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Im Vorfeld des Konklaves richtete Kardinal Schönborn ungewohnt scharfe Töne an die Adresse der Kanzlerpartei. - Zu Recht?

War es die Anspannung vor der Papstwahl? War es die Befürchtung, dass ein Abgehen von Zwei-Drittel-Mehrheiten - wie ab dem 34. Durchgang des Konklave - extremen Positionen Vorschub leisten könnte? War es die ökumenische Solidarität mit den anderen Kirchen? Oder war es bloßer Ärger über die brüske Abfuhr durch die Politik? Was genau den Wiener Kardinal und Papstanwärter Christoph Schönborn vergangenen Sonntag dazu bewogen hat, der österreichischen Volkspartei aus dem fernen Rom die Leviten zu lesen, wird man nie erfahren.

Tatsächlich war die Wortwahl des sonst so diplomatischen Kardinals ungewöhnlich scharf: Das Festhalten der övp an der Streichung des Zwei-Drittel-Erfordernisses bei Schulgesetzen sei "nur schwer nachvollziehbar", kritisierte Schönborn laut Kathpress. Die katholische Kirche vertrete dabei keinesfalls nur "Eigeninteresssen", weshalb auch der Hinweis auf das Konkordat nicht den Punkt treffe. Ihr gehe es vielmehr um den "geschwisterlichen Einsatz" für jene Kirchen und Religionsgemeinschaften, deren schulische Position nicht durch das Konkordat abgesichert sei. Ein Ringen um "angemessen differenzierte Lösungen" sei deshalb unumgänglich, so der Kardinal: "Es kann nicht sein, dass nun all diejenigen, die wie die Kirche genau das einfordern, als ,Bremser' in Misskredit gebracht werden."

Der verbale Paukenschlag aus dem Vatikan verfehlte seine Wirkung nicht: Prompt lud der sonst so schweig- und unbeugsame Bundeskanzler den Kardinal nach dessen Rückkehr zum Vermittlungsgespräch.

Das (späte) Dialogangebot scheint Schönborns Vorgangsweise zu rechtfertigen. Ob die politische Einmischung auch sachlich angebracht und strategisch klug war, steht auf einem anderen Blatt. Offensichtlich werden die Brüche, wenn man sich die neue Allianz des Kardinals mit der spö vor Augen führt. Schließlich stecken hinter dem gemeinsamen Wunsch an der Beibehaltung des Zwei-Drittel-Erfordernisses teils konträre Interessen.

Zur Erinnerung: Bis Mitte Februar pochte die spö auf die völlige Aufhebung des betreffenden Artikels 14/10 der Bundesverfassung - inklusive der möglichen Einführung neuer Gesamt- oder Ganztagsschulmodelle. Das unverhoffte Einlenken von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (vp) beim "Reformdialog Bildung" zwang die Sozialdemokraten jedoch zur Kurskorrektur: Ab sofort waren die Schulgeldfreiheit, die Öffentlichkeit des Schulwesens, die Schulpflicht und der Zielparagraph für das Schulwesen tabu. Dass schließlich in der Karwoche auch der Religionsunterricht, das katholische Privatschulwesen und das Konkordat in die Liste der "Untouchables" aufgenommen wurden, entsprach wohl weniger dem Bedürfnis des Ex-Ministranten Gusenbauer als dem Schlagzeilen-Gespür seines Kommunikationsgurus Kalina.

Dennoch nahm der Kardinal - nachhaltig verärgert über die Diskussionverweigerung der övp - das Angebot bereitwillig an. Und dies, obwohl sich die eigentlichen Interessen der katholischen Kirche - neben der Absicherung des Religionsunterrichts und der katholischen Privatschulen vor allem die Beibehaltung des differenzierten Schulwesens - weniger mit Gusenbauers als mit Schüssels Visionen decken.

Eine verzwickte Gemengelage aus vermeintlichen und tatsächlichen Motiven. Die unscharfe Rechtssituation verschärft das Verwirrspiel: Zwar ist das Konkordat der Republik Österreich mit dem Heiligen Stuhl (samt vereinbarter Bezahlung der Religionslehrer durch den Staat) nicht im Verfassungsrang verankert und kann daher mit einfacher Mehrheit aufgekündigt werden. Einen solchen Vertragsbruch könnte aber keine Regierung wagen. Und so lange das Konkordat besteht, ist im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes die schulische Position der anderen Kirchen und Religionsgemeinschaften gesichert.

Sachlich betrachtet erscheint die Verärgerung des Kardinals im Vorfeld des Konklaves also unangebracht. Bleiben die zwischenmenschlichen Verstimmungen. So verständlich sein Ärger über die Kanzlerpartei auch ist: Ein gutes Klima zwischen Kirche und Staat entsteht nur durch Distanz und rhetorisches Fingerspitzengefühl. Nur selten durch politische Ratschläge ex cathedra.

doris.helmberger@furche.at

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