Philippinen - das arme, reiche Land

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Der Taifun "Washi“ forderte Hunderte Todesopfer und entzog vielen Menschen die Lebensgrundlage. Doch er ist nicht das einzige Problem des gebeutelten Landes. Eine Bestandsaufnahme.

Naturkatastrophen wie Wirbelstürme, Vulkanausbrüche oder Erdbeben sind auf den Philippinen nichts ungewöhnliches. Jährlich fegen rund 20 Taifune über das Archipel im Westpazifik. Doch der Sturm "Washi“, der von 16. bis 18. Dezember tobte, war der verheerendste seit Jahren. Sturzfluten lösten Hangrutschungen und Überschwemmungen aus, die ganze Städte zerstörten Städte und die Küstenregion verwüsteten. Die meisten Opfer wurden im Schlaf überrascht. Zahlreiche Leichen wurden auch aufs Meer hinausgespült. Mindestens 1200 Menschen sind nach einer vorläufigen Bilanz der philippinischen Regierung ums Leben gekommen, mehr als 1000 werden noch vermisst. Die tatsächliche Opferzahl dürfte daher noch deutlich höher liegen.

Damit nicht genug, wurden 19 Provinzen im hauptbetroffenen Süden des Landes in der Woche nach Weihnachten auch noch von weiteren Überschwemmungen heimgesucht, was die Hilfe für die 53.000 Obdachlosen weiter erschwerte.

471.000 Betroffene

Dazu kommen die schweren Folgen der Überschwemmungen, die "Washi“ ausgelöst hatte. Am stärksten betroffen war die Insel Mindanao und die dort liegenden Hafenstädte Cagayan de Oro und Iligan. Die Regierung beziffert die Zahl aller Betroffenen mit 471.000. In einigen Küstenregionen wächst nun auch die Sorge vor Epidemien, denn durch die starke Verschmutzung des Trinkwassers ist die Seuchengefahr gestiegen.

Soldaten und Helfer suchen mithilfe von Spürhunden weiter nach Opfern. In weiten Teilen von Cagayan de Oro und Iligan türmt sich der Schlamm meterhoch, auch viele Dörfer in der Umgebung dürften zerstört sein.

Die Katastrophe trifft ein Land, das in den vergangenen Jahren unter massiven wirtschaftlichen und politischen Problemen zu leiden hatte. 1986 konnten die Philippinen zwar die Marcos-Diktatur abschütteln und eine Präsidialrepublik errichten, seither ist aber die erhoffe Ruhe nicht eingekehrt. In regelmäßigen Abständen werden Korruptionsvorwürfe gegen Politiker erhoben. Joseph Estrada, der das Land 1998 bis 2001 als Präsident regierte, wurde wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit vorzeitig seines Amtes enthoben, ihm folgte seine bisherige Stellvertreterin Gloria Macapagal-Arroyo.

Sie blieb bis 2010 im Amt. Ihre Regierung war von ständigen Vorwürfen wegen angeblicher Korruption begleitet. Im Mai 2010 wurde schließlich Benigno Aquino III. zum Präsidenten gewählt. Sein Vater, ein oppositioneller Senator, kam 1983 aus dem amerikanischen Exil zurück, um gegen Diktator Ferdinand Marcos zu kämpfen. Nachdem er direkt bei seiner Rückkehr auf dem Flughafen von Manila erschossen wurde, brach ein Volksaufstand unter Führung seiner Witwe Corazon aus, der letztlich zum Ende des Regimes führte. Corazon wurde 1986 Präsidentin. Ihr Sohn Benigno will Reformen auf den Weg bringen.

Die Philippinen leiden auch unter religiösen Spannungen. Im muslimischen Süden der Inseln agieren zahlreiche bewaffnete Gruppen, in der Vergangenheit wurden dort immer wieder katholische Priester verschleppt. Die größte Separatistengruppe ist die "Islamische Moro-Befreiungsfront“. Sie kämpft seit Jahrzehnten für einen freien islamischen Staat auf Mindanao. Ein 2008 geschlossenes Abkommen zur Bildung einer autonomen Provinz Mindanao wurde nur einen Monat später unter dem Eindruck der schweren Kämpfe wieder gekündigt.

Der philippinischen Wirtschaft wird in näherer Zukunft eine ähnliche Phase des wirtschaftlichen Aufschwunges zugetraut wie etwa China. Dennoch gehört der Inselstaat derzeit zu den ärmsten Ländern der Welt. Nach Angaben der Dreikönigsaktion (DKA), deren Spendenaktion heuer besonders den Philippinen gewidmet ist, leben 50 Millionen Menschen auf der Inselgruppe in Armut, ohne ausreichende soziale Absicherung. Die Reichtumsschere klafft weit auseinander. Mehr als die Hälfte des Volkseinkommens sei in der Hand der oberen zwanzig Prozent der Bevölkerung.

Bis zu fünf Millionen Kinder dürften von Kinderarbeit betroffen sein. Die Unicef zählt die Philippinen zu jenen zehn Ländern der Erde, in denen die meisten unterernährten Kinder unter fünf Jahren leben. Durch große Fischfangflotten und die zerstörte Umwelt wird einheimischen Fischerfamilien die Lebensgrundlage entzogen. Die Unterstützung internationaler Organisationen wie der DKA zielt zumeist auf langfristige Projekte, auf Hilfe zur Selbsthilfe.

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