Das Pilgerhospiz in der Jerusalemer Altstadt - © Paul Wuthe/Kathpress

Pilgerhospiz-Rektor Bugnyár: "Die Nerven liegen blank"

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Nicht erst seit dem 7. Oktober 2023 ist Jerusalem ein Schmelztiegel mit ständiger Eskalationsgefahr – aktuell ist das Vertrauen zwischen Palästinensern und Israelis auf dem Tiefpunkt.

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Nicht erst seit dem 7. Oktober 2023 ist Jerusalem ein Schmelztiegel mit ständiger Eskalationsgefahr – aktuell ist das Vertrauen zwischen Palästinensern und Israelis auf dem Tiefpunkt.

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Markus Bugnyár ist seit zwanzig Jahren Rektor des Österreichischen Hospizes zur Heiligen Familie in der Altstadt von Jerusalem. Der katholische Priester und gebürtige Wiener bekommt die Ereignisse im Nahen Osten regelmäßig aus nächster Nähe mit. Am Abend des iranischen Raketenangriffs auf Israel am 1. Oktober teilte er etwa ein selbst aufgenommenes Video vom Dach des Pilgerhospizes, das den Einsatz der israelischen Raketenabwehr zeigt. Anlässlich der Präsentation seines neuen Buchs „Irdisches Jerusalem. Über Heiliges und Schwieriges“ war Bugnyár zuvor einige Tage in Wien. Im FURCHE-Interview sprach der 49-Jährige über die Situation in Israel ein Jahr nach dem Hamas-Terror vom 7. Oktober , die Situation der Christen im Heiligen Land und darüber, was ihm Hoffnung macht.

DIE FURCHE: Beginnen wir mit der aktuellen Lage: Israels Militär hat Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah getötet. Am 1. Oktober hat der Iran Israel bombadiert. Stehen wir vor einem flächendeckenden Krieg in der Region?

Markus Bugnyár: Ich habe vor Kurzem noch gesagt: Ich glaube nicht, dass es zu einer Eskalation kommen wird. Die Frage ist: Was verstehe ich unter einer Eskalation? Also für mich fehlen da einige Player in dieser Gleichung, denn bislang hat Israel gegen die Hamas im Gazastreifen gekämpft und jetzt gegen die Hisbollah als deren Verbündete. Jetzt wissen wir alle, dass die Hisbollah so etwas wie eine Parallelstruktur im Libanon aufgebaut hat und dort als Staat im Staat agiert. Die Israelis sprechen ja aktuell (zum Redaktionsschluss am 2.10., Anmerkung der Redaktion) von einem zeitlich und örtlich begrenzten Einsatz. Es bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass das hält. Nach dem massiven Angriff des Iran muss man wohl davon ausgehen, dass Israel antworten wird. Ich rechne mit punktgenauen Angriffen auf militärische Einrichtungen, vielleicht auch auf Ölraffinerien.

DIE FURCHE: Vor einem Jahr hat die Terrororganisation Hamas bei ihrem Angriff auf Israel mehr als tausend Menschen getötet und rund 250 Geiseln genommen. Wie haben Sie die Zeit seit dem 7. Oktober 2023 in Jerusalem erlebt?

Bugnyár: Die Hamas versteht sich natürlich als politische und militärische Macht im Gazastreifen, als souverän und autonom. Es ist Krieg, definitiv. Es kommt schweres militärisches Gerät zum Einsatz, es gibt viele Verwundete, es gibt sehr viele Tote auf beiden Seiten. Das Kriegsgeschehen in Jerusalem hat uns in den ersten drei, vier, fünf Wochen wirklich betroffen. Wir haben sehr oft Raketenalarm in Jerusalem gehabt, deutlich öfter, als ich es in den vergangenen Jahren erlebt habe. Ich gebe ehrlich zu, wenn Sie das fünf-, sechsmal am Tag erleben, dann tut das etwas mit der Wahrnehmung, mit der Psyche, das wirkt sich natürlich aus.

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