Partner des Schöpfers

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"Nachhaltigkeit" ist das aktuelle Schlagwort für gerechtes Wirtschaften und den rechten Umgang mit den Ressourcen der Erde. Das Dossier untersucht - inspiriert vom Jahresprojekt der Relionspädagogischen Institute Österreichs - den Stand der Religionen beim Konzept der Nachhaltigkeit: Judentum, Buddhismus, Christentum, Islam. Historische Annäherungen (Matriarchat als nachhaltige Spiritualität) und wirtschaftsethische Reflexionen über den "Wert" der Nachhaltigkeit zeigen weitere Aspekte auf. Redaktion: Otto Friedrich

Die Entdeckung des Begriffes Ökologie war seit den siebziger Jahren immer mit der Idee einer Krise verbunden: Ressourcenverknappung, Engerwerden der Lebensräume, radioaktive Verstrahlung, Vergiftung von Boden, Wasser, Luft und damit zum Beispiel der Lebensmittel, oder etwa: Treibhauseffekt, Klimaveränderung, Zerstörung natürlicher Flussläufe und gewachsener Landschaften, Aussterben vieler Arten, et cetera.

Viele der krisenhaften Symptome mussten in den vergangenen 30 Jahren umgedacht werden. Die Ressourcenknappheit sieht völlig anders aus als 1972 vom Club of Rome errechnet. Dennoch besteht sie in anderer Hinsicht auch heute. Der Raubbau, das Artensterben, die Bedeutung der technischen Energieerzeugung sind in anderer Hinsicht problematisch als manchmal von der frühen Ökobewegung beklagt. Trotzdem bleibt das Phänomen krisenhaft und schwingt mit der Idee der Ökologie die Konnotation mit, dass sie bedroht ist.

Ökologie und Ökokrise - ja Öko-Katastrophe - liegen scheinbar nahe beisammen. Anders ausgedrückt: Solange den Menschen die krisenhaften Phänomene im weltweiten Haushalt der natürlichen Gleichgewichte und Balancen nicht bewusst waren (oder gar nicht existierten), solange kümmerten sie sich auch nicht um Ökologie. Bis zu den siebziger Jahren gab es keine nennenswerten Umweltgesetze im heutigen Sinn.

Der positive Begriff lautet Nachhaltigkeit. Nachhaltige Wirtschaft funktioniert so, dass sie langfristig leben lässt. Gibt es eine positive Ordnung der Nachhaltigkeit, die nicht auf Krisen aufgebaut ist? In der Jüdischen Bibel, dem Alten Testament der Christen, bezeugt eine große Anzahl von ethischen Normen aus alter Zeit eine ökologische Hausordnung mit dem Ziel des guten gemeinsamen Lebens. Wer die Regeln befolgt - gemeint ist das Volk Israel - tut Gottes Willen und wird damit belohnt, dass er lange leben und in dem Land, das Gott den Vätern gab, in Frieden und im Einklang mit der Natur leben darf. Im Einklang mit der Natur zu leben heißt im Israel des ersten Jahrtausends vor Christus, das Notwendige für ein würdevolles Leben zu haben, von Seuchen und Naturkatastrophen verschont zu bleiben und den Lebensraum in der Wüste lebbar zu erhalten.

Das Christentum baut auf der jüdischen Religion und Ethik auf, wird aber seit seinen frühen Anfängen hellenistisch-rationalistisch be-einflusst. Die Synthese von orientalisch-jüdischer und europäisch-griechischer Antike bildet den geistigen Nährboden des frühen und mittelalterlichen Christentums.

So ist es nicht verwunderlich, dass die großen geistes- und naturwissenschaftlichen Inspirationen des hohen Mittelalters ebenfalls mit Neudeutungen antiker Denktraditionen verbunden sind - allen voran die Wiederentdeckung der Philosophie des Aristoteles.

Antike Wissenschaft ist nicht geradlinig ins europäische Mittelalter eingeflossen, sondern wurde vor allem im jüdischen und islamisch-arabischen Raum überliefert. Die großen Naturwissenschafler des Mittelalters hatten Aristoteles auf Arabisch gelesen. Die neuzeitliche Auffassung von Wissenschaft war wesentlich aus dieser Denkschule geprägt - und ihr wurde später der Vorwurf gemacht, zu technisch, zu naturgesetzmäßig, zu rational zu sein.

