"Papst sprach erstmals so klar über Europa"

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Während er nach seinem schweren Sturz vom Juli noch rekonvaleszent ist, sprach Kardinal Franz König mit der Furche über seine Erinnerungen an den Katholikentag 1983.

Die Furche: Welche Eindrücke sind Ihnen vom Katholikentag 1983 geblieben?

Kardinal Franz König: Mein heutiger Rückblick ist nicht identisch mit meiner Vorausschau damals. Ich habe 1983 in meinen Reden sehr schön Formuliertes, aber wenig Aussagekräftiges gesagt; denn ich war in Bezug auf verschiedene Aspekte unsicher. Ich wusste nicht, wie die Verbindung von Katholikentag und Papstbesuch - 20 Jahre nach dem II. Vatikanum - aufgenommen werden würde. Und auch die Erinnerung an die Türkenbefreiung 1683 war nicht unumstritten. Als zweiter Aspekt tauchte damals im Hintergrund auf - das sehe ich heute viel deutlicher -, dass die katholische Kirche in Europa nicht "das Christentum" ist. Und es begann spürbar zu werden, wie in der Gesellschaft der ökumenische und der interreligiöse Dialog immer notwendiger wird. Vor 20 Jahren war immer noch eher die Haltung vorherrschend, dass die katholische Kirche Europa den Weg zeigen müsse.

Die Furche: Und das ist aus Ihrer Sicht heute nicht mehr aktuell?

König: Heute kommt diese Aufgabe der Ökumene und dem interreligiösen Bemühen vor allem der drei monotheistischen Religionen zu. Im Rückblick erschließt sich mir: Damals hat man zu erkennen begonnen, dass die katholischen Christen nicht nur sich selbst sehen dürfen. Denn die katholische Kirche war auch bei uns nicht mehr "das Christentum". Und als dritter Aspekt scheint mir der Europagedanke wichtig, der da zum ersten Mal richtig aufgetaucht ist: Der Papst hat in Wien beim Katholikentag zum ersten Mal mit einer solchen Öffentlichkeitswirkung über Europa gesprochen - nicht, dass es um Ost und West geht, sondern um Europa.

Die Furche: Bei der Europa-Vesper am Wiener Heldenplatz haben Kardinäle aus allen Himmelsrichtungen - der Berliner aus dem Norden, der Krakauer aus dem Osten, der Zagreber aus dem Süden, der Pariser aus dem Westen - gesprochen. War das so ein Zeichen dafür, dass da Europa und nicht die Ost-West-Teilung thematisiert wurde?

König: Das war das äußere Zeichen für etwas, was man gespürt, aber noch nicht sehr deutlich erkannt hat.

Die Furche: Kann man sagen: 1983 war in Wien schon ein Hauch von dem da, was einige Jahre später zum Einsturz der Mauern zwischen West und Ost geführt hat?

König: Es hat niemand konkret gedacht, dass der Stacheldraht in ein paar Jahren weg sein würde. Im Nachhinein betrachtet ist das aber schon eine merkwürdige Verbindung gewesen mit jenem in aller Stille vor sich gehenden Prozess des Niederganges des kommunistischen Systems, der dann 1989 so sichtbar geworden ist. Im Rückblick stellt man die Spuren jener Entwicklung auch beim Katholikentag 1983 fest.

Die Furche: Jetzt wird wieder ein Katholikentag stattfinden, diesmal als "Mitteleuropäischer Katholikentag".

König: Das zeigt, dass es nun um eine neue, größere Perspektive geht. Wobei damit erstmals "Mitteleuropa" in einer neuen Gemeinsamkeit auftritt. Ich halte das sowohl für die Kirche als auch für Europa für bedeutsam.

Das Gespräch führte Otto Friedrich.

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