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Showdown in der orthodoxen Kirche Griechenlands: Erzbischof Christodoulos Diener Christi oder der Drogen- und Kirchenmafia?

Schon seit Jänner schwelt in der orthodoxen Kirche von Griechenland eine Krise, die auch auf die griechisch geprägten Patriarchate von Jerusalem und sogar Konstantinopel übergreift. Während diese Entwicklung hierzulande kaum Beachtung findet, wird die orthodoxe Welt von den Vorgängen in Athen immer stärker berunruhigt. Die orthodoxen Serben, für die das griechische Modell enger Verflechtung von Kirche und Staat, Nation und Religion immer wegweisend war, zeigen sich am meisten verunsichert. Aber auch in Moskau bezeichnet einer der führenden russischen Kirchenjournalisten, Ignatij Aleksejew, unter der Titelzeile "Griechenland am Kochen" die Infragestellung der griechischen Kirchenführung als "Skandal auf Bestellung".

Als eine gegen ihn persönlich, aber viel mehr gegen das griechische Volk und dessen orthodoxen Glauben gerichtete "Globalisierungsverschwörung" versucht auch Erzbischof Christodoulos von Athen die Welle von Korruptionsfällen in seiner unmittelbaren Umgebung hinzustellen. Alles begann vor drei Monaten mit der Aufdeckung bestechlicher Richter und Staatsanwälte, in deren Machenschaften bald auch die Namen von höheren Geistlichen und sogar Bischöfen auftauchten.

Jakovos, der Korrupte

Als Griechenlands Orthodoxie im 19. Jahrhundert aus politischen Gründen vom Mutterpatriarchat Konstantinopel getrennt wurde, erhielt sie unter König Otto von Wittelsbach eine Mischform von russischem Cäsaropapismus und bayerisch-österreichischem Josephinismus als Kirchenverfassung. Kirche und Justiz spielten aber seitdem noch nie so eigennützig zusammen wie in den letzten Jahren bei den Entschädigungen für Klöstern enteignete Grundstücke oder beim illegalen Verkauf von Ikonen und bibliophilen Kostbarkeiten.

Der "Hausprälat" des Erzbischofs, Jakovos Giosakis, sitzt deswegen schon hinter Schloss und Riegel. Auch richterliche Gefälligkeiten für wegen Drogendelikten und anderen Jugendsünden straffällig gewordene Söhne aus gut orthodoxem Haus hatte es immer wieder gegeben. Der Fall eines Beichtkindes von Christodoulos, der dank diesem mit einer bedingten Strafe davonkam, sich aber auch bei seiner Weiterentwicklung vom Haschraucher zum internationalen Händler mit harten Drogen weiter oberhirtlicher Protektion erfreute und schließlich vom Erzbischof zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten orthodoxer Schwesterkirchen benutzt wurde, ist wirklich einzigartig.

Dieser Apostolos Vavylis, von der Interpol steckbrieflich gesucht, wurde vor vier Jahren mit anderen kirchlichen Agenten nach Jerusalem entsandt, um dort die Wahl des Christodoulos genehmen Exarchen Irenaios zum neuen griechisch-orthodoxen Patriarchen der Heiligen Stadt durchzusetzen: Mit allen Mitteln, zu denen auch Verleumdungen, Urkundenfälschungen und Beseitigungsversuche gegen Leib und Leben der Mitbewerber gehörten. Irenaios wurde Patriarch, musste aber wegen all dieser Hintergründe lang auf seine Anerkennung durch Israel warten. Heute bringen die Enthüllungen aus Athen das Patriarchat Jerusalem in neue Schwierigkeiten, die Irenaios selbst als "höllisch und apokalyptisch" bezeichnet.

Apostolos, der Listenreiche

In einer zweiten Phase wurde Apostolos Vavylis - inzwischen als Mönch ein "Pater Rafael" mit seiner israelischen Frau als Sekretärin - eingesetzt, um die alteingesessene griechische Diaspora in Unteritalien dem Patriarchen von Konstantinopel abspenstig zu machen.

