Philosoph, der sich um den Glauben mühte

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"Die dritte Stufe ist der Schritt zum reflektierenden Glauben, der bereit ist, auch 'überschwängliche Ideen' als ein der 'Vernunft fremdes Angebot' in Erwägung zu ziehen."

Rudolf Langthaler, Professor für Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, widmet sich in Zeiten des "Massenatheismus" und der beliebten psychologisierenden "Entlarvungen" des religiösen Glaubens Kants Verhältnisbestimmung von Glauben und Wissen -eine Verhältnisbestimmung, die seiner Meinung nach "einen Meilenstein in der neuzeitlichen Religionsphilosophie markiert".

Weg zur "wahren Religionslehre"

Die sehr ausführliche Arbeit beschreibt Kants Weg von der Kritik zur "eigentlichen Metaphysik" und dann zur "wahren Religionslehre" in drei Schritten. Der erste Schritt ist noch am ehesten bekannt: die Aufhebung des Scheinwissens der theoretisch-dogmatischen Metaphysik -unter dem Motto: "Gedanken ohne Inhalt sind leer" -, um "zum Glauben Platz zu bekommen". Dieser Schritt beinhaltet mehrere Aspekte. Dazu gehört das Programm, vermessene Ansprüche des Glaubens abzuweisen, eine Grenze zwischen Naturwissenschaften und Spekulation zu ziehen oder Wissensansprüche bezüglich der metaphysischen Trias "Gott, Freiheit und Unsterblichkeit" zurückzuweisen. Ziel ist die Selbstaufklärung der Vernunft, die den "höchsten Zweck unseres Daseins" klären soll und damit ihre eigene "Selbsterhaltung" ermöglicht.

Der zweite Schritt beinhaltet den Versuch, Glauben zu denken. Dieser Vernunftglaube wird als "Fürwahrhalten" aus einem Bedürfnis der praktischen Vernunft definiert. Es wäre eine Selbstnegation der Vernunft, wenn sie das höchste Gut, die notwendige Verbindung von Moralität und Glückseligkeit, leugnen würde. In diesem Sinne hat Adorno die "Unausdenkbarkeit der Verzweiflung" als das "Geheimnis der kantischen Philosophie" bezeichnet. Kant charakterisierte den Vernunftglauben auch als Hoffnungsglauben im Sinne von "fides" oder "Vertrauen".

Kants beständige Weiterentwicklung

Die Kantforschung unterscheidet bis heute gerne zwischen dem "vorkritischen" Kant bis 1781 und dem "kritischen" Kant danach. Langthaler zeigt, dass sich Kants Denken über den Glauben nach dieser Zäsur beständig weiterentwickelt hat.

Die dritte Stufe ist der Schritt zum reflektierenden Glauben, der bereit ist, auch "überschwängliche Ideen" als ein der "Vernunft fremdes Angebot" in Erwägung zu ziehen. Diese religionsphilosophischen Grenzgänge führen über den moralischen Glauben hinaus und öffnen sich für "heilige Geheimnisse", denen sich die Vernunft im Namen der "Realisierung der Idee des moralischen Endzwecks" nicht verschließen dürfe.

Wie schon mit Publikationen in früheren Jahren hat Langthaler ein sehr lohnenswertes, aber auch schwer lesbares Buch geschrieben. Eine Grundkenntnis der Philosophie Kants ist Voraussetzung (hier bietet sich die Einführung "Immanuel Kant" von Otfried Höffe im C.H. Beck-Verlag an). Wird die Arbeit verbreitete Klischees über den religionsphilosophischen Kant eindämmen? Wohl kaum. Orthodoxe Christen werden bemängeln, dass Kant im Lichte der christlichen Dogmatik kein "rechtgläubiger Christ" war, wie Langthaler gleich zu Beginn anmerkt.

Säkulare werden wohl weiterhin mit Unverständnis einem Aufklärer begegnen, der sich intensiv und Jahrzehnte hindurch um eine philosophische Neubegründung von religiösem Glauben bemühte. Die Mehrheit der Bevölkerung wird -siehe Umfragen -wie bisher einem eklektischen und esoterischen Do-it-yourself-Glauben frönen, der die Verträglichkeit mit den Naturwissenschaften sowie logische und systematische Stringenz nicht einmal als Kriterium anzuerkennen bereit ist.

Kant über den Glauben und die "Selbsterhaltung der Vernunft" Sein Weg von der "Kritik" zur "eigentlichen Metaphysik" - und darüber hinaus. Von Rudolf Langthaler Verlag Karl Alber 2018 400 Seiten, geb., e 37,10

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