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Ökumenische Sensation

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Ein von evangelischer Seite als kirchenhistorische Sensation bezeichnetes Symposion könnte das belastete ökumenische Gespräch fördern - auch wenn die Gegenreformation das Thema ist.

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Ein von evangelischer Seite als kirchenhistorische Sensation bezeichnetes Symposion könnte das belastete ökumenische Gespräch fördern - auch wenn die Gegenreformation das Thema ist.

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Streit zwischen den Kirchen gehört zum Alltag der Geschichte des Christentums. Die noch frischen Erinnerungen an die Europäische Ökumenische Versammlung in Graz sind auch von der Erkenntnis geprägt, daß trotz aller Fortschritte in der Ökumene noch viele jener Gräben vorhanden sind, welche durch Jahrhunderte- bis jahrtausendealte Kirchenspaltungen entstanden sind.

Gerade in den letzten Tagen zeigte sich einmal mehr, wie fragil das ökumenische Klima eigentlich ist: So wird seit Jahren zwischen dem Lutherischen Weltbund und der katholischen Kirche an einer „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre” gearbeitet (vgl. furche 25/1997), die im kommenden Jahr unterzeichnet werden soll. Vor allem innerhalb des Protestantismus entbrannte eine theologische Kontroverse über dieses Papier, die aus der zentralen Bedeutung der Rechtfertigungslehre für das Selbstverständnis der Evangelischen heraus erklärbar scheint. Da im Zuge der Diskussion auch der Ton gegenüber den katholischen Gesprächspartnern rauher wurde, äußerte sich der Stuttgarter Bischof Walter Kasper, einer der beiden Präsidenten der lutherisch-katholischen Dialogkommission, vor einigen Tagen scharf: Die innerprotestantisehe Kontroverse dürfe nicht mit antirömischem Zungenschlag auf die katholische Kirche umgelenkt werden. Eine Ablehnung der „Gemeinsamen Erklärung” wäre, so Kasper, ein schmerzlicher Rückschlag für das Bemühen um Einheit und Versöhnung der Christen.

Angesichts des ökumenischen Großklimas, das, in welche Bichtung man auch blickt, kälter wird, scheint inter- und überkonfessionelle Auseinandersetzung umso dringlicher. Daß dann das jüngste ökumenische Großprojekt in Wien gerade vom evangelischen Oberkirchenrat Johannes Dantine als „kirchenhistorische Senation” bezeichnet wird, ist bemerkenswert: Denn bei diesem Ereignis handelt es sich um das vom 23. bis 25. Oktober anberaumte Symposion „Petrus Canisius in Wien”, das anläßlich des 400. Todestages des „Apostels der Gegenreformation” stattfindet.

Der Jesuit Petrus Canisius war von 1552 bis 1556 in Wien tätig. Als Theologe, Universitätslehrer, Vorreiter von Sozialpastoral im Wiener Raum hinterließ er viele Spuren, sogar als als Administrator des verwaisten Wiener Bischofsstuhls war er tätig. Außerdem wurde Canisius' in Wien verfaßter Katechismus für die katholische Kirche wegweisend. Gerade diese wesentliche Facette seines Wirkens zeigt auch heute noch das Kontroverse auf: Petrus Canisius steht in Wien für die Re-ligionspolitik des 16. Jahrhunderts und die Theologie der Gegenreformation. Nur wenigen Katholiken ist bewußt, daß das Wien jener Zeit mehrheitlich evangelisch war. Eine Auseinandersetzung mit Petrus Canisius in einem ökumenischen Geist schließt daher auch die Behandlung der Fragen jener Zeit ein, deren Wunden bis heute noch nicht alle verheilt sind.

Anhand der Gestalt des Petrus Canisius eine ökumenische Auseinandersetzung zu versuchen ist unkonventionell, und wahrscheinlich ein einzigartiger Versuch. Das Symposion im Wiener Kardinal-König-Haus ist seit seiner Vorbereitung ökumenisch angelegt - und versucht vor allem, die drängenden Fragen der Gegenwart für die Kirchen gültig zu thematisieren. Denn die gesellschaftliche und geistige Situation, wie sie im Wien des 16. Jahrhunderts herrschte, ist der heutigen Lage in vielen Punkten vergleichbar. Die dabei aufgeworfenen Fragen sind nicht mehr im Konfessionellen festzumachen, sondern gemeinsames Anliegen aller Kirchen.

Wenn also das ökumenische Klima stürmischer zu werden droht, könnte das Symposion in Wien einen Streif am Kirchenhorizont darstellen.

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