Christodoulos verfolgt schon seit seiner Wahl zum Erzbischof von Athen vor sieben Jahren mehr oder weniger offen das Ziel, die orthodoxen Auslandsgriechen in Europa und Übersee der griechischen Landeskirche und nicht länger dem Ökumenischen Patriarchat zu unterstellen, er möchte selbst zu einer Art Überpatriarch aller Griechen dieser Welt werden. Eine Zuständigkeit Athens im Ausland hatte es bisher nur einmal kurz zwischen 1908 und 1913 gegeben und damals auch die griechisch-orthodoxe Kirche in Wien betroffen. Jetzt war ähnlich wie Vavylis in Kalabrien auch der schon genannte Archimandrit Giosakis in Nord- und Mittelamerika unterwegs, um dort die Autorität von Patriarch Bartholomaios I. zu untergraben und fragwürdige Geldgeschäfte abzuwickeln.

Die beiden waren aber nicht die einzigen, die im Dunstkreis von Erzbischof Christodoulos in und außerhalb von Griechenland im Trüben fischten. Ein Bischof wurde schon suspendiert, ein weiterer ist freiwillig zurückgetreten, ein Archimandrit rettete sich mit seiner Mutter ins Ausland, ein anderer wurde in den Laienstand zurückversetzt. Mit Enthüllungen, die dem Erzbischof keine andere Konsequenz als den Rücktritt mehr offen lassen, wird bei Festnahme des Hauptkomplizen Apostolos Vavylis zu rechnen sein, der für Christodoulos zum Hauptbelastungszeugen zu werden droht.

Die bisherigen Indizien und Anklagen, die fast jeden Tag an die Öffentlichkeit gelangen, erwecken ganz den Eindruck, dass sich erst die Spitze eines Eisberges zeigt, dass noch mehr und Schlimmeres auf die orthodoxe Kirche von Griechenland zukommt. Die seit langem auf Kirchenfragen spezialisierte Athener Abendzeitung "Ethnos" (Nation) befürchtet: "Die gleichzeitige, miteinander zusammenhängende Krise in Kirche und Justiz kommt Dynamit an den Grundfesten der griechischen Gesellschaft gleich. Sie betrifft Institutionen, denen gegenüber die Gesamtheit der griechischen Bürger das Bedürfnis empfindet, ihnen Vertrauen entgegenbringen zu können. Wir haben schon in der Vergangenheit Zustände erlebt, die dem einen oder anderen Bereich oder deren Trägern keineswegs zur Ehre gereichten. Einen Fall wie den jetzigen hat es aber bisher noch nicht gegeben!"

Anastasios, der Populäre

Erzbischof Christodoulos, der bald nach seiner Wahl 1998 zum beliebtesten griechisch-orthodoxen Kirchenführer aufgestiegen war, liegt jetzt erst an dritter Stelle und muss mit weiteren Einbußen seiner Popularität rechnen: Von 100 befragten Griechinnen und Griechen unterstützen ihn nur mehr 55 statt früher 90, es lehnen ihn 33 total ab. Sein Kritiker, Patriarch Bartholomaios I., kommt auf 65 Sympathisanten und überrundet erstmals den Athener Oberhirten bei dessen eigenen Gläubigen.

Populärster Kirchenfürst griechischer Herkunft ist jedoch der 76-jährige Erzbischof von Albanien, Anastasios Giannoulatos. Für ihn sprechen sich 81 Prozent der Befragten aus. Anastasios als Erzbischof in Athen wäre, wenn er bald die Geschicke der albanischen Orthodoxie ihrem eigenen Nachwuchs anvertraut, trotz seines hohen Alters wahrscheinlich auch der Einzige, der eine Trennung von Kirche und Staat noch aufhalten könnte, die bereits von 57 Prozent der Griechen gefordert wird. Es handelt sich dabei nicht nur um liberale Antiklerikale, Sozialisten und Kommunisten, sondern schon um 41 Prozent von den Wählern der heutigen konservativen Regierungspartei "Nea Dimokratia".

Der Autor ist Ostkirchenexperte und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut Glaube in der 2. Welt, Zürich.

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