Die EU hat Agram endgültig die Tür zugeschlagen. Gespräche über eine Annäherung Kroatiens an die Gemeinschaft sind abgebrochen worden.
Nicht nur die nationalistischen Regierenden in Agram, auch die liberale Opposition fragt sich, womit ihr Land eigentlich diese Behandlung verdient hat. Sie haben den Eindruck, jetzt noch für den Krieg büßen zu müssen, den sie nicht vom Zaun gebrochen, aber dann am Ende erfolgreich bestanden haben. Vor allem sollen sie anscheinend dafür bestraft werden, daß sie daran mitgewirkt haben, das alte Jugoslawien untergehen zu lassen, jene den Westmächten teure Schöpfung nach dem Ersten Weltkrieg, mit der diese eine stabile Ordnung am Balkan unter serbischer Vorherrschaft zu etablieren hofften.
Besonders verbittert - und das kann man verstehen - sind die Kroaten darüber, daß sie so offensichtlich anders behandelt werden, als andere kommunistische Nachfolgestaaten der Region. So zählen Rumänien und Bulgarien zu den ferneren EU-Kandidaten, obwohl deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht annähernd an die Kroatiens heranreicht, vom serbischen Jugoslawien ganz zu schweigen.
Während man den Serben ihre mörderische und gefährliche Politik im Kosovo eigentlich durchgehen läßt, werden an Kroatien, das demokratiepolitisch gewiß Defizite hat, die strengsten "westlichen" Maßstäbe angelegt, ohne daß man den Menschen des Landes dafür verheißt, eines Tages Teil jener Gemeinschaft des Westens zu sein, dem sie sich nach ihrer Tradition und ihrem Bewußtsein zugehörig fühlen.
Zu befürchten ist, daß dahinter ein Konzept steht: Nämlich jenes, das alte Jugoslawien unter anderem Namen und in veränderter Gestalt, als eine Gruppe von Staaten wiederaufleben zu lassen; und Kroatien wäre ein Bestandteil davon, vor allem der wirtschaftlich stärkste. Damit würde man nur Slowenien gestatten, sich aus dem Völkerkerker namens Jugoslawien befreit zu haben.
Der Westen ist anscheinend entschlossen, seine verfehlte Balkanpolitik fortzusetzen.
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