Ökumenische Verhältnisse in Salzburg

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Der Pastor der methodistischen Gemeinde in Salzburg verteidigt sein ökumenisches Engagement und fragt nach der Zukunft der Ökumene.

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Der Pastor der methodistischen Gemeinde in Salzburg verteidigt sein ökumenisches Engagement und fragt nach der Zukunft der Ökumene.

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Am 15. Oktober war es wieder einmal so weit: Wie schon in den letzten Jahren waren an zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen gemeinsame Gottesdienstfeiern zwischen der evangelisch-methodistischen Lukasgemeinde und der römisch-katholischen Pfarre St. Paul in Salzburg-Riedenburg geplant. Die Vorbereitungen liefen sehr schlicht und problemlos. Pfarrer Peter Hausberger, die Pastoralassistentin Ingrid Leitner und ich als Pfarrer der evangelisch-methodistischen Kirche sind längst ein eingespieltes Team und gute Freunde. Seit sechs Jahren führen wir gemeinsame Veranstaltungen, Bibelkurse und wöchentliche Predigtvorbereitungen durch und wir feiern immer wieder gemeinsam Gottesdienste, wie zum Beispiel auch am Aschermittwoch. Viele Mitglieder der Pfarren kennen sich gut. Fröhliche Leichtigkeit prägt(e) unsere Gemeinschaft.

Ein wilder Trieb?

Bisher war die gemeinsame Feier der Eucharistie oder des Abendmahls eine aus unserer Gemeinschaft wie selbstverständlich herausgewachsene Frucht. Wir empfanden jedes Mal in diesem Akt in besonderer Weise die versöhnende Kraft Christi, eine Gemeinschaft, die sich eben nicht auf die Gleichheit der Traditionen oder Meinungen stützt, sondern die von außen - von Christus - gestiftet wurde. Viele Gottesdienstbesucher bezeugten diese Wahrnehmung. Wichtig für uns war, dass wir das gemeinsame Feiern nicht als eine demonstrative Handlung verstanden, nicht einmal als etwas besonders Außerordentliches, sondern als etwas, das wie von selbst gewachsen ist.

Das ökumenische Klima hat sich seit einem Jahr (nach der Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre ...) verschlechtert und ist nach dem Erscheinen des Dokumentes "Dominus Iesus" unberechenbar geworden. Ich sprach in der Sakristei meine Befürchtungen aus, dass es auch für uns schwierig werden könnte. Aber es war uns beiden völlig klar, dass wir nicht mehr hinter diese gewachsene Gemeinschaft zurück können und wollen. Wir würden im Verzicht auf das gemeinsame Mahl eine Unversöhntheit zum Ausdruck bringen, die zumindest zwischen unseren Gemeinden nicht mehr vorhanden ist. Wir standen zu unserem Entschluss, diesen Schritt zu tun.

Nach den Ereignissen der letzten Wochen ist klar: Wir werden in Zukunft nicht mehr gemeinsam Abendmahl oder die Eucharistie feiern. Dieser blütenreiche, schöne Trieb wurde als ein "wilder Trieb" zurückgestutzt. Wir können nicht mehr gemeinsam in dieser Weise feiern, weil die herzliche Leichtigkeit, der unbeschwerte Ausdruck versöhnter Verschiedenheit jetzt abhanden gekommen ist. Nun wäre ein solcher Schritt eine protesthafte Handlung und dazu kann wohl eine heilige Handlung nicht taugen.

Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, dass neue Triebe wachsen. Es gibt da wohl nur die zwei Möglichkeiten: Entweder man wartet bis ein Gärtner alles neu plant und die Abgrenzungen des Gartens verändert. Es stellen sich dann die Fragen: Wann soll das geschehen - und vor allem: Wer ist dieser Gärtner? Oder aber: Es beginnt so viel zu sprossen, dass der Garten sich von selbst verändert. (Einige wilde Triebe wird er gut aushalten ...)

