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Orthodoxes oder liberales Judentum: Wer spricht mit den Christen?

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Eine innerjüdische Kontroverse um die Führung des Gesprächs mit den Christen.

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Eine innerjüdische Kontroverse um die Führung des Gesprächs mit den Christen.

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Viele Jahre war es im christlich-jüdischen Gespräch ein Problem, dass es in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg in den christlichen Großkirchen auch offiziell das Bemühen um das Gespräch mit dem Judentum gab und gibt, dass aber oftmals das genuin jüdische Interesse am Dialog mit Christen enden wollend war. Während etwa in der katholischen Kirche auf dem II. Vatikanum mit der Erklärung „Nostra Aetate“ (1965) eine Abkehr von der jahrhundertealten Theologie der Verachtung gegenüber dem Judentum eingeläutet wurde, blieb eine jüdische Antwort darauf zunächst aus. Erst im Jahr 2000 wurde das von mehr als 200 Rabbinern vorwiegend aus den USA und dem Bereich des liberalen Judentums unterzeichnete Dokument „Dabru emet – Sagt die Wahrheit“ als eine starke rabbinische Stimme hörbar, die die Entwicklungen in den christlichen Kirchen gegenüber dem Judentum ausdrücklich würdigt. 15 Jahre später folgte erstmals eine explizite Anerkennung der christlichen Bemühungen durch 60 orthodoxe Rabbiner in einem eigenen Dokument und 2017 folgte eine ähnliche Erklärung unter dem Titel „Zwischen Jerusalem und Rom“ der Europäischen Rabbinerkonferenz.

Nun ist im deutschsprachigen Judentum eine heftige Kontroverse über den Umgang mit dem und das Verhältnis zum Christentum aufgepoppt. In der Märzausgabe Herder Korrespondenz schrieb der Darmstädter Rabbiner Jehoschua Ahrens, der auch der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands angehört und seit Jahren im interreligiösen Dialog engagiert ist, einen streitbaren Essay, in dem er argumentiert, dass im 18., 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem orthodoxe Rabbiner im Dialog mit dem Christentum gestanden seien. Das liberale Judentum hingegen, so Ahrens, habe das Judentum als dem Christentum überlegen betrachtet, Ludwig Philippson, der führende liberale jüdische Theologe, habe das Christentum gar als „Mysterienreligion“ abgewertet.

Liberales Judentum: „Nischenphänomen“?

Ahrens konzediert in seinem Beitrag, dass in den 1960er und 70er Jahren „Einzelpersonen“ aus dem liberalen Judentum im Dialog mit den Christen engagiert waren – er nennt etwa Ernst Ludwig Ehrlich, Schalom Ben Chorin oder Nathan Peter Levinson – aber er bezeichnet dies als „Nischenphänomen“ und bestreitet vor allem, dass das liberale Judentum größeren Anteil am Dialog mit den Christen habe als das orthodoxe. Im Gegenteil, meint Ahrens, würden orthodoxe Rabbiner Jesus eine theologische Bedeutung als Heilsbringer für die Völker entgegenbringen und für einen Dialog auf Augenhöhe mit den Christen stehen.

Einen Monat später meldeten sich Andreas Nachama, Vorsitzender der – liberalen – Allgemeinen Rabbinerkonferenz in Deutschland und jüdischer Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, sowie Walter Homolka, Rektor des Abraham-Geiger-Kollegs (siehe oben), mit einer scharfen Replik zu Wort.

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