Die Berechnung aller Mechanismen, die Zerlegung aller Stoffe bis in Atomteile und Quanten, die Entschlüsselung biologischer Zellen bis zum menschlichen Genom sind tatsächlich späte Ergebnisse einer lang andauernden geistigen Entwicklung. Vieles spricht dafür, dass diese Entwicklung nicht zufällig irgendwo stattgefunden hat. Sie ist in Europa, das heißt in der Synthese von christlich-jüdischem Menschen- und Weltbild und aristotelisch-mittelalterlicher Rationalität entwickelt worden - auch wenn sie mittlerweile mit den weißen Europäern nach Nordamerika ausgewandert sein mag.

Die christlichen Kirchen klagen heute vieles an, was auf dem Boden der modernen Naturwissenschaften sensationell erfunden wurde: Atomwaffen, Gentechnik, Manipulation an Embryonen et cetera. Wenn der Papst eine internationale Ethik und Rechtsordnung gegen Kriege genauso wie gegen den Missbrauch von Gentechnologie einfordert, wirkt er in der modernen Welt manchmal wie ein Fremder, der etwas Unrealistisches gegen den Zeittrend vorträgt.

In der Tat - die Kirchen haben auch in früheren Jahrhunderten gegen wissenschaftliche Fortschritte und geistige Entwicklungen moralisch den Zeigefinger erhoben und versucht zu verbieten, was letztlich doch nicht aufzuhalten war.

Man mag einwenden, die Kirchenleitungen, zum Beispiel der Papst, seien noch nicht identisch mit dem Christentum. Trotzdem bleibt das Christentum geschichtlich ambivalent: Einerseits bildet es - im Unterschied zu mythologischen Kulturen - selbst eine Geistigkeit und Weltoffenheit heraus, die moderne Naturwissenschaft überhaupt erst möglich macht. Auf der anderen Seite warnt es ständig vor den Auswüchsen, sozusagen vor den Urenkeln der eigenen Philosophie, die zu weit gehen.

Moderne Versuche einer Bewältigung der Ökologieprobleme laufen auf eine Reform des wirtschaftlichen und naturwissenschaftlichen Experimentierens mit der ganzen Welt hinaus. Wer daran arbeitet, den eigenen Lebensstil nachhaltig und ökologisch mit der Natur und den künftigen Generationen zu versöhnen, wird nicht einfach ins mythologische, vorchristliche Denken zurücksteigen können.

Aus der Sicht der christlichen Theologie geht es um die Wiedergewinnung der alttestamentlichen Idee vom guten Zusammenleben, die auch den Hintergrund der Bergpredigt und der christlichen Ethik bildet. Allerdings: das Christentum kann sich nicht mit dem erwählten Volk im gelobten Land begnügen - es meint die gesamte Welt.

Ökologie und Nachhaltigkeit wiederzugewinnen - in einer Welt der fortgeschrittenen Naturwissenschaftlichkeit - ist nicht gegen die Naturwissenschaften möglich, sondern eher in der Besinnung auf

ihre ursprüngliche geistige Verankerung: die Freiheit des Menschen, als Partner des Schöpfers mitzugestalten. Aus dieser Freiheit erwächst aber die Verantwortung des Gestaltens. Die Erkenntnis der Naturgesetze ist also kein Irrweg, sondern sie kann den Weg zu einem nachhaltigen und ökologisch verantwortungsvollen Leben weisen.

Der Autor ist im Pastoralamt der Diözese Linz als Referent für Friedensbewegung und Sozialethik tätig.

BUCH- & RADIOTIPP zu diesem Artikel siehe Seite 24.

Zu den Illustrationen im Dossier:

Felsmalereien der San ("Buschmänner") sind im ganzen südlichen Afrika zu finden.

Sie können Jahrtausende alt sein, aber es gibt auch Bilder, die aus dem 19. Jahrhundert datieren. Die Malereien sind Darstellungen archaischen, naturverbundenen Lebens in Verbindung mit religiösen Szenen.

Links die Felsmalerei der "Weißen Dame vom Brandberg" in Namibia. Tatsächlich handelt es sich bei der Darstellung der 40 cm großen weiß bemalten Gestalt aber nicht um eine Frau, sondern um einen rituell bemalten jungen Mann, der mit anderen Menschen und Tieren vermutlich ein Jagdritual durchführt.

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