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Adam Michnik und P. Tadeusz Rydzyk - zwei gegensätzliche Schlüsselfiguren polnischer Medien. Eine persönliche Analyse der kirchlichen und intellektuell-politischen Lage Polens.

Die politische, soziale und religiöse Lage in Polen im Jahr 2003 kann als Rückkehr vergangener Dämonen vor allem der Zwischenkriegszeit charakterisiert werden. Der Kampf um Macht, Geld, Medieneinfluss dominiert die öffentliche Diskussion.

Die Kirche versucht - teilweise erfolgreich - eine Vermittlerrolle zu spielen. Zu wichtigen Fragen veröffentlichen die katholischen Bischöfe Hirtenbriefe, die ernsthafte Medienkommentare zur Folge haben. Es gibt viele Bischöfe, deren Stimme Gewicht hat. Dazu zählen Erzbischof Józef ·Zy´ci·nski (Lublin), Bischof Tadeusz Pieronek, der Langzeit-Sekretär der polnischen Bischofskonferenz, die Erzbischöfe Tadeusz Goclowski (Danzig), Henryk Muszy·nski (Gnesen)... Jeder von ihnen spielte eine wichtige Rolle in der Diskussion um Polens Beitritt zur EU.

Die Milieus katholischer Laien scharten sich um die Wochenzeitung Tygodnik Powszechny und das auflagenstarke Sonntagsblatt Go´s´c Niedzielny, auch die Monatszeitschriften Znak und Wi¸e´z spielen eine wichtige Rolle. Auch auf die Rolle des Instituts des Nationalen Gedenkens ist hinzuweisen, das eine ernsthafte Auseinandersetzung über das Erbe des Totalitarismus in Polen begonnen hat - darunter die Diskussion über das Pogrom an den Juden von Jedwabne 1941 oder der Massenmord an Polen im heute westukrainischen Wolhynien 1943.

Am Rand päpstlicher Lehren

Das Ringen um die (geschichtliche) Wahrheit ist die wichtigste Aufgabe der postkommunistischen Gesellschaften. Diese Wiederherstellung der Wahrheit bedarf auch eines ehrlichen und unparteiischen Studium des religiösen Erbes.

Die Besuche Johannes Pauls II. waren ein wichtiger Ausgangspunkt für Katholiken, aber auch für postkommunistische Amtsträger, nicht zuletzt Staatspräsident Aleksander Kwasniewski und Minsterpräsident Leszek Miller.

Die Auseinandersetzung über die zukünftige Gestalt der polnischen Gesellschaft wird oft durch die Linse zweier Gruppen fokussiert: die Tageszeitung Gazeta Wyborcza, die aus den Reihen der früheren antikommunistischen Opposition entstand und bis heute von Adam Michnik geführt wird, und Radio Maryja, das 1992 vom Redemptoristen Tadeusz Rydzyk gegründet wurde.

In der Fastenzeit 1991 habe ich Besinnungstage in Torun gehalten, die von der lokalen Radiostation übertragen wurden. Diese Station - was ich nicht wusste - war Radio Maryja. Seit dem Fall des Kommunismus wird dieses Radio Maryja als einziges unabhängiges katholisches Medium im Land angesehen. Abgesehen von den religiösen Inhalten haben die Programme des Senders eine starke politische Komponente - sie sind antisemitisch, antimodern, antieuropäisch, anti-alles.

Daher war ich sehr erstaunt, im Anschluss an die Besinnungstage ins Studio eingeladen zu werden , um live auf Hörerfragen zu antworten. Die Fragen und das Programm haben mich tief bewegt.

Auch später hatte ich mehrmals in ähnlicher Weise Kontakt zu Radio Maryja. Es waren fromme Kontakte, die mir halfen, die positive Rolle, die dieses Medium für viele Gläubige spielt, zu verstehen. Daher sehe ich mit besonderer Bestürzung die Verbindung dieser positiven Rolle mit dem völlig antichristlichen Profil vieler Kommentare in Radio Maryja. Wie kann angesichts der weltoffenen Haltung Papst Johannes Pauls II., unter dessen geistlicher Patronanz sich das ganze Umfeld von Radio Maryja bewegt, die enge Ideologie von P. Rydzyk entstehen? Die gegenwärtige Entwicklung dieser wachsenden "imperialen Macht" stimmt wenig optimistisch. Dennoch würde ich nicht ausschließen, dass - was in der Kirchengeschichte nicht unbekannt ist - es tiefe Veränderungen und radikalen Wechsel geben kann.

Das hängt langfristig auch vom Fortschritt des innerkirchlichen Dialogs ab. Es gibt viele Bischöfe - an ihrer Spitze der Primas Kardinal Józef Glemp, die seit Jahren den Hörern von Radio Maryja Respekt zollen, aber gleichzeitig Besorgnis über dessen Führung ausdrücken. P. Rydzyk selbst hat seinerseits immer wieder betont, dass er die Kirche nicht spalten wolle. Ich glaube, dass diese Aussagen ehrlich gemeint sind. Das Problem ist, dass sie nicht Gegenstand einer theologischen Analyse sind.

