"Ohne Frieden ist nichts möglich“

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Auch die in Rom gegründete Laiengeminschaft "Sant’Egidio ist im Gefolge des II. Vatikanums entstanden. Zu deren sozialem Engagement gesellt sich seit den 80er-Jahren auch internationale Konfliktlösung.

Die rotbraune Hausfront und die kleine Eingangstür sind im römischen Gassengewirr leicht zu übersehen. Gleich ums Eck der Kirche von Santa Maria in Trastevere liegt die Piazza Sant’Egidio - namensgebend für die Gemeinschaft von Sant’Egidio, eine internationale katholische Laienbewegung, gegründet 1968 nach dem II. Vatikanum. Für ihre Friedensarbeit wurde die Gemeinschaft mehrfach ausgezeichnet.

"Sant’Egidio sieht die Friedensmission als direkte Fortsetzung der Arbeit für Arme, Kranke, Alte, Straßenkinder, Drogenabhängige und Aidskranke. Es geht nicht um soziale Hilfeleistungen, sondern um Gemeinschaft und Freundschaft“, sagt Mauro Garofalo, Archäologe, Langzeitmitglied der Gemeinde und wie alle in Sant’Egidio ehrenamtlich tätig. Im Mittelpunkt stehen gemeinsames Gebet und Bibellektüre - und die Umsetzung des Evangeliums im täglichen Leben. "Frieden ist zu wichtig, um ihn den offiziellen Stellen zu überlassen“, zitiert Garofalo Papst Johannes Paul II.

Die Befriedung von Mosambik

Begonnen hat die Friedensarbeit von Sant’Egidio Ende der 1980er-Jahre im Bürgerkrieg in Mosambik. Die afromarxistische FRELIMO verfolgte u.a. die Gruppen von Sant’ Egidio, da sie als Agenten der alten Kolonialmacht Portugal galten. Zunächst gelang es, Vertreter der katholischen Kirche und der FRELIMO an einen Tisch zu bringen. Schließlich wurde durch Vermittlung von Sant’Egidio 1992 ein dauerhafter Frieden zwischen allen Konfliktparteien ausgehandelt. Seither waren Mitglieder von Sant’ Egidio unter anderem in Konflikten in Liberia, Kosovo, Sudan, der Elfenbeinküste und Guatemala als Vermittler tätig. Manchmal bietet die Gemeinschaft nach Jahren der Beobachtung in einem günstigen Moment ihre Hilfe für Friedensverhandlungen an, erzählt Mauro Garofalo. Aber manchmal klopfen auch Konfliktparteien an die Tür von Sant’Egidio - 2010 zum Beispiel baten Leute aus Niger um Unterstützung für den nationalen Versöhnungsprozess nach einem Militärputsch. Zwei intensive Wochen lang saßen Vertreter politischer Parteien, des Militärs, traditionelle Führer und Gewerkschafter mit einander an einem Tisch - allesamt Muslime. Am Ende konnte man sich auf einen Appell für Frieden und Versöhnung einigen, der faire und freie Wahlen unterstützte. "Niger ist heute ein demokratischer Staat mit all den dazugehörigen Problemen, in dem hart für die Etablierung der Demokratie gearbeitet wird“, sagt Mauro Garofalo mit einigem Stolz.

Sant’Egidio ist ein "Haus des Friedens“ im Wortsinn. "Wir sind eine christliche Gemeinschaft, und wer kommt, der kommt um des Friedens willen. Sant’Egidio hat keine Macht, etwas zu erzwingen oder jemanden zu bedrohen. Eine Instanz mit dem Recht zu strafen, kann nicht vermitteln.“

Raum für ungestörte Gespräche

Der besondere Beitrag von Sant’ Egidio ist, dass die Gemeinschaft mitten in Rom einen offenen Raum für ungestörte und vertrauliche Gespräche anbietet. Hier gibt es keinen Druck - weder durch direkte Gewalt wie in Konfliktländern noch Druck durch militärische, politische oder ökonomische Interessen. Internationaler Organisationen und Medien haben keinen Zutritt. Gerade laufen hier zwei, drei Friedensgespräche, sagt Garofalo, aber erfahren wird die Öffentlichkeit davon nur, wenn alle sich auf ein gemeinsames Statement einigen können.

Auch die jährlichen internationalen Friedenstreffen sind wichtiger Teil der Arbeit von Sant’ Egidio. Das Treffen 2012 in Sarajewo brachte erstmals seit dem Ende der Jugoslawien-Kriege Juden, Muslime, katholische und orthodoxe Christen zusammen - nach über einem Jahr vertrauensbildender Vorarbeiten.

Sant’Egidio ist heute eine afro-europäische Gemeinschaft, sagt Garofalo. Rund die Hälfte der Mitglieder lebt in Afrika, der Vizepräsident ist Afrikaner. Europa und Afrika haben ein gemeinsames Schicksal, sie müssen gemeinsam wachsen. "Krieg ist die Mutter aller Armut. Ohne Frieden ist nichts möglich. Mit Frieden alles.“

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