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Westeuropa ist das Katastrophengebiet der christlichen Kirchen. Tatsächlich weisen viele religionssoziologische Indikatoren in diese Richtung: die Glaubenssubstanz verdunstet, viele - auch wenn sie (noch) religiös sind - ziehen sich aus dem kirchlichen Leben zurück. Die Zahl der regelmäßigen Kirchgänger sinkt, wobei nach Ausweis langjähriger Forschung gerade der Kirchgang jenes Merkmal ist, das auf die Stärke der Bindung einer Person an das Evangelium schließen läßt. Rückläufig ist die Zahl der Priester. Viele christliche Gemeinden erleben keinen Priester mehr in "Ruf- und Reichweite". Das führt zu einem Verlust personbezogener Seelsorge bei den Priestern sowie zur Ausdünnung der eucharistischen Mitte. Ein tiefgreifender Übergang findet statt. Übergänge mit katastrophalen Dimensionen sind bedrohlich offen: Eine neue lebendige Gestalt kann erblühen. Aber auch Untergang ist möglich: Einst blühende Kirchengebiete in Kleinasien oder Nordafrika sind heute nicht mehr am Leben.

Ein Moment an der Bedrängnis westeuropäischer Kirchen - zumeist übersehen - ist das Sterben der alten Orden. Viele Kommunitäten sind hochüberaltert, Mitglieder unter 40 sind eine Seltenheit. Nach und nach werden Einrichtungen "übergeben", an Diözesen, an Vereine, an öffentliche Stellen: Krankenhäuser, Schulen, Bildungszentren. Damit verlieren die Kirchen, zumal die katholische, eine ihrer stärksten Seiten: die handfeste Nächstenliebe, die sich nicht in Worten, sondern an Orten ereignet. Es ist noch gar nicht abzusehen, wie Österreich, liebevoll als Klösterreich bezeichnet, aussehen wird ohne diesen Reichtum der Klöster und noch mehr ihrer gesellschaftlichen Dienste.

Aber vielleicht kommt wieder eine Generation, der es nicht allein um die Modernisierung von Strukturen, um die Umverteilung von Kirchenmacht, um die Flucht aus dem "Lebensdienlichen" in ein undienliches Amt, um die "Liberalisierung" des Evangeliums in Sinn von Marscherleichterung geht, sondern um riskierte Freiheit in der Form der Nachfolge in einer Ordensgemeinschaft. Es wäre dem Land und der Kirche zu wünschen.

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