Pluralität ist (k)ein Problem

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Wenn der "liberalistische Fundamentalismus" die Religion bedroht : Auch beim Thema Religionsunterricht gibt es in den Kirchen der Reformstaaten andere Positionen als hierzulande - wie sich in Celje beim 4. Symposium des Mitteleuropäischen Katholikentags zeigte*).

M an kann nicht früh genug anfangen, über religiöse Dinge zu sprechen, denn je älter man wird, desto sturer wird man." Dieser Satz, erzählt der Wiener Religionspädagoge Martin Jäggle, stammt von einer 16-jährigen muslimischen Schülerin aus Deutschland. Bedürfnis und Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit Religionen ergeben sich nicht erst angesichts der Bedrohungsszenarien von Terrorismus und des religiösen Fundamentalismus. In einer pluralen Gesellschaft wird "Identität erst im Gewahrwerden der Differenz gewonnen", so Jäggle. Welche Anforderungen eine solche plurale Gesellschaft an die Vermittlung religiöser Inhalte stellt bzw. welche Aufgaben Religionsunterricht da haben könnte, damit beschäftigte sich das 4. Symposium des Mitteleuropäischen Katholikentages in Celje, Slowenien.

Werte im freien Fall?

Zunächst ging es in Celje um den Religionsunterricht in Slowenien. Erzbischof Franc Rode von Ljubljana sprach von einer "großen Abnormität im Vergleich mit den Nachbarländern", denn die von der Verfassung vorgeschriebene Trennung von Staat und Kirche wurde so ausgelegt, dass konfessioneller Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen nicht zulässig ist. Dieses Verbot wurde 2001 vom slowenischen Verfassungsgericht bestätigt.

Rode sieht das als Folge der "50-jährigen atheistischen kommunistischen Einstellung". In Tauwetterphasen des kommunistischen Regimes sei Religion als private Angelegenheit toleriert worden, aus der Öffentlichkeit blieb sie jedoch völlig verdrängt. Die Kirche, so Weihbischof Anton Stres aus Maribor, habe aber immer als "innerer Feind Nummer Eins" gegolten.

Heute noch meinten viele Slowenen, Religion sei Privatsache. Dass Religion nach wie vor negativ behaftet sei, liege am "liberalistischen Fundamentalismus" in Medien und Politik, der seit der Unabhängigkeit Sloweniens einen "arroganten antitheistischen Fundamentalismus" verbreitet habe, so der Religionspädagoge Stanko Gerjolj. Eine Auswirkung davon sei der "Komplex der Zweitrangigkeit" der slowenischen Katholiken, so Ivan Janez ÇStuhec, Moraltheologe in Maribor, und sprach gar von "schizophrenem Verhalten in religiöse Fragen".

Weiteres zentrales Tagungsthema waren Pluralismus und Werterelativismus. Glaubt man Ivan Koprek SJ, Professor für Ethik und Kulturphilosophie in Zagreb, so ist es der durch die Globalisierung wachsende Pluralismus, der zunehmend verbindliche Werte zerstört, Menschen verunsichert und so über synkretische Anschauungen zu einem Sittenrelativismus führt. Dementsprechend forderte Koprek "die Rückkehr zu den ursprünglichen sittlichen, kulturellen und religiösen Werten". Vinko PotoÇcnik, Religionssoziologe in Maribor diagnostizierte besonders bei der Jugend ein chaotisches und sich im Zerfall befindliches Wertesystem. Es sei unabdingbar, in der Angebotsflut die christlichen Werte kenntlich zu machen. Auch die sakramentale und liturgische Praxis, die zeitweise anachronistisch anmute, müsse geändert werden, um den Menschen in einer Welt ohne verbindliche Orientierungspunkte wieder Markierungen zu setzen.

Weder Ideal noch Fanal

Trotz konträrer Standpunkte gab es - auf Grund des Terminplanes - kaum Diskussion. Dabei ist für den Wiener Religionspädagogen Jäggle im Gegensatz zu den slowenischen und kroatischen Kollegen die Pluralität nicht ein Problem, sondern eine gegebene Voraussetzung. Die religiöse Vielfalt bedrohe nämlich allenfalls die christliche Hegemonie, nicht aber den Aufbau einer christlichen Identität. Man müsse zwischen dem Phänomen religiöse Pluralität, das weder "Ideal noch Fanal", sondern Realität sei, und den Umgangsformen damit differenzieren. Weder die fundamentalistische Haltung, die alle anderen Haltungen dämonisiert, noch der völlige Relativismus, der alles gleich gültig erscheinen lässt, bieten die Grundlage für einen Dialog. Anstrebenswert wäre eine "Kultur der gegenseitigen Anerkennung". In der religiösen Bildung sieht Jäggle eine Voraussetzung allgemeiner Verständigungsfähigkeit, denn die "Schlüsselbegriffe unserer Kultur sind ohne Zugang zu ihren religiösen Wurzel nicht verstehbar". Religionsunterricht wird dadurch nicht zum Ort der Indoktrination sondern der Kommunikation mit dem Ziel, "zur Entwicklung einer religiösen Kompetenz" beizutragen.

*) Kooperation der Furche mit der Österr. Bischofskonferenz. Die redaktionelle Verantwortung für diesen Beitrag liegt bei der Furche.

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