Operation Luxor - © UNK

"Operation Luxor" und Muslimbrüder: Vermisste Symbolpolitik

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Analyse: Dass die Razzia gegen mutmaßliche Angehörige der Muslimbruderschaft zumindest teilweise rechtswidrig war, überraschte Rechtskundige kaum. Ein Armutszeugnis für die heimische Islampolitik.

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Analyse: Dass die Razzia gegen mutmaßliche Angehörige der Muslimbruderschaft zumindest teilweise rechtswidrig war, überraschte Rechtskundige kaum. Ein Armutszeugnis für die heimische Islampolitik.

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Auch FURCHE-Herausgeber Heinz Nußbaumer beklagt in seiner dieswöchigen Kolumne den Generalverdacht gegenüber den Musliminnen und Muslimen im Lande. Die „Operation Luxor“, die am 9. November des Vorjahres gegen mutmaßliche Angehörige der Muslimbruderschaft in Österreich stattfand, wurde jedenfalls in der muslimischen Community als Ausdruck dieser (politischen) Feindseligkeit verstanden. Dass die von 930 Polizisten durchgeführte Großrazzia in der Anwendung der Mittel überschießend und in Bezug auf die Verdachtslage in Sachen Terrorismus dünn war, wurde in den Medien wie auch unter Rechtskundigen wiederholt thematisiert.

Dass nun das Oberlandesgericht Graz neun Beschwerden gegen die Razzia gefolgt ist und die jeweiligen Maßnahmen für rechtswidrig erklärt hat, war da nicht überraschend – weitere Verfahren sind noch anhängig und nicht entschieden. Ein herber Rückschlag, auch symbolpolitisch, für die Regierungspolitik: Bilder von ­Regierungsmitgliedern wie Innenminister Karl Nehammer im Umfeld der Razzia sollten Härte zeigen – insbesondere nach dem islamistischen Terroranschlag des 2. November in Wien. Doch auch im Zuge der Ermittlungen des Wiener Anschlags war von der Muslimbruderschaft nicht die Rede.

Dass diese religiös-politische Gruppierung im Fokus heimischer Sicherheitsoperationen war, mag auch mit der Studienlage zu muslimischen Organisationen im Lande zu tun haben. Die von Integrationsministerin Susanne Raab vor Jahresfrist ins Leben gerufene Dokumentationsstelle Politischer Islam hatte Ende 2020 als ersten Bericht eine Studie zur Muslimbruderschaft in Österreich vom US-Politologen Lorenzo Vidino vorgelegt, der dem wissenschaftlichen Beirat der Doku-Stelle angehört, welcher vom Münsteraner Islamtheologen und FURCHE-Kolumnisten Mouhanad Khorchide geleitet wird. Vidinos Studie beruht im Wesentlichen auf dessen bereits im Nationalratswahlkampf 2017 publizierter Arbeit „The Muslim Brother­hood in Austria“, die bereits damals umstritten war.

Warum Fokus auf Muslimbruderschaft?

Der Fokus auf die Muslimbruderschaft erscheint auch deswegen hinterfragenswert, weil die eher unter arabischstämmigen Muslimen verankerte Gruppierung schon durch die Änderung der Machtverhältnisse in der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) viel weniger relevant wurde: Denn seit Beginn der 2010er Jahre dominierten die Islamorganisationen türkischer Provenienz die IGGÖ. Vor einigen Wochen hat die Doku-Stelle Politischer Islam auch dazu – neue – Studien vorgelegt, und zwar über die mit Ankaras Religionsministerium Diyanet verbundene ATIB (die größte Islamorganisation im Lande), die auf den türkischen Islamisten Necmettin Erbakan zurückgehende Millî-Görüş-Bewegung sowie Organisationen der „Grauen Wölfe“ in Österreich.

Diese Studien scheinen weitaus relevanter und aufschlussreicher, insbesondere, was die Verbandelungen des Erdoğan-Regimes mit den muslimischen Communitys betrifft. Aber auch diese – durchaus aussagekräftigen – Analysen zeigen wohl problematische und diskussionswürdige Entwicklungen auf, aber halten kaum für Terrorismusverdacht her.

Ausnahme dabei ist die Studie zu den „Grauen Wölfen“, die hierzulande unter dem Dach der Türkischen Föderation zu finden sind, die in den letzten Jahren für rechtsextreme Ausschreitungen im türkischen Milieu verantwortlich zeichnen: Dabei handelt es sich aber um die türkisch-nationalistische Spielart einer muslimischen Gruppierung, die diesbezüglich auch polizeibekannt ist: Deren „Wolfsgruß“ ist ja in Österreich mittlerweile verboten.

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