Patrioten im Kulturkampf

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Die rechten Gruppierungen Europas nutzen Christentum und Judentum als Waffen in ihrem Kampf gegen den Islam. Dabei ergeben sich seltsame Seilschaften und Plattformen.

Auch in der Welt der Kämpfer für Freiheit von Wort und Gesellschaft geht doch nichts über eine gesunde Portion Misstrauen. Wenn etwa eine Abordnung deutscher Islamgegner, der ehemalige CDU-Politiker René Stadtkewitz und der Betreiber einer Anti-Islam-Plattform zum Spiritus Rector der Anti-Islam-Bewegung Europas Geert Wilders nach Den Haag pilgern, dann gelten für sie genau dieselben Sicherheitsvorkehrungen, als käme beispielsweise ein glühender Verehrer des Halbmondes zum Führer der #Freiheitspartei#: Nicht einmal ihre Fotoapparate durften die beiden Deutschen mit zur Audienz nehmen. Bloß ein Handy-Schnappschuss blieb vom Gipfeltreffen. Das ist einerseits erstaunlich, bedenkt man den Hang zur Selbstinszenierung, der populistischen Gruppen nachgesagt wird. Andererseits aber auch logisch: Wollte man ein Grundcharakteristikum der öffentlich auftretenden Verteidiger des Abendlandes machen, dann ist es: Misstrauen. Man widerstrebt grundsätzlich.

Das ist wohl auch der Grund, warum man kaum erfährt, wofür diese Gruppen stehen, sondern ausführlichst, wogegen sie sind: Gegen Sittenverfall, Spaßgesellschaft, Globalisierung, gegen das politische Establishment # und in der Hauptsache gegen Muslime. Erst in zweiter Reihe werden die Ziele offenbart: das christliche Abendland, bürgerliche Werte, Nationalstaat, Mittelstand, die Meinungsfreiheit, vor allem jene von Thilo Sarrazin, dem Patrioten.

Erfolgbringendes Feindbild

Das sind die Ingredienzien, mit denen die modernen Rechten Europas auf den politischen Markt drängen und mit denen sie nach den Anschlägen vom 11. September und der die Jahre begleitenden Islam-Kritik einen Erfolg nach dem anderen einfahren.

Zu deren Proponenten zählen nicht nur Geert Wilders oder auch die neuerdings mit dem Kreuz hetzende FPÖ.

Bis zu 60.000 Suchende finden täglich im Internet ihre antimuslimische Nahrung auf Politically Incorrect, insgesamt hat es die Website bereits auf 39,1 Millionen Besucher gebracht, und kann mit Fug und Recht als geradezu sprichwörtliches Massen-Medium bezeichnet werden. Dort wird praktisch nichts ausgelassen, was auf dem Boulevard nationaler Einfalt daherrauscht: Es beginnt harmlos bei dem Bekenntnispamphlet #Mein Weg zur Islamkritik# und steigert sich zu #Eurabien besiegen!#-Aufrufen und Gipfelt im #Islamischen Terrorkalender#. Zur Abrundung des ideologischen Menüs erfährt man, #Warum Thilo Sarrazin gewinnt#.

Die Plattform ist auch zur Drehscheibe eines streng westlich konservativen Weltbildes geworden. Abtreibungsgegner finden dort ebenso Aufnahme wie die Verteidiger von Sitte und Anstand in einer beliebig gewordenen Gesellschaft. Dabei zeigt sich, dass die so geübte Ausländerfeindlichkeit sich bewusst von allen #braunen# Tendenzen abgrenzen will. In Israel sehen Geert Wilders, Filip Dewinter und ihre Adepten der neuen Rechten nämlich das letzte Bollwerk gegen den Islam. Der Berliner Unternehmer Patrik Brinkmann, der zuletzt mit dem Slogan #Islamisierung stoppen# durch deutsche Lande tingelte und dabei gerne wuchtig die Bibel schwenkte, organisiert beispielsweise eine #Pilgerreise nach Jerusalem#, um der gemeinsamen Allianz als gegen Mohammeds Erben zu gedenken, und wohl auch, um ein wenig Kreuzritteratmosphäre zu tanken. Danach kann sich Brinkmann wieder seiner Partei #Pro-Berlin# widmen, deren Programm darin besteht, dass #Berlin nicht die Hauptstadt der Türkei werden soll#.

Von intellektueller Seite werden neben der Jungen Freiheit auch gerne Henryk Broder, der Schriftsteller Ralph Giordano und die Autorin Necla Kelek vor den Vorhang gebeten, die eigentlich gar nichts mit dem politischen Netzwerk der neuen Rechten, den britischen Euroskeptikern, der PVV, der Lega Nord, dem flämischen Vlaams Belang oder der FPÖ zu tun haben wollten.

Instrumentalisiert werden sie trotzdem # und es scheint ihnen auch nichts auszumachen. Eine der jüngsten Plattformen rechter Verteidigungsbereitschaft stammt aus Österreich. Sie nennt sich beziehungsvoll Netzwerk Karl Martell. Dort ist viel von Geert Wilders die Rede von der Hoffnung auf einen Zusammenschluss der Patrioten Europas. Bis dahin gilt es offenbar, tausendfach weiter zu erzeugen, was sich eine der Bürgerwehren auf ihre Fahne geschrieben hat: #Bürger in Wut#. Wut also im Sinne der so geübten Meinungsfreiheits-Rage.

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