Vor dieser Frage sehe ich die Ökumene. Man nannte sie noch vor kurzem "ökumenische Bewegung": Gemeinschaft und Vertrauen ist gewachsen, es kam viel in Bewegung, manche bestehende Grenzsteine wurden überwachsen mit einer ökumenischen Kultur. Der Garten war in Veränderung, nicht von irgendjemand konzipiert, sondern von der Wurzel her gewachsen.

Kommt jetzt der römische Kahlschnitt? Ökumene wird dann zu einer Schrebergartenanlage mit feinsäuberlich getrennten Parzellen. Ökumenische Zusammenkünfte dienen dann nicht mehr einer Bewegung, sondern höchstens dem Klarstellen der Grenzen und allenfalls einigen pragmatischen gemeinsamen Anliegen. Und eine dicke Hecke wird die ganze Anlage vor der feindlichen Welt abschirmen.

Die Vorfälle in Salzburg sind keine lokale Angelegenheit. Sie sind symptomatisch. Sie werfen Fragen auf: Wohin geht die Ökumene? Wie werden sich römisch-katholische und gleichzeitig ökumenisch gesinnte Christen in Zukunft verhalten?

Gilt es zu warten, bis der theologische Konsens so weit gedeiht, bis endlich die Einheit im gemeinsamen Mahl gefeiert werden kann? Ist es noch glaubhaft, wenn ständig eingewandt wird: "Wir sind noch nicht so weit"? Will man denn wirklich vorankommen?

Ein ernster Konflikt Ich meine, wir stehen vor einer sehr ernstzunehmenden Konfliktsituation: * Auf einer Seite steht römisch-katholisches Kirchenrecht, das nicht nur Katholiken ernstnehmen sollen, sondern in gewissemSinn auch die anderen Kirchen als Ausdruck des Respekts gegenüber der katholischen Anschauung. Auf der anderen Seite stehen nicht selten gewachsene Beziehungsstrukturen, die in der Achtung gelebter Gemeinschaft mindestens so zu würdigen sind.

* Da steht auf einer Seite die klare Differenz in verschiedenen traditionellen dogmatischen Interpretationen des Mysteriums des Heiligen Abendmahls. Aber auf der anderen Seite Jesu Forderung zur Weite und Toleranz (etwa: Mk 9,40), die uns auffordert, Verschiedenes an Meinungen stehen zu lassen, um sich im Gemeinsamen zu finden.

* Da beschäftigen sich auf einer Seite die Kirchen mit großem Aufwand damit, ob sie der Einladung Christi zu seinem Tisch gemeinsam Folge leisten können. Und auf der anderen Seite ist da eine überwiegende Mehrheit von Menschen, die die theologische Sprache nicht versteht und die längst mit Christus und noch weniger mit irgendeiner Kirche etwas anfangen kann.

Es stellt sich der Konflikt meiner Ansicht nach in aller Schärfe dar. Es geht um die missionarische Verantwortung und um die Glaubwürdigkeit der Kirchen. Sind sie in erster Linie ihrem Selbsterhalt verpflichtet, oder sind sie nicht mindestens so sehr den längst säkularisierten oder zumindest dogmatischen Diskussionen entfremdeten Menschen gegenüber verantwortlich?

Unsere gemeinsame Mission duldet keinen Aufschub von gelebten Zeichen der Versöhnung in bestehender Verschiedenheit. Dort, wo ökumenische Gemeinschaft wirklich gelebt wird, gilt: Wir sind längst so weit! Nicht dogmatisch, aber in der Notwendigkeit gelebten Zeugnisses der Versöhnung!

Der Autor ist Pastor der evangelisch-methodistischen Lukasgemeinde in Salzburg.

