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Aus der Fülle von (Neu-)Erscheinungen: Drei neue (alte) Bücher rund um die Wahl Benedikts XVI.

Schnell wollen Autoren und Verlage sein, wenn Großereignisse wie eine Papstwahl die Welt mit einer neuen Top-Persönlichkeit beschenken. Das ist im Fall Joseph Ratzingers/Benedikts XVI. nicht anders: Allein im deutschen Sprachraum sind in den letzten Wochen so viele Bücher zum und über den deutschen Papst erschienen, dass Vollständigkeit in der Rezension unmöglich scheint. Außerdem hat der neue Pontifex selbst eine große Zahl an Werken verfasst, die nun ebenfalls wieder auf den Markt geworfen werden. Aus der Fülle des schnell Gedruckten drei - der Furche nahe stehende - Beispiele: eine komplette Neuerscheinung, eine aktualisierte Überarbeitung sowie der Neudruck einer Ratzinger-Biografie.

Realistische Prognostik

Der Publizist und Furche-Kolumnist Hubert Feichtlbauer versucht in seinem Buch "Neuer Papst - Hoffnung für wen?" vor allem eine prognostische Bewertung des angehenden Pontifikats. In gewohnter Lesbarkeit nähert er sich dem neuen Papst in 13 Kapiteln, in denen er die Vorgänge rund ums Konklave ebenso zu erhellen sucht (er referiert dabei auch die Mutmaßungen des Time Magazine über Ratzingers generalstabsmäßige Planung seiner Wahl), wie er Ratzinger-Positionen und -Einordnungen knapp, aber nachvollziehbar zusammenfasst.

Feichtlbauers Horizont zeigt sich an der ausgebreiteten Fülle von Medienlektüre der letzten Monate, wobei er da auch die Furche ausgiebig zitiert. Er kommt aber vor allem bei der Frage an, wie sehr sich dieser Papst auf die Welt und ihre Probleme einlassen wird. Explizit schildert er dabei im 11. Kapitel die leidigen Forderungen der Kirchenreformer - Frauenfrage, Bischofsernennungen, Zentralismus, Sexualmoral...: Ratzinger wird dabei zweifelsohne, das sieht auch Feichtlbauer, ein harter Knochen bleiben. Doch versteigt sich der Autor nicht in Fundamentalopposition, sondern formuliert vorsichtig Erwartungen - etwa in der Ökumene, der Auswahl "besserer" Bischöfe oder beim Religionsdialog.

Eine leicht zugängliche Zusammenschau realistischer Erwartungen und zu erwartender Konfliktlinien ist Feichtlbauer gelungen; mitunter spürt man ein wenig die Eiligkeit des Unterfangens - wenn etwa Pius X. da steht, wo es um den IX. geht; prophetisch fast, wenn im Buch aus dem Alterzbischof von San Francisco, John Quinn, der Aufsehen erregende Vorschläge zur Reform des Papsttums gemacht hat, ein Kardinal wird: Leider ist dem in Wirklichkeit nicht so - wie sehr würde man sich aber ein Konklave wünschen, in denen ein Reformer wie John Quinn die Stimme erhebt!

Wohltuende Auffaltung

Einen anderen Zugang wählte der frühere Furche-Chef und heutige Wiener Zeitungs-Redakteur Heiner Boberski mit "Habemus Papam": Boberski hat darin sein zuletzt 2001 aufgelegtes Konklave-Buch "Der nächste Papst" überarbeitet und auf die neuen Verhältnisse hin aktualisiert. Das hat den Vorteil, dass er die gediegene und ausführliche Recherche der Vorgänger-Auflagen auch in die Neuerscheinung einfließen lassen konnte: Was nach dem Tod eines Papstes geschieht, erlebte die Weltöffentlichkeit ja mit; das aber in den Zusammenhang von 2000 Jahre Papstgeschichte gestellt, erleichtert die erinnernde Einordnung: Nach den medialen Aufgeregtheiten rund um Papsttod und -wahl tut die nüchterne, aber penibel aufgeführte Auffaltung der Entwicklungen des Papsttums inklusive allerlei Skurrilitäten, der Geschichte des Konklaves oder der Prophezeiungen rund um die Päpste wohl. Der Leser wird zusätzlich mit einer Rekonstruktion des Konklaves 2005 anhand einer Positionierung aller wahlberechtigten Kardinäle bedient.

Boberski offenbart dabei auch seine private, 12-köpfige Favoritenliste, in der sich - wir glauben das dem Autor! - auch Joseph Ratzinger, findet. Zum Schluss denkt der Autor - wie schon in den früheren Auflagen, in einer Mischung aus Prognose und Wunschformulierung ein zukünftiges Papsttum an.

