Pfingsten 2023: Sturm und Feuer für die Kirche
Hierarchiekirche, Kleruskirche, Missbrauchskirche, frauenfeindliche Amtskirche – oder doch positive Erlebnisse in der Pfarre: Was meinen die Menschen, wenn sie landläufig von der Kirche reden?
Hierarchiekirche, Kleruskirche, Missbrauchskirche, frauenfeindliche Amtskirche – oder doch positive Erlebnisse in der Pfarre: Was meinen die Menschen, wenn sie landläufig von der Kirche reden?
Wenn Bildung, Gesundheit, Kultur und Soziales kirchlich geprägt sind, schmeckt es fast allen hier in Österreich, Kirchenmitgliedschaft hin oder her. Nicht umsonst schicken selbst kirchenkritische Eltern ihre Kinder in eine Ordensschule, damit sie Werte und ein konsistentes Lebensbild inklusive Rituale erleben können. Die Caritas ist gerngesehene Gesprächspartnerin und Expertin in Medien, wenn es um soziale Schieflagen geht. Kein Österreich-Urlaub ist denkbar ohne den Besuch einer kirchlichen Kulturstätte oder einer der bedeutenden Kirchen.
Im Ordensspital beispielsweise fühlen sich Menschen weniger als Nummer als anderswo, noch dazu als Privatpatienten. Eine Ordensfrau hat das größte Potenzial an Vertrauenswürdigkeit und Trostkraft. Überall dort finden Menschen „geöffnete und empathische Haltungen“ vor, heutige Welt- und Menschenbilder prägen die Professionalität der handelnden Menschen und Organisationen.
Kirche ist nicht mehr Souverän
Aber ist das die Kirche, die Menschen meinen, wenn sie landläufig von der Kirche reden? Nein. Wenn der Blick der Menschen im öffentlichen Diskursraum auf „die Kirche“ geht, dann reden Menschen und Medien von der Hierarchiekirche der Bischöfe, meinen die Kleruskirche, die Missbrauchskirche, die frauenfeindliche Amtskirche, das „menschenferne Oben“ (mit Papst Franziskus als bemühte Ausnahme) und das gestrige, nicht demokratisch verfasste Kirchengebilde.
Mögliche positive Erlebnisse in der Pfarre wie bei Erstkommunion, Firmung oder in einer der pfarrlichen Gruppen werden zuerst eben nicht dieser Hierarchiekirche zugeordnet. Dann stellt sich heraus, dass selbst dort „ein Pfarrer“ immer das letzte Wort hat. Wenn der nicht will, skurrile Ansichten hat, der Sprache nicht mächtig ist, das hohe Alter (weil es keinen Nachwuchs gibt) sein Bemühen verdeckt, wird das Bild von einer weltoffenen, menschenzugewandten, tröstenden und befreienden Kirche immer weiter zugedeckt. Selbst die medial dauerpräsenten Kollar tragenden Priester lassen zwar das von den Medien dargestellte Bild etwas freundlicher erscheinen, verschärfen allerdings in der Peripherie und an der Basis diesen „Priesterfokus“, der in einer Art von Kultkirche landet.
„Die Strategien der Wunschproduktion, Sehnsuchtserfüllung und Kontingenzbewältigung des hegemonialen Kapitalismus sind effizienter, flexibler, anschaulicher, adressatenorientierter, liquider als jene der Kirchen, und sie sind nicht traditionsbehindert.“ Das sagt der Pastoraltheologe Rainer Bucher und stellt damit die Kirche in das Heute, das zum Großteil von digital geprägten Dynamiken erfüllt ist. Die Kirche ist nicht (mehr) Souverän, sondern Untertan dieser prägenden Dynamiken.
Der koreanisch-deutsche Philosoph Byung-Chul Han schreibt in zwei kleinen Büchern treffend „Vom Verschwinden der Rituale“ und sieht die neuen digitalen Realitäten als „Undinge“. Jetzt sind allerdings Rituale und die Anschauung der Dinge für ein religiöses Leben konstitutiv. Diese tiefgreifende Veränderung hätte das Konzil sehr früh erkannt und darauf reagiert. Gesprungen ist die Kirche nicht, wie der verstorbene Weihbischof Helmut Krätzl in seinem Buch „Im Sprung gehemmt“ (1998) schreibt.
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