Auszüge aus dem Hirtenbrief des Salzburger Erzbischofs, der am 12. November zu verlesen ist: Die Kirchentrennung, so Eder, sei durch einen "kühnen Sprung der Liebe" nicht zu überwinden.

von Erzbischof Georg Eder Seit den Tagen der Apostel hält die Kirche daran fest, dass in der einen Eucharistie das einmalige Opfer Christi am Kreuz nicht wiederholt, aber gegenwärtig gesetzt wird durch die Worte des Priesters, die er in der Vollmacht Christi als Haupt der Kirche spricht.- Die Einheit der von Christus gegründeten Kirche ging verloren. Im Morgenländischen Schisma (1054) zerfiel diese Kirche in eine Ost- und eine Westkirche: die orthodoxe und die römisch-katholische Kirche. Im 16. Jahrhundert brach auch die Kirche des Abendlandes auseinander. [...] Im 18. Jahrhundert gab es in England eine Art "Erweckungsbewegung", getragen besonders von John und Charles Wesley - es bildete sich die "methodistische Kirche". Heute ist diese in etwa 70 verschiedene Mitgliedskirchen geteilt [...] Die weiteren Trennungen der "Freikirchen" und anderer christlicher Gruppen ist ohne Zahl. Johannes Paul II. nennt das zweite Jahrtausend ein "Jahrtausend der Spaltungen".

Aber auch die Sehnsucht wächst. Die Sehnsucht der vielen, die an Christus glauben, wieder zu einer Kirche zusammenzuwachsen, nur an dem einen Altar sich zu versammeln und mit einer Stimme Gott zu preisen. Das II. Vatikanische Konzil hat nicht nur den Katholiken, sondern auch den anderen christlichen Gemeinschaften einen mächtigen Auftrieb gegeben, die ökumenischen Bestrebungen wachsen vor allem durch die Bemühungen Johannes Paul II..

Der Weg zur vollen Einheit ist aber viel schwieriger und länger, als man in der Anfangseuphorie des Konzils glaubte. Wer, was kann die Einheit bewirken? Man könnte meinen, das eine Evangelium, das doch allen Christgläubigen gemeinsam ist, müsste zur Einheit führen. Leider ist es nicht so. All die verschiedenen "Kirchen" gehen mit diesem Evangelium predigen. Und lesen so Verschiedenes heraus (oder hinein), dass immer neue christliche Gruppen entstehen. So wird unsere eine Botschaft immer unglaubwürdiger. Wer wird uns noch Glauben schenken?

Nur eine Schneedecke Je länger ich darüber nachdenke, umso deutlicher wird mir, dass es doch die Eucharistie ist, die eine Eucharistie unter dem einen Hohenpriester Jesus Christus. Das aber ist heute (noch) nicht möglich. Weil die Auffassungen über Kirche, Amt, Priestertum noch "um Welten auseinander liegen", wie eine evangelische Superintendentin vor kurzem sagte. Die evangelische Kirche kennt zum Beispiel gar keine Eucharistie, sondern nur das "Abendmahl", sie hat das Sakrament der Weihe nicht; und andere Gemeinschaften haben noch mehr verloren. Diese tiefen Gräben, durch jahrhundertelange Trennung und theologische Kämpfe vertieft, können nicht durch einen kühnen "Sprung der Liebe" überwunden werden. Wer es dennoch versucht, macht es wie der Winter: Er deckt die Gräben mit Schnee zu. Diese dünne Schneedecke aber trägt nicht.

Wenn nun ein Priester die Eucharistie mit einem Amtsträger einer anderen christlichen Gemeinschaft - der ja als Laie keine priesterliche Vollmacht hat - feiert, täuscht er eine Eucharistie nur vor, denn diese ist nach katholischem Glauben ungültig. Priester der katholischen Kirche, die solches tun, führen ihre Gemeinde in die Irre, denn sie geben ihr statt des Leibes und Blutes Christi nur Brot und Wein. Dadurch entsteht aber ein immenser Schaden am katholischen Glauben und an der Einheit der Kirche, und die wahre (authentische) ökumenische Bewegung wird weit zurückgeworfen. Wie könnte ein Priester die Wiedervereinigung der getrennten Christen [...] dadurch fördern, dass er die eigene Kirche spaltet? Ja, der Leib Christi wird so von neuem gespalten! [...] Wer aber bewusst und wiederholt diese Interzelebration macht, handelt genau dem entgegen, dem "der Dienst der Einheit aufgetragen" ist. Diese Sünde wiegt schwer.