Der Verdacht kommt nicht von ungefähr, dass dieser Rhetorik, die wir aus der totalitären Vergangenheit kennen (die nur den Worten innerhalb des geschlossenen Systems einer vorgeblichen "Wahrheit" eine Bedeutung zumisst), auch in Radio Maryja weiterlebt. Überraschenderweise ist dies eine Sprache des Hasses und des Klatsches, die vorgibt, dass sich in Polen in Wirklichkeit nicht geändert hat, außer dass Brüssel Moskau ersetzt hat.

"Christlicher" Agnostiker?

Ich bin ein treuer Leser der Gazeta Wyborcza und bewundere ihren Chefredakteur Adam Michnik. Ich habe vor einigen Jahre ein Buch über den Dialog mit Nichtglaubenden veröffentlicht. Adam Michnik war zu einem Gespräch bereit, das in diesem Buch abgedruckt ist. Darin formuliert er: "Ich kann nicht sagen, dass ich ein Christ bin... Aber gleichzeitig gibt es kein klügeres Wertesystem als das Christentum, dessen beständiges Element die Barmherzigkeit im Angesicht der Gerechtigkeit ist. Denn sonst wären die Zehn Gebote und die Bergpredigt nur Beiwerk oder Formeln, die leicht ersetzt werden könnten, und die zu nichts führen. Etwas muss daraus kommen!"

Ich grüble, warum ein Oppositioneller, der Autor vieler wichtiger Bücher, ein Mensch, der sich so nahe an die katholische Kirche begeben hat, sich auf der anderen Seite der "imperialen" Barrikade befindet, die ein katholischer Priester geschaffen hat, für den die Ideale Michniks, des Autors des berühmten Buches "Die Kirche und die polnische Linke. Von der Konfrontation zum Dialog" (1977) von Natur aus nahe sein sollten, denn sie sind nahe am Evangelium.

Es trifft mich, dass es gegen Michniks redliche Bemühungen um eine "nation-übergreifende Einheit" ebenso Widerstände gibt wie gegen seine ehrlichen Versuche, die postkommunistischen Länder zusammenzubringen. Gegen seine ausgestreckten Hände gegenüber den Kommunisten werden Vorwürfe laut, er verwässere die Werte und er verfälsche bewusst die Wirklichkeit. Michnik meint dazu - im schon zitierten Gespräch: "Es war aber doch der Heilige Vater, der geschrieben hat: zuerst Barmherzigkeit, dann Gerechtigkeit; deshalb muss die Barmherzigkeit der Gerechtigkeit vorangehen. Wenn ich mich dann für diesen Weg entscheide, warum beschuldigt man mich, die Grenzen zwischen Gut und Böse zu verwischen und alles zu relativieren?"

Wenn nun die katholische Kirche - Bischöfe, Priester, der Papst - nach Einheit riefen (und das tun sie ja!) und alle drängten, mit der Vergangenheit ins Reine zu kommen - würde die Reaktion anders sein? Wenn das die katholischen Medien täten, würden sie ihren katholischen Charakter verlieren?

Mein Verhältnis zu P. Rydzyk ist sehr vielschichtig. Ich bewundere das Engagement derer, die selbstlos das Radioprogramm machen. Aber ich kann Bischöfe und Priester nicht verstehen, die Kritik daran vermeiden. Es ist wahr, dass Radio Maryja ein großes Potenzial des Guten verbreitet. Aber es gibt keine Rechtfertigung, dass es Programme propagiert, die nicht nur im Widerspruch zum Evangelium, sondern auch zu vitalen Interessen Polens stehen.

Zusätzlich ist das Kirchenbild, das P. Rydzyk verbreitet, mir vollkommen fremd. Ich kann darin nicht die Spur einer nachkonziliaren Reflexion oder päpstlicher Aussagen der letzten Jahrzehnte finden - es stellt ein unchristliches, sektiererisches Kirchenbild dar.

Gefahr für Kirchenzukunft

Das alles sind nicht bloß akademische Fragen. Es handelt sich um eine reale Gefahr für die Zukunft der katholischen Kirche in Polen.

Es gibt auch die Frage finanzieller Transparenz in den privaten Medien. Mit dem Fortgang von "Rywingate", der Affäre, in der der bekannte Filmproduzent Rywin das Unternehmen "Agora", das die Gazeta Wyborcza herausgibt, zu bestechen versuchte, erhält auch fehlende finanzielle Transparenz von Radio Maryja eine zusätzliche Bedeutung. Kurz gesagt: Das Erbe des Kommunismus ist lebendig - nicht nur im postkommunistischen Lager, sondern auch in der "katholischen Stimme in unseren Häusern".

Persönlich würde ich die Offenheit und das kritische Denken von Adam Michnik mit der pastoralen Energie und dem Organisationstalent von P. Rydzyk kombinieren. Ich glaube, dass das Umfeld der Gazeta Wyborcza ebenso wie das von Radio Maryja die Möglichkeit der Synthese beider komplementärer Bilder der Wirklichkeit erkennen könnte. Wird solch eine Synthese dieser dialektischen Elemente polnischer Realität möglich sein? Ich persönlich bin überzeugt, dass das möglich ist. Es ist ja gerade in den Lehren Johannes Pauls II. grundgelegt, der für Adam Michnik ebenso teuer ist wie für P. Tadeusz Rydzyk.

Der Autor, Jesuit, lehrt Kulturphilosophie. Er leitet das "Zentrum für Kultur und Dialog" in Krakau. Aus dem Englischen von Otto Friedrich.

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