Plantschen in Champagner

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Gesundes Prickeln, exklusives Relaxen, feines Dinieren: Über süßes Nichtstun in Bad Tatzmannsdorf - und die Abscheu gegenüber "Wellness".

Der Willkommens-Drink ist kaum geschlürft, da wartet schon Champagner. Nicht zum Trinken. Nur zum darin Suhlen. Und auch das nur in der Vorstellung: In Wahrheit entpuppt sich das "Champagnerbad" im Untergeschoss des Kur-und Thermenhotels Bad Tatzmannsdorf als prickelnd, aber alkoholfrei. Es ist nur kohlensäurehältiges Heilwasser, das aus 200 Metern Tiefe - kurz durch heißen Dampf erwärmt - in die Metallwanne gurgelt. Doch egal: Auch ganz normales CO2 fördert die Durchblutung und versprüht im Fünf-Sterne-Wohlfühltempel einen Hauch von Exklusivität.

"Wellness" sollte das Prickeln jedenfalls nicht vermitteln. Zumindest wenn es nach dem Bad Tatzmannsdorfer Kur-und Tourismusdirektor Dietmar Lindau geht: "Sie werden in diesem Haus nirgendwo das Wort ,Wellness' finden", betont er eine Stunde später im hauseigenen Restaurant. "Dieser Begriff ist entwertet worden." Ein Befund, den der Kurarzt des Hauses, Reinhold Riegler, nur bestätigen kann: "Wenn ein Hotel heute drei Hometrainer im Keller und eine Infrarot-Kabine hat, dann nennt es sich schon Wellness-Hotel", empört er sich. "Doch das ist Wellnepp und hat mit dem, was wir hier machen, nichts zu tun."

Was man hier macht, hat schließlich Tradition: Seit 1621 gewinnt man im burgenländischen Bad Tatzmannsdorf kohlensäurehältiges Mineralwasser aus dem Boden. Dazu kommt der Torf, den man seit über hundert Jahren für Moorpackungen und-bäder gegen Erkrankungen des Bewegungsapparats und Rheuma verwendet. 1988 ist man schließlich bei Bohrungen in 900 Metern Tiefe auch noch auf Thermalwasser gestoßen, das nun mit einer Temperatur von bis zu 42 Grad zu Tage tritt und die öffentliche Burgenlandtherme sowie sechs Hotel-Thermen füllt. "Wir sind damit der einzige Ort Österreichs, der über drei natürliche Heilmittel verfügt", meint Lindau stolz.

Ein Dreifach-Luxus, den sich manch älterer Stammgast regelmäßig gönnt. "Wir haben Gäste, die jedes Jahr drei Wochen zur Kur kommen und daneben noch eine Kreuzfahrt oder China-Reise machen", weiß der Kurdirektor. Bis zu 2.600 Euro investieren solche Leute in ihr dreiwöchiges Wohlfühlprogramm. Aber auch immer mehr Junge verschlägt es hierher. Geködert werden sie mit Kurz-Angeboten wie "Bewegte Auszeit", "Laufend in Form", "Femme vital" oder "Pilates bewegt".

Das junge Pärchen am Nebentisch ist unter dem Motto "Süßes Nichtstun" angereist - inklusive zwei Übernachtungen, Gourmet-Verwöhn-Pension, Entspannungsmassage und Champagnerbad. "Es war ein Geschenk", schwärmt die junge Frau bei Mozzarella-Parfait in Tomatenaspik. 310 Euro hat ihr Begleiter für das Wohlfühl-Wochenende bezahlt - und sich mit hauseigener Therme auch vom Kampf um freie Liegen freigekauft.

Und von manch anderen Überraschungen, wie sie die anonymen Tester von Christian Werners "Relax Guide 2006" in den 752 heimischen "Wellness-Hotels" vorgefunden haben: Zimmer mit Schrankbetten oder direktem Friedhofsblick waren ebenso dabei wie Hotels, durch die eine Straße führt, oder schlecht ausgebildetes Personal. Nur 46 Prozent konnten mindestens eine Lilie erreichen - das bescheidenste Gütesiegel, das Werner in seinem unabhängigen Guide vergibt. 13 Hotels wurden dagegen mit der Höchstnote von vier Lilien prämiert - darunter das Kur-und Thermenhotel Bad Tatzmannsdorf. Auch das Gütesiegel von "Best Health Austria" hat man sich erkämpft - und hofft, Erholungs-Suchenden im noch immer wachsenden Wellness-Dschungel damit ins Auge zu stechen. Keine leichte Aufgabe, schließlich sollen neben den 28 bestehenden, öffentlichen Thermen in Österreich noch zehn bis 15 weitere entstehen. "Zusammen mit den neuen Konkurrenten in Ungarn und Slowenien müssen sich die Hotels also gehörig anstrengen", weiß der Freizeit-und Tourismusforscher Peter Zellmann. Auch wenn der Markt zuletzt um bis zu acht Prozent gewachsen sei: Bei jährlichen Besucherzahlen von über 7,1 Millionen sei der Plafond bald erreicht.

Umso mehr pocht man auf Qualität, auch in Bad Tatzmannsdorf. So führt das "Ludwig Boltzmann Institut zur Erforschung physiologischer Rhythmen" seit 1986 dort regelmäßig Studien durch, die sich mit verschiedenen Aspekten der Kur beschäftigen. "Wir haben eindeutig zeigen können, dass im Bereich der Schmerzbeeinträchtigung, der Blutdruckabsenkung und der Verbesserung der Befindlichkeit Effekte eintreten, die ein halbes bis ein Jahr nach einer Kur anhalten", erklärt Wolfgang Marktl, Physiologe an der Medizin-Universität Wien und Leiter des Instituts, das nun mit zwei anderen Instituten zum Cluster "Rheumatologie, Balneologie und Rehabilitation" zusammengelegt wurde. Insgesamt warnt Marktl davor, bei den Kranken-oder Pensionsversicherungsleistungen für Kur-oder Rehabilitationsaufenthalte zu sparen: "Es gibt Studien, wonach eine Kur ein Jahr später durch Verminderung von Medikamenteneinnahmen und Krankheitsfehltagen rund das Dreifache von dem hereinbringt, was sie gekostet hat."

Auch Kurarzt Reinhold Riegler, der seit 19 Jahren im Kur-und Thermenhotel Bad Tatzmannsdorf als "Mädchen für alles" im Einsatz ist, glaubt fest an die Nachhaltigkeit seiner Interventionen: "Wir brauchen dazu keine Shaolin-Mönche und auch keine Gäste-Animation", erklärt er im Restaurant. Alles, was man brauche, sei Moor, Thermalwasser, Kohlensäure für das "Champagnerbad" - und jede Menge Zeit. Schließlich, meint der Arzt, gebe es unter seinen Patientinnen Damen, die 365 Tage im Jahr keinen Ansprechpartner hätten. "Und in diesen Fällen ist Reden schon 50 Prozent der Therapie."

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