Hirten haben versagt Man hält dem entgegen, dass die Interzelebration schon "gängige Praxis" sei. Wenn die evangelische Landesbischöfin Maria Jepsen in Rom darauf hinweist, dass evangelische und katholische Christen in Pfarrgemeinden bereits gemeinsam Abendmahl feiern (sie sagt bewusst nicht Eucharistie, denn die gibt es bei ihnen nicht), dann muss das alle Bischöfe aufschrecken. [...]

Das II. Vatikanische Konzil spricht anders: "Die Bekehrung der Herzen und die Heiligkeit des Lebens in Verbindung mit dem privaten und öffentlichen Gebet ist für die Einheit der Christen als Seele der ganzen ökumenischen Bewegung anzusehen; sie kann mit Recht geistlicher Ökumenismus genannt werden". Wie viel arbeiten wir nach innen?

In den Medien wird viel Unsinn verbreitet. Man redet und schreibt kühn darauflos, ohne jegliche Kenntnis der Causa, noch weniger der Geschichte. Und es ist bitter zu beklagen, dass viele unserer treuen Kirchenbeitragszahler, aber auch unserer Sonntagschristen kaum noch etwas wissen über das Wesen der heiligen Messe. Wie kommt das? Was wurde denn in den vergangenen drei Jahrzehnten darüber gepredigt? Wie verschwindet trotz der Liturgieerneuerung das Verständnis für die Eucharistie? [...]

Wenn aber die Situation so ist [...] dann weist dies auf ein langjähriges Versagen der Hirten hin. Wir, die vom Herrn bestellten Wächter, haben unsere Pflicht schlecht erfüllt, wir sind säumig geworden. Wir Bischöfe haben uns viel zu wenig um die Herde gekümmert, wir haben die reißenden Wölfe eindringen lassen. An den Katholischen Fakultäten der Universitäten lehrten jahrzehntelang Professoren, die das katholische Dogma der Eucharistie - und andere katholische Wahrheiten - paralysierten. Im Religionsunterricht wurden und werden die eucharistischen Wahrheiten mit schweren Defiziten weitergegeben. Ja, die Hirten sind schuldig geworden, das Salz ist schal geworden, es wird bald zertreten werden.

Was ich in dieser Stunde der Not tun und sagen kann, ist das eine: Scharen wir uns um unseren Papst und noch mehr um unseren Herrn Jesus Christus - Dominus Jesus. Beten wir, beten wir! Beten wir an. Beten wir zu Maria, der Mutter der Kirche. [...]

Zum Thema: Sturm der Entrüstung Am 23. Oktober suspendierte Salzburgs Erzbischof Georg Eder den Stadtpfarrer von St. Paul, Peter Hausberger, weil dieser mit dem methodistischen Pastor Markus Fellinger gemeinsam die Eucharistie gefeiert hatte. Seitdem fegt ein Sturm der Entrüstung durch die Erzdiözese, viele Katholiken erklärten sich solidarisch mit dem Suspendierten, Hausberger selbst hat in Rom Rekurs eingelegt (wodurch die Suspendierung aufgeschoben ist). Erzbischof Eder verfasste zur Causa einen Hirtenbrief, der am kommenden Sonntag in den katholischen Kirchen verlesen werden soll. Die furche bringt Auszüge aus dem Hirtenbrief, gegen den evangelische und altkatholische Amtsträger sowie die Theologische Fakultät Salzburg bereits protestiert haben. Außerdem kommt jener methodistische Pastor zu Wort, mit dem Pfarrer Hausberger seit Jahren ökumenisch zusammenarbeitet. ofri

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