katholikentag - © Gerd Felder

Deutscher Katholikentag: "Pastoral und Dogmatik vertragen sich gut"

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Das große Glaubenstreffen in der Stadt des Westfälischen Friedens wird an den Tagen um Christi Himmelfahrt so politisch wie schon lange kein Katholikentag mehr.

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Das große Glaubenstreffen in der Stadt des Westfälischen Friedens wird an den Tagen um Christi Himmelfahrt so politisch wie schon lange kein Katholikentag mehr.

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Wann wäre das Motto eines Katholikentags schon einmal so aktuell und so treffend gewesen wie dieses? "Suche Frieden" steht als Leitwort über dem 101. Deutschen Katholikentag von Münster. Am Vorabend des katholischen Glaubensfestes hat US-Präsident Donald Trump angekündigt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika aus dem Atomabkommen mit dem Iran aussteigen werden. Und Bischof Felix Genn, der gastgebende Bischof, sonst mit Äußerungen zur aktuellen Politik eher zurückhaltend, nimmt sich kein Blatt vor den Mund. "Das ist doch ein verheerendes Signal", kritisiert Genn Trump bei der Eröffnungspressekonferenz überaus deutlich. "Der US-Präsident setzt seine unberechenbare Außenpolitik fort. Das muss alle Menschen, die weltweit den Frieden suchen, mit tiefer Sorge erfüllen." Wenig später wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der offiziellen Eröffnung des Katholikentags ähnlich deutlich: Die Aufkündigung des Vertrages sei ein schwerer Rückschlag.

Debatten zu den großen Zeitfragen

Mit diesen klaren politischen Äußerungen ist der Ton für den gesamten Katholikentag von Münster mit seinen über 1000 Veranstaltungen und fast 90.000 Teilnehmern -den meisten auf einem Katholikentag seit der Wiedervereinigung Deutschlands -bereits gesetzt. Das große Glaubenstreffen in der Stadt des Westfälischen Friedens, der im Jahr 1648 den Dreißigjährigen Krieg beendete, wird an den Tagen rund um Christi Himmelfahrt so politisch wie schon lange kein Katholikentag mehr. Das ist angesichts einer Welt, die aus den Fugen geraten ist und von immer neuen Krisen und Konflikten erschüttert wird, nicht verwunderlich. Allerdings hatten die großen Podien und Foren zu aktuellen politischen Themen beim Katholikentag in Leipzig zwei Jahre zuvor noch in gähnend leeren Messehallen stattgefunden -bei nicht wesentlich besserer Weltlage. In Münster, immer noch eine der Hochburgen des deutschen Katholizismus, sieht das völlig anders aus. Hier werden zahlreiche Diskussionsrunden zu allen relevanten gesellschaftlichen, religiösen und politischen Streitfragen unserer Zeit -wie zu der sozialen Gerechtigkeit, dem Antisemitismus, der Rolle des Islams, dem Aufstieg des Populismus und Nationalismus in Europa, der Integration von Flüchtlingen, dem Krieg in Syrien oder den Gewalt-und Friedenspotenzialen der Religionen -angeboten, und viele Hallen sind überfüllt. Parallel ist aber auch der Zuspruch für spirituelle und musikalische Angebote, etwa die großen Chorkonzerte im Freien oder Gospel-und Spiritual-Darbietungen in den Kirchen, gewaltig.

Ein aktuelles Thema, das die kirchliche Öffentlichkeit schon vor dem Katholikentag stark beschäftigt hat, prägt auch den Verlauf des Treffens selbst: der "Kommunionstreit" unter den deutschen Bischöfen. Bei ihrer Frühjahrsvollversammlung hatten die Oberhirten mit Dreiviertel-Mehrheit eine pastorale Handreichung verabschiedet, wonach nicht-katholische Ehepartner in Einzelfällen und unter bestimmten Voraussetzungen die Kommunion empfangen können.