"Kuhtreiber der Wahrheit"

Seine - unrichtige - Prognose revidieren konnte hingegen der amerikanische Vatikankorrespondent John Allen nicht, denn seine Ratzinger-Biografie aus 2000 wurde sowohl vom amerikanischen Verlag als auch in der deutschen Übersetzung von 2002 unverändert neu aufgelegt. Dass Allen die Ratzinger-Wahl für unwahrscheinlich gehalten hat, disqualifiziert sein genaues Porträt aber keineswegs; denn er macht sich darin auch Gedanken, was ein Ratzinger-Papst für die Kirche bedeuten würde.

Die große Leistung dieser Ratzinger-Biografie besteht darin, dass der Autor - als Korrespondent des National Catholic Reporter dem liberalen Kirchenlager zugehörig - sich dem Protagonisten und nunmehrigen Papst fair, nicht gehässig, aber faktengestützt glasklar nähert: Wie aus dem Konzilsreformer Ratzinger der Kardinal und beinharte Glaubenswächter wurde, lässt Allen anhand vieler Zitate, Belege und Einschätzungen von Kennern Ratzingers nachvollziehbar werden.

Die Abhalfterung der Befreiungstheologie, Kulturkämpfe aller Art oder eine Ausweitung der päpstlichen Unfehlbarkeit, die Ratzinger 1998 verlangte, sollten alle, die von diesem Pontifikat ein Aufweichen starrer kirchlicher Positionen erhoffen, ernüchtern lassen. John Allen versucht, Ratzinger dennoch gerecht zu werden, indem er auch die Motive des Glaubenhüters nachzeichnet. Kein Zufall, dass sowohl Feichtlbauer als auch Boberski Allens Ratzinger-Buch zitieren.

Allerdings kann nur das amerikanische Original zur Lektüre empfohlen werden, denn die deutsche Ausgabe ist nichts als eine Zumutung: Der als "Übersetzer" angegebene Hubert Pfau hat mit Sicherheit nie einen Text mit kirchlichen Fachausdrücken bearbeitet. Unbedarft übersetzt er etwa "Body of Christ" (Leib Christi) mit "Körper Christi". "Lectionary", das Buch mit den liturgischen Schriftlesungen, heißt bei ihm nicht "Lektionar" sondern "Kollektenbuch", statt "Kollegialität" schreibt er "Gemeinschaftlichkeit", den "Präfekten" einer vatikanischen Kongregation findet man einmal als "Schriftführer", dann als "Vorsteher" wieder. Die "Kölner Erklärung", ein Protestschreiben deutscher Theologen aus 1989 wird in der Rückübersetzung aus dem Englischen zur "Kölner Deklaration", und bei vielen Ratzinger-Zitaten, die im amerikanischen Buch natürlich auf englisch dastehen, suchte der "Übersetzer" nicht das Original, sondern übertrug aus dem Englischen - und setzte das "Zitat" dann in indirekte Rede. "Scholars" übersetzt er dann mit "Schriftforscher", "silence" (Rede- und Publikationsverbot) heißt bei ihm "Mundverbot" und eine Personalprälatur wird in dieser Übersetzung zur "persönlichen Prälatur".

Die Unsäglichkeiten sind endlos und entstellen den Sinn dessen, was Allen geschrieben hat; keine der 340 Seiten kommt ohne Übertragungsfehler aus. Am absurdesten ist die Übersetzung von Ratzingers Bischofsspruch ("Coworker of the truth" - "Mitarbeiter der Wahrheit"), die - kein Witz! - als "Kuhtreiber der Wahrheit" wiedergeben wird. "Übersetzer" Pfau hatte da offenbar "Cow-worker" gelesen...

Empörend, wie ein so wichtiges Buch sprachlich derartig desavouiert wird. Dass der renommierte Patmos-Verlag solche Peinlichkeit den Lesern des deutschen Sprachraums ein zweites Mal zumutet, bleibt wohl ohne Beispiel.

NEUER PAPST - HOFFNUNG FÜR WEN?

Von Hubert Feichtlbauer. Edition Steinbauer, Wien 2005, 208 S., kt., e 29,80

HABEMUS PAPAM. Papstwahlen von Petrus bis Benedikt XVI. Von Heiner Boberski. 3. akt. & erw. Aufl. Edition Atelier, Wien 2005. 332 Seiten, geb., e 24,-

POPE BENEDICT XVI: A Biography of Joseph Ratzinger. Von John L. Allen Jr. Continuum Int. Publishing Group, New York 2005, 340 Seiten, kt., e 27,50

JOSEPH RATZINGER. Von John L. Allen. Aus dem Amerikanischen von Hubert Pfau. 2. Auflage. Patmos Verlag, Düsseldorf 2005. 340 Seiten, geb. e 13,40

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