Papst entscheidet Bischofsstreit (noch) nicht

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"Der Papst betont,'dass die Eucharistie nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen ist'."

Am vergangenen Donnerstag war in Rom ein Termin mit Seltenheitswert anberaumt. Zwei Delegationen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) trafen in den Räumen der Glaubenskongregation aufeinander, um einen Konflikt zu bereinigen, der die Bischofskonferenz erschüttert.

In ihrer Frühjahrsversammlung hatten sich mehr als zwei Drittel der Bischöfe für eine pastorale Handreichung ausgesprochen, die den Kommunionempfang für nichtkatholische Partner in konfessionsverbindenden Ehen ermöglicht. Dafür werden Begründungen angeführt und Bedingungen genannt, die in mehreren Arbeitsgängen die Anliegen der Minderheit berücksichtigten, ohne die Richtungsentscheidung der Mehrheit aus den Augen zu verlieren. Nach der Abstimmung wandten sich die unterlegenen Bischöfe an die nächsthöhere Instanz: die zuständigen römischen Dikasterien, letztlich den Papst.

Eine Linie wurde überschritten

In Anwesenheit des Präfekten der Glaubenskongregation, Erzbischof Luis Ladaria, sowie von Kardinal Kurt Koch als Präsident des vatikanischen Einheitssekretariats legten die Vertreter der jeweiligen Fraktionen nun ihre Positionen dar. Dass es sich um Fraktionen handelt, machte die Zusammenkunft unmissverständlich deutlich -nicht nur, weil man offensichtlich getrennt angereist war. Ein Riss geht durch die DBK, seit Jahren. Viel Aufwand haben ihre Vorsitzenden betrieben, um die Einheit der Konferenz und ihre Handlungsfähigkeit zu wahren.

Mit dem Appell der sieben Bischöfe scheint eine Linie überschritten. Der Ton wird seitdem schärfer. Aus gutem Grund. Denn es geht in diesem Streit um mehr als seinen Anlass. Er berührt das Kirchenrecht, das seine Regeln an konkrete Fälle vermitteln muss, ohne die Rechtskultur preiszugeben. Er greift in das Selbstverständnis der Kirche ein, die sich als Zusammenhang von Orts-und Universalkirche begreift, aber genau an diesem Punkt ihre Einheit riskiert. Denn was in Deutschland möglich sein soll, kann woanders kaum verboten bleiben. Die Suche nach umfassender Einheit treibt gerade die Bischöfe an, die auf die ökumenische Bedeutung ihres Vorschlags zum Kommunionempfang schauen. Was soll die Hoffnung auf eine Einheit der Kirchen noch besagen, wenn sich die ablehnende Haltung der Minderheit durchsetzt? Bleibt am Ende nur das Signal einer Rückkehr-Ökumene?

Nicht zuletzt besitzt dieser Streit eine politische Dimension. Es geht um die Ausrichtung des gegenwärtigen Pontifikates. Auf dieser Fallhöhe wird der Streit ausgetragen. Dabei ist es nicht so, als hätten die sieben Appellierbischöfe nicht gewichtige Argumente. Schließlich verändert die Handreichung eine Position, die lange Zeit als ebenso unantastbar galt wie der Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen, den eine Bischofssynode 2015 ermöglichte. Dieser Schritt greift tiefer in die katholische Lehrtradition ein, als der pastorale Anlass vermuten lässt.

Er steht im Zusammenhang mit einer Reihe von Perspektivwechseln, die sich im Pontifikat von Franziskus vollziehen: über das Diakonat der Frau wird nachgedacht, Segnungen homosexueller Paare stehen zur Diskussion und eben die weitreichenden Öffnungen beim Kommunionempfang. Wie lässt sich das aber mit der Lehrpraxis der letzten Päpste verbinden? Das Interesse an einer rechtlich sicheren Auskunft und einer theologisch soliden Begründung ist vor diesem Hintergrund berechtigt.

Im Zeichen der Verwandlung

Ansätze dafür liefert der Papst selbst mit seiner Interpretation des Evangeliums. Im nachsynodalen Schreiben "Amoris laetitia" hält er gleichsam als hermeneutische Regel fest, "dass die Liebe Gottes bedingungslos ist"(Nr. 108). Sie kann und soll verwundetes Leben verwandeln. Die Eucharistiefeier ist dafür der kirchliche Ort schlechthin. In ihr verwandelt sich Tod in Leben. Das erfahrbar zu machen, ist für den Papst entscheidend. Deshalb betont er, "dass die Eucharistie nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen ist".(AL Anm. 351) Das muss kirchliches Handeln bestimmen. Die Eucharistiefeier ist kein bloßes Ritual. Sie soll "das Leben verwandeln"(Evangelii gaudium Nr. 138). Es ist die eucharistische Theologie von Franziskus, die auch Tradition im Zeichen von Verwandlung versteht.

Veränderungen kirchlicher Lehrpraxis gerade im Zusammenhang mit der Eucharistiefeier bedürfen differenzierter Wahrnehmung konkreter Lebenssituationen und einer Prüfung von Einzelfällen. Für den Papst schließt das ein, "dass nicht alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen durch ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden müssen. Selbstverständlich ist in der Kirche eine Einheit der Lehre und der Praxis notwendig; das ist aber kein Hindernis dafür, dass verschiedene Interpretationen einiger Aspekte der Lehre oder einiger Schlussfolgerungen, die aus ihr gezogen werden, weiterbestehen."(AL Nr. 3)

Dieser Grundsatz des Papstes macht auch die aktuelle römische Empfehlung verständlich, die offene Frage der deutschen Bischöfe noch einmal vor Ort zu diskutieren. Dabei fällt auf, dass sich im Rückreisegepäck der Bischöfe keine inhaltliche Empfehlung findet. Es wird auch nicht das Recht bestritten, eine Entscheidung für die Kirche in Deutschland zu treffen.

Ist das Ende wirklich offen?

Wohl legt der Papst Wert darauf, "im Geist kirchlicher Gemeinschaft eine möglichst einmütige Regelung zu finden". Was wie ein diplomatischer Aufschub wirkt, ist wohl kalkuliert, denn Einheit ist ein hohes Gut. Wenn die Position der Mehrheit allerdings theologisch unmöglich wäre, hätte Rom bereits entschieden. Zumal eine Initiative, die etwas verändern will, unter besonderem Rechtfertigungsdruck steht. Die Latte scheinen die Bischöfe um Kardinal Reinhard Marx nicht gerissen zu haben. Es bleibt Spielraum für Nachbesserungen und Präzisierungen, aber auch für eine Entscheidung der Bischofskonferenz. Dafür gibt es nun Zeit.

So hat es der Papst selbst gehalten. Nach der Bischofssynode 2014 ließ er Spielraum für weitere Diskussionen, bevor eine gemeinsame Entscheidung fiel. Das entspricht dem Stil des letzten Konzils. Damals ist die Kirche gut damit gefahren, die Minderheit nicht einfach niederzustimmen, sondern ihren Bedenken Raum zu geben. Dennoch hat das Konzil seine Grundsatzentscheidungen durchgehalten. Und heute? Was die klare Mehrheit der deutschen Bischöfe für möglich hält, kann das wieder unmöglich werden? Das Votum der DBK aus dem Frühjahr lässt sich jedenfalls nicht mehr aus der Welt schaffen. Das weiß auch der Papst.

Sonst hätte er Kardinal Marx nicht zur Beratung nach Hause entlassen. Ende wirklich offen?

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