Patriotismus als politische Keule

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Keine Partei hat den Patriotismus für sich gepachtet. Die Opposition läßt sich ihre außenpolitische Offensive nicht verbieten.

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Keine Partei hat den Patriotismus für sich gepachtet. Die Opposition läßt sich ihre außenpolitische Offensive nicht verbieten.

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Die Debatte. Was heißt jetzt Patriotismus?

zum thema. Wahrer Patriotismus? Angelehnt an das politische Schlagwort des amerikanischen Admirals Decatur: "right or wrong, my country", meinte der Politologe Anton Pelinka in einem Standard-Kommentar, heute müsse es "right or wrong, my union" heißen. Pelinka bringt damit ein Thema auf den Punkt, das nach den Sanktionen der EU-Partnerländer und den Bemühungen um einen nationalen Schulterschluß auch die Parteien im Land beschäftigt hat. Wer ist der bessere Patriot? Was nützt dem Land? Die gegenseitigen Vorwürfe zwischen Regierung und Opposition sind bekannt. Beide Seiten reklamieren die Patriotenrolle für sich. Die furche hat Vertreter beider Gruppen gefragt, welche Bedeutung Patriotismus heute noch hat, ob es ein "right or wrong" überhaupt noch gibt. WM Früher hat die ÖVP ihr Parteiobmannspiel präferiert. Heute, angesichts ihrer außenpolitischen Isolierung, greift sie zum "Wer ist wohl der bessere Patriot-Spiel". Doch die ÖVP hat den Patriotismus nicht gepachtet. Wolfgang Schüssel hat mit seiner Regierungsbeteiligung der FPÖ Österreich die größte außenpolitische Krise der Zweiten Republik beschert. Das will die Regierung nicht wahrhaben. Genausowenig wie sie sich mit den Beweggründen der befreundeten Regierungen auseinandersetzt, die zu den Maßnahmen der EU-14 gegenüber der österreichischen Bundesregierung geführt haben. Gu-tes, unverstandenes Österreich versus böses Ausland wird skandiert.

In den letzten Wochen ist die ÖVP sogar einen Schritt weitergegangen. Sie benützt die Maßnahmen der EU-14 und die überzogenen und zum Teil unannehmbaren Sanktionen der zweiten Ebene gegenüber Österreich für innenpolitisches Kleingeld. Khol, Rauch-Kallat, Schüssel und Riess-Passer haben längst erkannt, daß zwar die Maßnahmen der EU-14 Österreich schaden, aber sie gleichzeitig die Koalition in Österreich politisch stärken. Seither macht das Wort vom Schulterschluß die Runde. Das Ausland ist gegen uns Österreicher, suggeriert die Regierung (und übersieht geflissentlich, daß die EU für uns kein Ausland ist).

Also müssen alle ÖsterreicherInnen Schulter an Schulter hinter der ungeliebten Regierung stehen. Es geht längst nicht mehr um die Ursachen der Krise. Schulterschlußzwang nennt die Opposition diese populistische Politik der derzeitigen Bundesregierung. Patriotismus als politische Keule. Und die Regierung verwechselt sich ständig mit Österreich: Wer die Regierung kritisiert, kritisiere Österreich und sei daher ein schlechter Österreicher. Plötzlich werden nur mehr Antworten in rot-weiß-rot gefordert und der Druck auf die Opposition unter Ausnützung der neuen Macht gegenüber dem öffentlich-rechtlichen ORF wird voll zum Einsatz gebracht. Österreich-Gespräch nennt dies dann der ORF, wenn die Regierung das hohe Lied des Schulterschlusses anstimmen darf. Diese Situation erinnert fatal - ohne jedoch eine geschichtliche Parallele ziehen zu wollen - an jenen Ausspruch von Kaiser Wilhelm II zu Beginn des Ersten Weltkrieges, als dieser meinte: "Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche".

Das Ziel der blau-schwarzen Schulterschluß-Debatte ist letztlich das gleiche. Die Opposition soll mundtot gemacht werden. Es ist verständlich, wenn sich die Regierung darüber ärgert, daß die Opposition in ganz Europa mit offenen Armen und großer Herzlichkeit empfangen, Regierungsmitgliedern bei EU-Ratssitzungen aber nicht die Hand gegeben wird. Mit Patriotismusstimmung soll der außenpolitische Spielraum der Opposition eingeschränkt und denunziert werden. Faktum ist jedoch: Nur die Opposition ist in der Lage, völlig übertriebene Sanktionen gegenüber SchülerInnen, StudentInnen, KünstlerInnen, WissenschaftlerInnen oder Wirtschaftstreibenden abzuwenden.

Faktum ist weiters, daß das Ansehen der blau-schwarzen Regierung und die Qualifikation so mancher Regierungsmitglieder bei der Bevölkerung derzeit am untersten Ende rangiert. Aber mit dem Schulterschluß-Lärm versucht die Regierung nicht nur ihren Fehlstart zu beschönigen, sondern sie will auch von den Auswirkungen ihrer unsozialen Finanz- und Budgetpolitik ablenken, mit der sie der zivilen Gesellschaft in Österreich den Boden entzieht.

Die Grünen brauchen für ihre außenpolitische Offensive keinen Sanktus der Regierung. Und die ÖVP hat den Patriotismusanspruch nicht für sich gepachtet. Im Gegenteil: Diese Regierungsbildung der ÖVP mit der rechtspopulistischen FPÖ war der unpatriotische Akt. Und jetzt beschränkt sich das innenpolitisches Repertoire der Regierung auf Patriotismus und Schulterschlußgerede. Mehr leider nicht.

Der Autor ist Klubobmann und Bundessprecher der Grünen.

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