Offenes Wort, klares Denken

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In einer Wüstenzeit, so Christoph Schönborn, befinde sich gegenwärtig die Theologie. Dies konstatierte Wiens Erzbischof in einem Vortrag, den er vor einiger Zeit in Italien bei einem Seminar des "Athenaeum Regina Apostolorum", der Ordenshochschule der "Legionäre Christi", hielt: Die wahre Lage der Theologie sei eine der Armut, des Mangels an Größe, des Mangels an großer Inspiration.

Unter anderem kritisierte der Wiener Kardinal, die heutige Theologie bewerte die Geschichte und den geschichtlichen Kontext von Glaubensaussagen zu stark; außerdem gebe es "theologische Modelle" wie es Automodelle gebe, aus denen man sich das wählen könne, das einem zusage, aber, so Schönborn: "Das Studium der Theologie ist nicht eine Frage der Modelle, sondern eine Frage der Wahrheit."

Schließlich konstatierte der Erzbischof, daß vielfach der Autor oder Urheber einer theologischen Richtung bedeutender geworden sei als der Inhalt. Die westliche Theologie sei so zu einer großen "Enzyklopädie" geworden, in der man Modelle, Autoren und so weiter nachschlagen könne, wo aber nicht eine organische Struktur zu finden sei. Außerdem beschäftige sich die Theologie zur Zeit vielfach mit sekundären Probleme und nicht mit den primären Erfahrungen. Das sei, so Schönborn, als ob man anstatt Musik direkt zu erleben, sich nur CD's anhöre.

Die hier kursorisch wiedergegebene Kritik Schönborns (der Vortrag kann, in englischer Sprache, im Internet unter http://www.ateneo.org/mof/schoen11.htm nachgelesen werden) gibt im wesentlichen eine verbreitete "konservative" Argumentation wieder.

Andere Sicht bietet der Tübinger Theologe Dietmar Mieth im Band "Bindung an die Kirche oder Autonomie" (vgl. Buchtip Seite 16), wo er die theologischen Wege der letzten Jahre benennt: neben Konzilstheologen des II. Vatikanums und der darauffolgenden Generation weist er auf den befreiungstheologischen und interkulturellen Aufbruch der Theologie hin, auf die ökumenische und die interreligiöse Dimension und auf die Frage, daß die Fachgrenzen der Theologie zu überschreiten sind. Mieth: "Die Theologie wird sich nur dann akademisch behaupten, wenn sich jeder Theologe, jede Theologin auch außertheologisch in einem wissenschaftlichen Felde zu behaupten weiß."

Die Erwartungen an dieTheologie, sind demnach mannigfaltig. Theologie heute muß vieles sein: interdisziplinär (um etwa mit den Biowissenschaften im Gespräch zu bleiben oder mit der Mediengesellschaft), ökumenisch und interreligiös orientiert, die Sprache und die Lebenswelt der Menschen wahrnehmend (Wie ist heute von Gott zu reden, welche Sprache muß die Kirche sprechen?). All dies bedeutet nichts weniger als eine Stube offenen Wortes und klaren Denkens in (produktiver, nicht erwürgender) Spannung mit den Glaubenshütern. Die Dimension der Gottesbegegnung und -erfahrung kann dabei - auch wenn manche Gegenteiliges befürchten - nicht ausgespart bleiben.

Theologie darf so auch kein fest verschlossenes Gebäude sein. Daß die Innsbrucker Katholisch-theologische Fakultät als Eröffnungs-Festmusik am 10. März die "Unvollendete" von Schubert spielen läßt, ist da wohl ein absichtsvolles Zeichen.

Zum Dossier Am 10./11. März wird die renovierte Theologische Fakultät der Universität Innsbruck eröffnet. Als erste Theologische Fakultät implementiert Innsbruck auch das Universitätsorganisationsgesetz 1993, was eine Neustrukturierung zur Folge hat. Das Furche-Dossier beleuchtet, ausgehend von der Innsbrucker Reform, drei wichtige Aspekte, die die katholische Theogie heute bestimmen: Kirche, Öffentlichkeit, Universität.

Theologie & Kirche, Theologie & Öffentlichkeit, Theologie & Universität Mit Freude innerhalb der Kirche wirken Raymund Schwager, Innsbruck, Dogmatiker und Dekan Es gibt zahlreiche ... Gründe für die akademische Theologie ... ein positives Verhältnis zur hierarchischen Kirche aufzubauen. Selbst wenn offene Fragen und Wunden bleiben, dürfte auch hier gelten, was im zwischenmenschlichen Bereich wichtig ist: ein reifer Mensch kann einen anderen auch dann achten und lieben, wenn dieser Fehler hat. Die akademische Theologie hat genügend eigene Mängel, um auch mit Mängeln in der Kirche etwas nachsichtig zu sein. Sie wird auf alle Fälle nur dann größere Lebensrelevanz gewinnen, wenn sie neue Zuversicht gewinnt und mit Freude innerhalb der Kirche wirkt. Seite 14 Unter der Devise: Religion ist privat Jo'zef Niewiadomski, Innsbruck,Dogmatiker Die Selbstverständlichkeit mit der man die Existenz der Theologischen Fakultäten an den öffentlichen Universitäten akzeptiert hat, ... schwindet ... Die Entwicklung stellt auch eine nur allzu konsequente Folge eines neuzeitlich-aufklärerischen Umgangs mit der Religion dar. Religion sei Privatsache, lautete da die Devise. Was soll darunter noch verstanden werden? Die Tatsache, daß der Staat sich in die Sachen der Religion - solange sie die öffentlich relevante Ordnung nicht stören - nicht einzumischen habe? Oder aber das Faktum, daß jeder seine Religion frei wählen, inzwischen auch frei basteln kann? Seite 15 Hoffnungen & Ängste rational aufarbeiten Roman A. Siebenrock, Innsbruck,Fundamentaltheologe Die Biowissenschafter entschlüsseln den Code des Lebens und beginnen, den Menschen als Ware technischer Reproduktion zu modellieren. Mit jedem Wissensschritt wächst die Verantwortung. Wenn sich die Gesellschaft über diese Überlebensfrage Rechenschaft geben will, dann muß die Universität mehr sein als Ausbildungs- und Forschungsstätte ... Sie braucht ein Modell, mit dem weltanschauliche Grundfragen ... rational, das heißt in Dialogbereitschaft mit allen Mitmenschen, aufgearbeitet werden können. Die Theologie bringt in die Universität die längste Erfahrungsgeschichte in dieser Aufgabe ein. Seite16

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