Erhard Busek  - © FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH

Erhard Busek : „Österreich muss Europa wiederfinden“

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Wie sollte sich Österreich in der EU neu positionieren? Und wie kann die Zustimmung zur EU wieder steigen?

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Wie sollte sich Österreich in der EU neu positionieren? Und wie kann die Zustimmung zur EU wieder steigen?

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In aller Deutlichkeit sei gesagt: Weder Europa noch die EU kamen in den Wahlauseinandersetzungen vor! Dabei ist es von entscheidender Bedeutung für Österreich, was sich gegenwärtig auf unserem Kontinent ändert. Das gilt nicht nur für die Fragen innerhalb der Europäischen Union (Bankenunion, Finanzierung, kommende Parlamentswahlen etc.), sondern auch für die europäische Befindlichkeit. Es ist unbedingt notwendig, dass sich Österreich überhaupt positioniert, da in den Nachbar- und Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch eigenartige Diskussionen zur Zukunft stattfinden. Was heißt das praktisch? Wir brauchen vor allem einen Dialog mit den Nachbarn wie etwa Ungarn, der letztlich durch die Donaurauminitiative (EUSDR - European Union Strategy for the Danube Region) sehr zweckmäßig gefördert wird. Überhaupt müsste man erkennen, dass eine regionalpolitische Positionierung Österreichs quasi unter der Überschrift "Mitteleuropa“ notwendig wäre. Dabei geht es nicht darum, historische Erinnerungen aufzufrischen, sondern die Zusammenarbeit der kleineren und mittleren Staaten in und für Europa zu befördern. Hier gibt es bei der Infrastruktur beginnend (Bahn, Straße, Donau, Flugverkehr) auch interessante Gebiete wie etwa die Bildung. Wir profitieren vom "brain drain“ von den Nachbarn, es sollte aber daraus eine "brain circulation“ werden. Hier ein "science network“ zu etablieren, wäre äußerst zweckmäßig.

Wir leben längst im Weltdorf

Ebenso brauchen wir ein Augenmerk auf die österreichischen Investitionen in unserer Nachbarschaft, da wir ganz entschieden hier an Tempo verloren haben. Gleiches gilt auch für Österreich als Standort von Investitionen. Es geht mir nicht darum, die Diskussion im Wahlkampf zu erneuern, sondern schlicht und einfach die Attraktivität des Landes selbst zu verbessern. Die Indikatoren der Entwicklung weisen darauf hin, dass wir an Attraktivität zu verlieren drohen. Es geht also nicht um die Belebung des Begriffes "absandeln“, sondern schlicht und einfach um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. In diesem Zusammenhang wäre es sicher richtig, wenn sich Österreich in der EU für einen neuen Konvent einsetzt, der durch Vertragsänderungen die Handlungsfähigkeit Europas sicherstellen soll. Warum ist das notwendig? Wir leben im "global village“, im Weltdorf, wo wir die Position unseres Kontinents neu definieren müssen. Man kann über den Bedeutungsverlust der USA philosophieren, entscheidend aber ist es, die Bedeutung Europas neu zu formulieren. Das ist im Interesse eines kleineren Staates, denn die größeren denken zu sehr singulär in ihre eigene Richtung, haben aber auch, wenn sie zehnmal größer sind als Österreich, keine globale Bedeutung! Wir haben es nach 1995 (Beitritt zur EU) unterlassen, die Positionierung Österreichs in Europa neu zu definieren. Für diesen Prozess ist es sicher nicht zu spät, im Gegenteil, er ist eine ganz große Aufgabe einer kommenden Regierung, wobei das auch im Zusammenhang mit jenen Oppositionsparteien geschehen soll, die dazu bereit sind. Europa ist die Wirklichkeit unseres Landes!

"Provinz“ ist eine Geisteshaltung

Europa ist auch die Wirklichkeit der Bevölkerungsentwicklung in Österreich. Ohne Migration wären wir ein aussterbender Staat, so aber wachsen wir sogar in der Bevölkerung. Man muss positiv feststellen, dass das Bewusstsein in der Integration gestiegen ist, einige Maßnahmen ergriffen wurden, aber eigentlich völlig vergessen wird, dass die Vielfalt die eigentliche Essenz von Europa ist. Es sollte einem Land, das von sich behauptet, ein Kulturland zu sein, klar sein. Wer Musik, Literatur, bildende Kunst und Architektur verfolgt, wird feststellen, dass das alles mitten in Europa zu Hause ist und sich in Österreich auf eine gewisse Weise widerspiegelt. Gerade wir sollten hier überzeugte Europäer sein, denn unsere Legitimation beziehen wir vor allem durch die Kultur. Es genügt nicht, damit zufrieden zu sein, dass das Neujahrskonzert überall gesehen wird, diverse Festspiele eine überragende Bedeutung haben und eine immer größer werdende Anzahl von Touristen an den kulturellen Orten zu finden ist. Dazu braucht es auch ein Wissen und ein Bewusstsein. Da gäbe es aber Bereiche, wo wir besser sein könnten, wenn ich etwa an die Medien, insbesondere den ORF oder das Verlagswesen denke - mehr noch ist es die Offenheit, die uns hier weitestgehend fehlt. Offensichtlich - ich verwende absichtlich einen altmodischen Ausdruck - gibt es keine entsprechende Volksbildung dazu. Dass aber Österreich dadurch auch für Europa interessant ist, sollte uns bewusst sein und zur Bereitschaft verhelfen, offen für die Vielfalt dieses Kontinents zu sein. Wir dürfen aus Provinzialismus Europa nicht verlieren. Provinz ist nämlich keine Region, sondern eine geistige Grundhaltung, die es in Österreich eigentlich nicht geben darf!

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