Daraufhin wandten sich sieben Bischöfe um den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki mit der Bitte um Klärung an Rom, ob eine solche Frage von weltkirchlicher Bedeutung von einer einzelnen Bischofskonferenz entschieden werden könne. Nach einem Gespräch mehrerer Bischöfe im Vatikan entschied dann Papst Franziskus, die Angelegenheit müsse möglichst einmütig in der Deutschen Bischofskonferenz geregelt werden. Bei einem Podium zur Ökumene nach dem Jubiläumsjahr der Reformation gibt der Vorsitzende der DBK, Kardinal Reinhard Marx, sich überzeugt, dass die Bischöfe eine solche Lösung werden erzielen können. "Das muss unsere Leidenschaft sein, und da lasse ich nicht nach", verspricht Marx. "Pastorale Lösungen und Dogmatik vertragen sich gut."

Schwelender Kommunionstreit

Immer wieder im Laufe des Katholikentags wird der Kommunionstreit zum Thema. So bedauert der Bischof von Passau, Stefan Oster, dass der Brief, den er zusammen mit sechs anderen Bischöfen an den Vatikan gerichtet habe, öffentlich gemacht worden sei. Das habe Druck aufgebaut und der Kirche Schaden zugefügt, so Oster. "Ich bin meinem Gewissen gefolgt, weil die Eucharistie für uns das Allerheiligste ist." Der Brief sei aber nicht für die Öffentlichkeit gedacht gewesen, und die "Veroberflächlichung" der Debatte für ihn schwer zu ertragen. In ähnlicher Weise versichert der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, der Brief habe sich nicht gegen konfessionsverschiedene Ehepaare gerichtet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) darf auf einem Katholikentag nicht fehlen. Im überfüllten Kongresssaal der Halle Münsterland gibt sie sich kämpferisch und kritisiert Donald Trump wegen der einseitigen Aufkündigung des Iran-Abkommens scharf. "Wenn jeder macht, worauf er gerade Lust hat, dann ist das eine schlechte Nachricht für die Welt", urteilt Merkel ungewöhnlich offen und erhält dafür den starken Applaus des Publikums. Ein besonderer Gast ist auch Kolumbiens scheidender Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos, der den schwierigen Friedensprozess in seinem Land optimistisch sieht. Santos wörtlich: "Frieden zu schaffen ist wie eine Kathedrale zu bauen. Das braucht lange, aber das Land hat keine Zukunft, wenn wir diesen Konflikt nicht beenden."

Kaum Wirbel wegen AfD

Im Vorfeld des Katholikentags hatte es viel Aufregung und Proteste gegeben, weil erstmals ein Vertreter der rechtspopulistischen "Alternative für Deutschland" (AfD) eingeladen worden war. Doch letztlich verläuft die mit Spannung erwartete Debatte mit Vertretern aller Bundestagsparteien zum Thema "Wie hältst Du's mit der Religion?" nach anfänglichen Tumulten friedlich und unspektakulär. Der religionspolitische Sprecher der AfD, Volker Münz, behauptet, seine Partei mache Politik auf der Basis des christlichen Menschenbildes, und Deutschlands christliche Prägung werde durch die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung aufs Spiel gesetzt, stößt aber mit dieser Position auf den energischen Widerspruch der Repräsentanten der anderen Parteien. Überhaupt wenden sich viele Veranstaltungen in diesen Tagen gegen dumpfe rechtspopulistische Parolen, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Dagegen werden Flüchtlinge, die aus erster Hand über ihre Erfahrungen berichten, gefeiert.

Es ist bewundernswert, wie konsequent der rote Faden der Friedensthematik mit all ihren Facetten und Schattierungen bei diesem begeisternden Katholikentag mit seiner fröhlich-friedlichen und zugleich intensiv-engagierten Atmosphäre durchgehalten wird: Da wird für den Frieden gehämmert, gestrickt, gezeichnet, gespielt, gesungen und rezitiert. Münster hat gezeigt: Der Katholizismus in Deutschland lebt, und er hat der häufig so zerstrittenen Öffentlichkeit Wichtiges zu sagen. Doch ob das in dieser Form so schnell zu wiederholen sein wird und welche Wirkung der inspirierende Katholikentag im Alltag entwickelt, das steht auf einem ganz anderen Blatt.

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