Politische Gestalt - auch posthum

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Am 19. September wird Johannes Paul II. in Maribor den Vorreiter der nationalen Identität Sloweniens, Bischof Anton Martin Slomsek, seligsprechen.

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Am 19. September wird Johannes Paul II. in Maribor den Vorreiter der nationalen Identität Sloweniens, Bischof Anton Martin Slomsek, seligsprechen.

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Er war Politiker, Hüter und Förderer der slowenischen Sprache und Fürst der Kirche - obwohl er sich gegen letztere Bezeichnung vermutlich gewehrt hätte, weil sie seiner Bescheidenheit widersprochen hätte: Bischof Anton Martin Slomsek, der am 19. September in seiner Bischofskirche Maribor von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen wird. Geboren wurde er am 26. November 1800 in Ponikva, einem kleinen Ort östlich von Celje.

Das Land gehörte damals zum österreichischen Kronland Krain, in dem die deutschsprachige Bevölkerung wirtschaftlich und kulturell den Ton angab. Slomseks Eltern waren kleine Bauern, wahrlich nicht mit weltlichen Gütern gesegnet, doch so fromm wie das slowenische Bauern bis heute sind. Schon als Bub fiel Anton Slomsek durch seine intellektuelle Begabung auf, die in Kaplan Jakob Prasnikar einen verständnisvollen Förderer fand. Er sorgte dafür, daß der Bub das Gymnasium in Celje besuchen konnte und unterstützte ihn moralisch und finanziell. Slomseks nächste Station war das Lyzeum in Ljubljana, wo der spätere große slowenische Schriftsteller France Presern sein Freund wurde.

Erbe Muttersprache Diese Freundschaft wurde noch lange in Briefen fortgesetzt und man darf annehmen, daß Slomseks Engagement für die slowenische Sprache auch auf diesen Einfluß zurückzuführen ist. Der entscheidende Anstoß kam in den Seminarjahren in Klagenfurt. In Kärnten stand man dem Slowenischen nicht unbedingt freundlich gegenüber, und die meisten Seminaristen sprachen nur gebrochen slowenisch. Wie sollten sie später als Priester beim einfachen slowenischen Volk wirken können? Slomsek organisierte einen Sprachkurs für seine Mitschüler, die er mit Billigung der Seminarleitung unterrichtete. Im September 1824 wurde er zum Priester geweiht.

Seine Primiz feierte er in Olimje, wo sein geistiger Führer Jakob Prasnikar als Pfarrer wirkte. Ein weiteres Studienjahr führte ihn wieder nach Klagenfurt, wo er Seelsorger im Krankenhaus der Elisabethinen war. In sein Tagebuch schrieb er: "So lernte ich den Tod kennen und von den Sterbenden lernte ich leben". Als er als Spiritual ans Klagenfurter Priesterseminar berufen wurde, begann sein Wirken als slowenischer Schriftsteller. Er sammelte Volkslieder, verfaßte selbst Liedertexte und gab sie als "Bekannte Lieder aus Kärnten und Steiermark" heraus. Seine Predigten sammelte er unter dem Titel "Evangelische Seelenspeise". Darin sagte er: "Die Muttersprache ist das größte Erbe, das wir von unseren Eltern bekamen. Wir sind verpflichtet, sie sorgfältig zu bewahren, zu verschönern und unseren Nachkommen zu hinterlassen. Wer seine slowenische Muttersprache vergißt, sein Talent liederlich vergräbt, den wird Gott dereinst darum fordern."

Flöße drauabwärts Er wußte, daß die Pflege der Muttersprache in der Kindheit beginnen muß. So schrieb er für die Kinder ein Lehrbuch unter dem Titel "Blasius und Agnes in der Sonntagsschule". Es erlebte viele Auflagen, wurde in andere Sprachen übersetzt und sogar in Rußland im Unterricht verwendet. Slomseks reiches Wissen, das in diesem Buch niedergelegt ist, macht staunen, handelt es sich doch um eine Art Enzyklopädie für Kinder.

Schon 1844 wollte Slomsek einen slowenischen Verlag gründen, doch verhindern die Behörden diesen Plan. Man wollte keine Konkurrenz zur deutschen Sprache schaffen. Doch er setzte seine Arbeit fort. Unter dem Titel "Brosamen" schrieb er Kurzgeschichten und Aphorismen, die auch noch lange nach seinem Tod verlegt wurden. In diesen Jahren lebte Slomsek schon in St. Andrä im Lavanttal, wo er Schulinspektor der Diözese war. 1846 wurde er in Salzburg zum Bischof geweiht. Als Leitspruch wählte er das Motto des hl. Ignatius: "Alles zur größeren Ehre Gottes und zum Heil der Seelen". In seiner Diözese St. Andrä im Lavanttal förderte er die Volksmission, und um die Spaltung der Christenheit zu überwinden, gründete er 1851 die Bruderschaft der heiligen Kyrill und Method, die von Papst Pius IX. bestätigt wurde und sich in ganz Europa verbreitete. Als Bischof wurde Slomsek schließlich zum Politiker.

Schon seit längerer Zeit gab es Bestrebungen, den Bischofsitz von St. Andrä nach Maribor zu verlegen, doch wurden sie von österreichischer Seite abgelehnt. Slomsek aber arbeitete energisch und mit viel Diplomatie auf dieses Ziel hin, das 1859 erreicht wurde. Auf Flößen wurde das bischöfliche Archiv die Drau abwärts nach Marburg verbracht, die Pfarrkirche von Maribor wurde zum Dom erhoben. Das an die Steiermark angrenzende Land gehörte zur Diözese Seckau, doch gelang es Slomsek, ein Siedlungsgebiet von etwa 20.000 Slowenen seiner Diözese einzugliedern. Er berief slowenische Priester und Intellektuelle nach Maribor und gründete noch 1859 Priesterseminar und theologische Schule, welche die Vorgängerin der heutigen Universität Maribor wurde. Slomsek war keine lange Wirkungszeit an seinem neuen Bischofssitz beschieden. Nach schwerer Krankheit starb er am 24. September 1862.

Im Testament bedachte er die Armen seiner Diözese und verfügte, in einem einfachen Sarg auf dem Stadtfriedhof bestattet zu werden. Doch noch lange nach seinem Tod wurde er wieder zur politischen Gestalt. Als im April 1941 die Nationalsozialisten in Maribor einmarschierten und das Land zur "Untersteiermark" machten, war ihnen Bischof Slomsek ein Ärgernis. Die Slowenen wollten sich nicht von ihrer Kirche abwenden, und Gauleiter Uiberreither meinte in einem Brief an Kreisleiter Suette: "Wir werden hier noch sehr viel Arbeit haben." Im Juni 1941 wurde Slomseks Sarg in die Gruft unter der Franziskanerkirche überführt und damit der Bevölkerung unmöglich gemacht, Blumen niederzulegen und Kerzen anzuzünden.

Erst 1978 wurde die Gruft im Dom ausgebaut, in der er seither ruht. Heute erinnern Denkmale neben dem Dom in Maribor und der Pfarrkirche in Celje an Slomsek, der im heutigen Slowenien als einer der Vorläufer des selbständigen Staates betrachtet wird. In seinem Geburtsort Ponikva aber steht noch der Stamm des Nußbaumes, unter dem der kleine Anton in der Sonntagsschule durch seine Intelligenz, seinen Fleiß und seine Frömmigkeit alle Mitschüler überragte.

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