Philosoph der Freiheit

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Über Religion und Vernunft bei Kant.

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Über Religion und Vernunft bei Kant.

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Am 22. April 1724 wurde Immanuel Kant geboren. Die kritischen Anfragen seiner Philosophie an die Religion sind heute besonders aktuell. In "Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" (1793) nimmt er im letzten Abschnitt "Über Religion und Pfaffentum" den "Afterdienst" der Kirche besonders aufs Korn. Dennoch war Kant nicht der Meinung, dass Religion durch die Vernunft verschwinden würde. Er versteht seine "philosophische Theologie" als "Begleiterin und Freundin" der "biblischen Theologie", nicht als deren Konkurrentin oder Feindin. Religion ist ein gesellschaftliches Faktum; wie sie praktiziert wird, hat jeder und jede durch Gebrauch der Vernunft selbst zu verantworten. Obwohl der Mensch aus einem "so krummen Holze geschnitzt" ist, dass daraus kaum etwas Gerades werden kann, ist ihm durch den Mut, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, Mündigkeit zugetraut.

Der "Philosoph der Freiheit" hat klar gesehen, dass Religion für politische Zwecke benützt werden kann, für die Unterdrückung der Menschen und ihre Verdummung ebenso wie für ihre Verhetzung durch Fanatismus, der aus unaufgeklärtem Fundamentalismus kommt. Bis heute fürchten viele in den Kirchen und Religionen diesen Geist der Aufklärung und setzen lieber auf einen unkritischen Fundamentalismus.

Der Soziologe Thomas Meyer meinte unlängst, dass christliche Frömmigkeit, wie sie vor der Aufklärung praktiziert wurde, im Europa der Gegenwart ein Fremdkörper wäre. "Wer sie heute ... in ihrer alten Form aufs neue belebt, würde die Beitrittsbedingungen als Bürger Europas nicht erfüllen." Vielleicht ist es eine Mahnung, dass ausgerechnet Königsberg/Kaliningrad, die Stadt Kants, im erweiterten Europa eine Enklave bilden wird. Hoffentlich bloß ein geografisches Phänomen.

Der Autor ist Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.B.

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