"Österreicher sind nicht kränker"

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Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Markus Beyrer, im Gespräch mit der Furche über die Ausdehnung des Erwerbszeitraumes und die Notwendigkeit eines flexiblen Arbeitsmarktes.

Die Furche: Wie kann das faktische Pensionsantrittsalter in Österreich erhöht werden?

Markus Beyrer: Es braucht neue Strategien im Bezug auf Arbeit und Alter. Und es muss das Scheunentor der Invaliditätspension zugemacht werden. Heute arbeiten die Österreicher durchschnittlich bis 59 Jahre (Frauen bis 57 Jahre), aber wenn die Möglichkeit der Invaliditätspension weiter so ausgeschöpft wird, dann sind wir in zwei bis drei Jahren weiter weg vom Regelpensionsalter 65 als heute.

Die Furche: Also den Zugang zur Invaliditätspension deutlich beschränken?

Beyrer: Man muss sich anschauen, wo die Lücke im Zugang ist. Wenn ich fast 40 Prozent aus diesem Titel habe, und der fast exorbitant mehr ist als in fast allen anderen europäischen Ländern - ich aber nicht davon ausgehe, dass die Österreicher um so viel kränker sind -, dann ist da im Zugang etwas faul. Dieses Scheunentor muss geschlossen werden, dazu braucht es aber den politischen Willen. Was nicht bedeuten soll, dass jene, die diese Art der Frühpensionierung brauchen, sie nicht bekommen dürfen.

Die Furche: Was bedeutet das in Hinblick auf die Pensionsreform?

Beyrer: Man wird auch die höhere Lebenserwartung in das Regelpensionsalter einfließen lassen müssen und auch bei den Nettoersatzraten wird sich auf Grund der Tatsache, dass wir alle immer älter werden, etwas ändern müssen. Hier geht es mir um einen fairen Mix.

Die Furche: Was halten Sie vom Pensionistenindex, der die Inflationsrate auf die Lebenssituation von Pensionisten abstimmt?

Beyrer: Ich bin der Meinung, es kann nicht so sein, dass jede Gruppe - wie Studenten, Kinder, Pensionsten - hergeht und einen Index konstruiert. So produziere ich Inflation, ohne dass sich real etwas verändert, da diese Indizes ja alle über der regulären Inflationsrate liegen. Klar, denn dafür werden sie ja gemacht. Ein jeder mit der für die eigene Interessensgruppe abgestimmten Gewichtung. Und am Ende des Tages treffe ich die, die ich schützen wollte, mit einer selbst konstruierten höheren Inflation.

Die Furche: Bevor man zu einem Pensionisten wird, soll man so lange arbeiten wie möglich. Nicht allen gelingt das. Nach dem Verlust der Arbeit kommt eine Umschulungs-Karriere, die oft im Nichts endet. Sind viele dieser Maßnahmen ganz einfach sinnlos?

Beyrer: Nein, Schulungen sind per se nicht sinnlos. Man muss sich einfach ansehen, in welchem Bereich sie stattfinden. Was dazu kommt ist, dass je flexibler der Arbeitsmarkt ist, Menschen desto leichter eingestellt werden. Der Schutz verschiedener Arbeitnehmer-Gruppen führte in der Vergangenheit oft zu Nachteilen, wie zum Beispiel beim Verbot der Frauennachtarbeit.

Die Furche: Wie flexibel muss also der Arbeitsmarkt sein, und wie viel Sicherheit verträgt er?

Beyrer: Der Sicherheitsbegriff muss sich ändern: "Von es muss sicher sein, dass man den aktuellen Job behalten kann" zu "Es ist sicher, dass man möglichst bald wieder eine neue Arbeit findet".

Die Furche: Ein flexibler Arbeitsmarkt ist vor allem auch offen. Was spricht gegen eine sofortige Öffnung für alle EU-Bürger?

Beyrer: Die Industriellenvereinigung war immer für eine komplette Öffnung, weil wir glauben, dass es der Arbeitsmarkt verträgt, aber wir sind auch politische Realisten. Bis 2009 müssen wir zumindest sektoral öffnen, wo es notwendig ist, und nach 2009 muss der Arbeitsmarkt sowieso komplett geöffnet werden, alles andere wäre vor dem Hintergrund des Facharbeitermangels kontraproduktiv. Diesbezüglich müssen wir auch mehr Anreize zur Lehrlingsausbildung setzen und das Zuwanderungsgesetz ändern. Wer im Land ist, muss auch arbeiten dürfen.

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