wenn ohne Bezug auf das, was in den letzten Jahren auf der Ebene des geistlichen Lebens und der Theologie erreicht wurde, sehr strikt gesprochen wird. Aber meines Erachtens kommt durch die Erklärung Dominus Iesus ein wunder Punkt der Ökumene zum Vorschein: Die inzwischen breit gestreuten und mit großem Einsatz erarbeiteten Aussagen zunehmender Verständigung, die zum Teil erstaunliche Konsense zeigen, weisen eine Unsicherheit bezüglich ihrer institutionellen Verortung auf.

Übereinstimmungen im Einzelnen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass ökumenische Fortschritte den umgreifenden Rahmen einer konkreten Zielvorstellung brauchen. So kann es beispielsweise eine weitgehende Klärung über das Wesen und die Wirkung der Taufe geben; bleibt hingegen unterbelichtet, mit welchen kirchlichen Strukturen das Sakrament vernetzt sein muss und auf welches Wir-Bewusstsein es abhebt, zeigt sich das Einvernehmen brüchig.

Wegen der Unschlüssigkeit, wohin der Weg eigentlich führen soll, wurden die ökumenischen Errungenschaften der letzten Jahre in ihrer Wirksamkeit gedämpft. Mitunter trug man zu wenig der Tatsache Rechnung, dass historische Entwicklungen zu unterschiedlichen Mentalitäten führten, die gegeneinander stehen, auch wenn heute in bestimmten Fragen verbale Einigkeit herrscht. Wohl vor diesem Hintergrund hat das römische Schreiben die strukturelle Zielvorstellung des Katholizismus pointiert in Erinnerung gerufen, um die Debatte auf eine Grundsatzfrage zu lenken: Was ist zu tun, damit Annäherungen tragfähig bleiben im Blick auf die biblische Vision von der Einheit und Einzigkeit der Kirche? Der katholische Beitrag zu dieser Frage besteht, so wie ihn die Erklärung einfordert, im Verweis auf die unverzichtbare Bedeutung der sakramentalen Christusrepräsentanz durch das Bischofsamt und den auf ihm basierenden Petrusdienst.

Obwohl durch das II. Vatikanum auch andere wesentliche Elemente des Kircheseins zur Sprache gebracht wurden, die reformatorischem Empfinden näherstehen, stellt nach katholischer Überzeugung die hierarchische Verfasstheit der Kirche keine zu vernachlässigende Größe dar. Vermutlich wird der strenge Verweis auf sie am Ende weiterführender Debatten, wenn man sich über das Ziel ökumenischer Bemühungen einig geworden ist, versöhnlicher ausfallen. Es vorher zu erwarten, wäre unrealistisch.

Dass die Glaubenskongregation einen Sektor des römisch-katholischen Kirchenbildes besonders betont hat, spricht keineswegs gegen den Stellenwert der Ökumene überhaupt, zumal Dominus Iesus zusammen mit anderen amtlichen Verlautbarungen hoher Verbindlichkeit zu lesen ist: der päpstlichen Enzyklika Ut unum sint von 1995 und der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre von 1999.

Deshalb sollten sich alle von Rom getrennten Konfessionen einmal mehr ermuntert wissen, die für sie unabdingbaren Elemente einer zukunftsfähigen, sichtbaren Gemeinschaft gleichfalls dezidiert zu sagen, damit neuer Wind die ökumenische Runde beleben kann. Christinnen und Christen leben von dem an sie gemeinsam gerichteten Versprechen: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen" (Mt 18,20).

Der Autor ist Professor für Dogmatik an der Kath.-Theol. Fakultät der Universität Wien.

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